Immer auf die Kleinen - Kündigungsschutz im Kleinbetrieb
Diese Betriebe, wie beispielsweise Zulieferer, haben regelmäßig nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern im Vergleich zu ihren sehr großen Kunden. Geht es den großen Kunden finanziell schlecht, werden häufig zuerst die Geschäftsbeziehungen zu den kleinen Betrieben beendet. Diese sind dann gehalten, den Geschäftsbetrieb einzustellen oder Mitarbeiter zu entlassen. Die entlassenen Mitarbeiter werden dann mit der Tatsache konfrontiert, dass für sie nur ein geringerer Kündigungsschutz als für Mitarbeiter in großen Betrieben gilt. Dies vor folgendem Hintergrund.
Nach dem Kündigungsschutzgesetz, das vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen schützt,
sind von seiner Schutzwirkung ausgenommen sogenannte Kleinbetriebe, die in der Regel
zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Hierdurch sollen Neueinstellungen gefördert werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in Kleinbetrieben Neueinstellungen unterblieben, wenn jeder Mitarbeiter des Kleinbetriebs Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genösse und der Arbeitgeber fürchte, im Kündigungsfalle hohe Abfindungen zahlen zu müssen. Eine rechtspolitische Entscheidung mit großer praktischer Bedeutung.
Rund ein Viertel aller Arbeiter und Angestellten sind Mitarbeiter von derartigen Kleinbetrieben. Die Frage, inwieweit die vom Geltungsbereich des KSchG ausgeschlossenen Arbeitnehmer dennoch in gewissem Maße vor Kündigungen geschützt sind, führte trotzdem lange Zeit ein Schattendasein. Es bestand weitgehend Einigkeit, dass dieser Personenkreis mit Ausnahme besonderer Kündigungsverbote, etwa für Schwangere oder Betriebsratsmitglieder, weitgehend schutzlos gestellt sei. Erst die neuere Rechtsprechung hat gezeigt, dass dies nicht
der Fall ist und der häufig erteilte Rechtsrat, außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes sei für
den gekündigten Arbeitnehmer eines Kleinbetriebes nichts zu machen, falsch ist.
So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Herausnahme der Kleinbetriebe
aus dem allgemeinen Kündigungsschutz dann nicht gerechtfertigt ist, wenn größere Unternehmen sich in Organisationen gliedern, die jeweils für sich betrachtet der Kleinbetriebsklausel des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen. Es ist zu verhindern, dass sich Teile größerer Unternehmen auf den Kleinbetriebsschutz berufen können, für die der Schutzgedanke des § 23 Abs.1 Satz2 KSchG nicht zutrifft.Nach dem Bundesverfassungsgericht liegen in diesem Fall keine anerkannten sachlichen Gründe zur Differenzierung vor, die eine an Art. 3 Abs. 1 GG gemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben rechtfertigen. Deshalb ist der Begriff des Betriebes auf Organisationen zu beschränken, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel geschaffen wurde.
So ist kündigungsschutzrechtlich kein Kleinbetrieb trotz einer Mitarbeiterzahl von 10 oder weniger Vollzeitbeschäftigten gegeben, wenn der Betrieb nicht dem „Mittelstand" zuzuordnen ist, der Unternehmer nicht selbst als Betriebsleiter vor Ort mitarbeitet, keine besonders enge persönliche Beziehungen zwischen dem Inhaber und seinen Mitarbeitern bestehen, der Kleinbetrieb über eine hinreichende Finanzausstattung verfügt und er auch
keine eingeschränkte Verwaltung unterhält. Es wird also maßgebend darauf abgestellt, ob aufgrund der bestehenden Strukturen die Leistung des einzelnen oder interne Missstimmungen das Geschäftsergebnis nachhaltig beeinträchtigen können.
Die Kündigung eines Arbeitnehmers im Kleinbetrieb kann zudem nach § 242 BGB, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, unwirksam sein. Dies ist der Fall,wenn die Kündigung aus anderen als den in § 1 KSchG aufgeführten Gründen, gegen Treu und Glauben verstößt.Auch in einem Kleinbetrieb muss der Arbeitgeber ein verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren und darf ein
durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
nicht unberücksichtigt lassen.
Hierbei ist insbesondere an eine grob fehlerhafte Sozialauswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern ohne entgegenstehende betriebliche Interessen im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen zu denken, sowie an eine personenbedingte Kündigung eines kurzzeitig an einer Allerweltskrankheit wie einer Grippe erkrankten Arbeitnehmers. Weiterhin erfasst werden die Fälle einer völlig außer Verhältnis zum marginalen Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigung. Am häufigsten judiziert wurde der Fall einer grob fehlerhaften Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen im Kleinbetrieb.
Der Fall also, wenn gerade der schutzbedürftigere weil ältere und länger betriebszugehörige Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt und der weniger schutzwürdige nicht gekündigt wird. Hat der Arbeitgeber keine besonderen Gründe, gerade diesen Arbeitnehmer betriebsbedingt zu entlassen oder die Entlassung eines anderen zu vermeiden, spricht eine
grobe Missachtung der Sozialauswahlkriterien für eine Treuwidrigkeit der Kündigung Diese fehlerhafte Sozialauswahl macht die Kündigung rechtsmissbräuchlich. Aber auch krankheitsbedingte Kündigungen im Kleinbetrieb können nach neuester Rechtsprechung rechtsunwirksam sein.
So ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung im Kleinbetrieb die Treuwidrigkeit dann
vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg angenommen worden, wenn sich die krankheitsbedingten Gründe angesichts der Dauer der Betriebszugehörigkeit als „nicht einleuchtend" erweisen. Bei kurzzeitigen Erkrankungen, die kein Indiz für zukünftige Fehlzeiten liefern, ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung nicht zu erkennen. Aus dem Sozialstaatsprinzip und den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist zu entnehmen, dass diese Kündigungen zudem wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sind. Deshalb ist eine Kündigung mit der Begründung,
der Arbeitnehmer habe in der Vergangenheit krankheitsbedingt gefehlt, im Kleinbetrieb unwirksam, wenn und soweit die Krankheit keine Auswirkungen in die Gegenwart und
Zukunft hat.
Schließlich sind auch häufig verhaltensbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern in Kleinbetreiben nach Teilen der Instanzrechtsprechung unwirksam, weil sie gegen den Verhältnismäßigkeitgrundsatz verstoßen, z. B. wenn der verhaltensbedingt gekündigte Arbeitnehmer vor der Kündigung nicht abgemahnt oder zu den ihn entgegengehaltenen Vorwürfen nicht angehört wurde. Soweit es um ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers geht, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Das Erfordernis der Abmahnung dient der Objektivierung der negativen Prognose, der Mitarbeiter werde auch in Zukunft sich vertragswidrig verhalten. Ohne vorherige Abmahnung kann aufgrund einer vom Arbeitnehmer begangenen Pflichtverletzung regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Zugleich ist die Abmahnung auch Ausdruck des verrhältnismäßigkeitsprinzips. Eine Kündigung ist hiernach nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen.
Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert
Hamburg, 2010
Nach dem Kündigungsschutzgesetz, das vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen schützt,
sind von seiner Schutzwirkung ausgenommen sogenannte Kleinbetriebe, die in der Regel
zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Hierdurch sollen Neueinstellungen gefördert werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in Kleinbetrieben Neueinstellungen unterblieben, wenn jeder Mitarbeiter des Kleinbetriebs Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genösse und der Arbeitgeber fürchte, im Kündigungsfalle hohe Abfindungen zahlen zu müssen. Eine rechtspolitische Entscheidung mit großer praktischer Bedeutung.
Rund ein Viertel aller Arbeiter und Angestellten sind Mitarbeiter von derartigen Kleinbetrieben. Die Frage, inwieweit die vom Geltungsbereich des KSchG ausgeschlossenen Arbeitnehmer dennoch in gewissem Maße vor Kündigungen geschützt sind, führte trotzdem lange Zeit ein Schattendasein. Es bestand weitgehend Einigkeit, dass dieser Personenkreis mit Ausnahme besonderer Kündigungsverbote, etwa für Schwangere oder Betriebsratsmitglieder, weitgehend schutzlos gestellt sei. Erst die neuere Rechtsprechung hat gezeigt, dass dies nicht
der Fall ist und der häufig erteilte Rechtsrat, außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes sei für
den gekündigten Arbeitnehmer eines Kleinbetriebes nichts zu machen, falsch ist.
So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Herausnahme der Kleinbetriebe
aus dem allgemeinen Kündigungsschutz dann nicht gerechtfertigt ist, wenn größere Unternehmen sich in Organisationen gliedern, die jeweils für sich betrachtet der Kleinbetriebsklausel des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen. Es ist zu verhindern, dass sich Teile größerer Unternehmen auf den Kleinbetriebsschutz berufen können, für die der Schutzgedanke des § 23 Abs.1 Satz2 KSchG nicht zutrifft.Nach dem Bundesverfassungsgericht liegen in diesem Fall keine anerkannten sachlichen Gründe zur Differenzierung vor, die eine an Art. 3 Abs. 1 GG gemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben rechtfertigen. Deshalb ist der Begriff des Betriebes auf Organisationen zu beschränken, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel geschaffen wurde.
So ist kündigungsschutzrechtlich kein Kleinbetrieb trotz einer Mitarbeiterzahl von 10 oder weniger Vollzeitbeschäftigten gegeben, wenn der Betrieb nicht dem „Mittelstand" zuzuordnen ist, der Unternehmer nicht selbst als Betriebsleiter vor Ort mitarbeitet, keine besonders enge persönliche Beziehungen zwischen dem Inhaber und seinen Mitarbeitern bestehen, der Kleinbetrieb über eine hinreichende Finanzausstattung verfügt und er auch
keine eingeschränkte Verwaltung unterhält. Es wird also maßgebend darauf abgestellt, ob aufgrund der bestehenden Strukturen die Leistung des einzelnen oder interne Missstimmungen das Geschäftsergebnis nachhaltig beeinträchtigen können.
Die Kündigung eines Arbeitnehmers im Kleinbetrieb kann zudem nach § 242 BGB, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, unwirksam sein. Dies ist der Fall,wenn die Kündigung aus anderen als den in § 1 KSchG aufgeführten Gründen, gegen Treu und Glauben verstößt.Auch in einem Kleinbetrieb muss der Arbeitgeber ein verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren und darf ein
durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
nicht unberücksichtigt lassen.
Hierbei ist insbesondere an eine grob fehlerhafte Sozialauswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern ohne entgegenstehende betriebliche Interessen im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen zu denken, sowie an eine personenbedingte Kündigung eines kurzzeitig an einer Allerweltskrankheit wie einer Grippe erkrankten Arbeitnehmers. Weiterhin erfasst werden die Fälle einer völlig außer Verhältnis zum marginalen Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigung. Am häufigsten judiziert wurde der Fall einer grob fehlerhaften Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen im Kleinbetrieb.
Der Fall also, wenn gerade der schutzbedürftigere weil ältere und länger betriebszugehörige Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt und der weniger schutzwürdige nicht gekündigt wird. Hat der Arbeitgeber keine besonderen Gründe, gerade diesen Arbeitnehmer betriebsbedingt zu entlassen oder die Entlassung eines anderen zu vermeiden, spricht eine
grobe Missachtung der Sozialauswahlkriterien für eine Treuwidrigkeit der Kündigung Diese fehlerhafte Sozialauswahl macht die Kündigung rechtsmissbräuchlich. Aber auch krankheitsbedingte Kündigungen im Kleinbetrieb können nach neuester Rechtsprechung rechtsunwirksam sein.
So ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung im Kleinbetrieb die Treuwidrigkeit dann
vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg angenommen worden, wenn sich die krankheitsbedingten Gründe angesichts der Dauer der Betriebszugehörigkeit als „nicht einleuchtend" erweisen. Bei kurzzeitigen Erkrankungen, die kein Indiz für zukünftige Fehlzeiten liefern, ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung nicht zu erkennen. Aus dem Sozialstaatsprinzip und den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist zu entnehmen, dass diese Kündigungen zudem wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sind. Deshalb ist eine Kündigung mit der Begründung,
der Arbeitnehmer habe in der Vergangenheit krankheitsbedingt gefehlt, im Kleinbetrieb unwirksam, wenn und soweit die Krankheit keine Auswirkungen in die Gegenwart und
Zukunft hat.
Schließlich sind auch häufig verhaltensbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern in Kleinbetreiben nach Teilen der Instanzrechtsprechung unwirksam, weil sie gegen den Verhältnismäßigkeitgrundsatz verstoßen, z. B. wenn der verhaltensbedingt gekündigte Arbeitnehmer vor der Kündigung nicht abgemahnt oder zu den ihn entgegengehaltenen Vorwürfen nicht angehört wurde. Soweit es um ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers geht, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Das Erfordernis der Abmahnung dient der Objektivierung der negativen Prognose, der Mitarbeiter werde auch in Zukunft sich vertragswidrig verhalten. Ohne vorherige Abmahnung kann aufgrund einer vom Arbeitnehmer begangenen Pflichtverletzung regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Zugleich ist die Abmahnung auch Ausdruck des verrhältnismäßigkeitsprinzips. Eine Kündigung ist hiernach nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen.
Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert
Hamburg, 2010