Aufmerksamkeit für Werbung: Wodurch und wie viel?
Jeden Tag sind wir einer Vielzahl von Werbeanzeigen ausgesetzt. Wenn wir zu Fuß die Straßen überqueren gibt es Anzeigen auf Plakatwänden, Bushaltestellen, auf Autos, Verpackungen und Schaufenstern. Zuhause sind wir mit Werbung im Fernsehen, in Zeitschriften, im Radio und auf Internetseiten konfrontiert, erhalten Werbung per Handy und stoßen selbst im Restaurant auf Bierdeckeln und auf der Toilette auf Werbung. In Deutschland betrugen die Investitionen in Werbung im zurückliegenden Jahr 28,84 Milliarden Euro (Quelle ZAW). Aber nur eine kleine Minderheit von Verbrauchern beachtet Werbung überhaupt oder reagiert gar auf sie.
Das Problem – so unsere Vermutung – ist auch darin begründet, dass sich ein Großteil der Werbeforschung erst ab dem Moment mit der Verarbeitung von Werbung beschäftigt, nachdem sich die Verbraucher bereits bewusst der Werbung zugewendet haben. Zwar ist dies natürlich wichtig, um zu verstehen, wie Werbeanzeigen bei Verbrauchern decodiert und weiter verarbeitet werden. Ebenso wichtig ist es aber, zu verstehen, wie Anzeigen überhaupt erst Aufmerksamkeit erreichen, bevor man sich ihnen bereits aktiv zugewendet hat.
Ein kritischer Faktor dabei ist die sogenannte Aufmerksamkeitsvermeidung: Obwohl oder gerade weil die Begegnung mit Werbung für die meisten Menschen an der Tagesordnung ist, gibt es ein hohes Ausmaß an Widerstand gegenüber Werbung und Anstrengungen zur Vermeidung der Interaktion mit Marketingangeboten.
Die frühen Prozesse der Aufmerksamkeitszuwendung zur Werbung zu messen ist nicht ganz einfach. Als ein möglicher Weg wird häufig das Eye Tracking vorgeschlagen, das als Instrument gilt, den Verlauf der Aufmerksamkeitszuwendung exakt abzubilden. Problematisch ist aber, dass die Allokation von Aufmerksamkeitsressourcen auch außerhalb des fovealen Sehens stattfindet. Außerdem ist die Methode sehr aufwändig und es ist nie ganz auszuschließen, dass sich das Blickverhalten anders gestaltet als ohne die entsprechenden Messvorrichtungen und -Maßnahmen.
In diesem Artikel möchten wir eine neue Methode der Feinanalyse der Aufmerksamkeitszuwendung zur Werbung vorstellen, die in angrenzenden Bereichen der Psychologie bereits seit über 10 Jahren erfolgreich angewendet wird – und dabei sehr wünschenswerte Eigenschaften für die Marketingforschung aufweist. Untersucht wurde mit dieser Methode zunächst die sogenannte selektive Aufmerksamkeit, also die Aufmerksamkeitszuwendung auf bestimmte Reize. Um die Funktionsweise der Methode zu verstehen, soll zunächst ein kurzer Seitenblick in die aktuelle Hirnforschung vorgenommen werden. Diese hat gezeigt, dass es in unserem Gehirn spezialisierte Systeme gibt, die die Reaktionen auf besonders hervorstechende Reize steuern. Die Reize sind deshalb hervorstechend, da sie für die aktuelle Motivation der Person bedeutsam sind. Wenn wir beispielsweise längere Zeit nichts gegessen haben, sind Essensgerüche oder visuelle Eindrücke von Speisen besonders „hervorstechend“ für unsere Aufmerksamkeit. So gibt es ein sogenanntes „Verhaltensaktivierungssystem“ (in Englisch Behavioral Activation System, BAS), das durch die Belohnung versprechenden Reize (z.B. Essensgeruch) aktiviert wird und das weitere Annäherungsverhalten steuert (Aufmerksamkeit, motorische Hinwendung usw.).
Nach den neusten Ergebnissen der Hirnforschung gibt es sogar ein integriertes Netzwerk neuronaler Systeme, das dafür zuständig ist, den Belohnungswert von äußeren Reizen zu berechnen. Die Aktivierung dieser Belohnungssysteme führt dann zu einer Vielzahl von Antworten wie – um bei unserem Beispiel zu bleiben – den Wunsch sofort etwas zu essen, also zum Beispiel ein (starkes) Hungergefühl oder die Zuwendung von Aufmerksamkeit auf externe wunschbezogene Reize (Essensgeruch). Und hier kommt nun unsere Methode zur Messung der selektiven Aufmerksamkeitszuwendung ins Spiel, denn äußere Reize (z.B. Werbemotive) können mehr oder weniger gut und effektiv sein, um das Belohnungssystem anzusprechen. Nach unserem Beispiel ist klar, dass die Effektivität nicht nur von den äußeren Reizen abhängt, sondern auch von dem Zustand der Motivation einer Person: Haben wir uns gerade satt gegessen, signalisieren weder die zuvor verlockenden Gerüche noch die Werbung für einen neuen Hamburger einen besonderen Belohnungswert.
Die empfohlene Methode, die nachweislich diese motivationalen Hintergründe der Aufmerksamkeitszuwendung einbezieht, wird u.a. als „Visual Detection Test“ bezeichnet. Der Vorteil der Methode ist, dass er keine verbalen Beschreibungen einschließt oder völlig freie und damit unkontrollierte Blickbewegungen wie beim Eye Tracking zulässt, die schwieriger zu interpretieren sind. Das Grundprinzip ist sehr einfach: Den Probanden wird am Computerbildschirm für sehr kurze Zeit ein Bilderpaar gezeigt. Nur eines der beiden Bilder wird nach der sehr kurzen Darbietungsdauer durch einen anderen Reiz ersetzt, auf den der Proband eigentlich so schnell wie möglich reagieren soll. Die Dauer der Bilderdarbietung ist deshalb so kurz, da damit die frühen automatischen Orientierungsreaktionen abgebildet werden. Im Vergleich der Reaktionen bei bestimmten Bilderpaaren (siehe Chart 1) werden zwei unterschiedliche Funktionen der Aufmerksamkeit gemessen:
1. Aufmerksamkeitszuwendung („Attention Grabbing“): Erleichtert ein kritisches Motiv (zum Beispiel die Nivea-Werbung in Chart 1) die Erkennung des eigentlichen Zielreizes in derselben Position, dann ist dies ein Indikator für die frühe automatische Orientierung hin zur Werbung, also deren Sogwirkung.
2. Aufmerksamkeitserhaltung („Attention Fixation“): Eine vom Attention Grabbing unabhängige Funktion jeder Werbung ist es, ein Verharren und Festhalten der Aufmerksamkeit zu erreichen, also die Klebwirkung. Dies ist wichtig, damit der Betrachter weitere Explorations- und Interpretationsarbeit an der Werbung durchführt (Markenerkennung, assoziatives und semantisches Lernen, Handlungsimpulse setzen und aktivieren usw.).
Warum sollte nun ausgerechnet diese Methode geeignet sein, um die Aktivierung des oben genannten Belohnungssystems zu messen? Mittlerweile ist nachgewiesen, dass das Verfahren die automatischen Aufmerksamkeitsreaktionen für emotionale Objekte misst, die eine persönliche Bedeutung für Personen haben. Darüber hinaus funktioniert das Verfahren bei weiteren motivationsrelevanten Bereichen wie bei Lebensmitteln oder zum Beispiel mit den mit Rauchen verbundenen Reizen bei Rauchern. Es wurde auch verwendet, um bei physiologischen Motivzuständen die Aufmerksamkeitsentwicklung aufzuzeigen. Zum Beispiel konnte eine erhöhte Aufmerksamkeit gemessen werden für Darbietungen, die mit Essen zu tun haben, wenn Probanden für längere Zeit nichts gegessen haben im Vergleich zu Probanden, die nicht abstinent waren.
Im Bereich der Marketingforschung konnte das Verfahren vor kurzem erfolgreich eingesetzt werden, um zu zeigen , dass die eingangs genannte Werbevermeidung bei Online-Werbung nur bei einer zielgerichteten Betrachtung von Internetseiten stattfindet, dagegen bei „freiem Explorieren“ eine deutlich höhere Aufmerksamkeitszuwendung für Werbung besteht.
Die Abhängigkeit der Aufmerksamkeitszuwendung von Zielen und Motiven weist darauf hin, dass die Methode nicht an Oberflächenmerkmalen wie Farben und sonstigen Auffälligkeiten stehen bleibt. Hier kann man wichtige und spannende Möglichkeiten für die Werbeforschung erkennen: Mehr als ein Jahrhundert Forschung über Print-Werbung hat dazu geführt, bestimmte Empfehlungen für das Marketing zur Führung der Aufmerksamkeit der Verbraucher auszusprechen. Anzeigen sollen auch oder im Wesentlichen mit physikalischen Eigenschaften (z. B. Helligkeit, Farbe, Größe, Kontrast) erreichen, dass die aktuelle Wahrnehmung unterbrochen wird, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Solche Wahrnehmungs-Unterbrechungen werden durch einzelne Merkmale der Werbung erreicht, die aus dem visuellen Umfeld herausstechen und dadurch die Aufmerksamkeit auf die Werbung richten. Im Unterschied zur Sichtweise, dass allein Oberflächenmerkmale den Aufmerksamkeitseffekt erreichen, kann mit dem hier dargestellten Verfahren gezeigt werden, dass auch Merkmale die die Bedeutung und Motivation betreffen, Aufmerksamkeit erregen. Provokativ formuliert: Das Credo „Hauptsache bunt und auffällig“ muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Forschungsbüro untersucht fortlaufend den Einfluss von Oberflächenmerkmalen wie Farben und Kontraste zusammen mit semantischen Motiven (Produktdarstellungen, Personen etc.) auf die Aufmerksamkeitszuwendung und Aufmerksamkeitsfixierung bei Printanzeigen. Dazu wird eine Auswahl aus einem repräsentativen Querschnitt von Printanzeigen gezogen und die beiden Funktionen des Attention Grabbing und der Attention Fixation gemessen. So erhält man ein differenziertes Ranking der realen, aktuellen Printanzeigen und kann im Rahmen von Pretests neue Konzepte anhand dieser beiden Skalen kalibrieren (vgl. eine Kurzdemo in Chart 2). Detailinformationen zu Vorgehen und Ergebnissen des Ad Attention Tests können eingeholt werden unter markus.paul@fb-paul.de.
Mit der Methode sind noch weitere aufregende praxisnahe Erkenntnisse möglich. So hat man damit begonnen zu untersuchen, wie sich Aufmerksamkeitstrainings mit diesem Verfahren auf das Verbraucherverhalten auswirken. Dabei werden – für die Probanden unbemerkt – die einzelnen Dosen des Kommunikationsmaterials schrittweise erhöht. So lässt sich untersuchen, welche Effekte die Intensivierung der Darbietung von Printanzeigen auf Markeneinstellungen und Kaufverhalten haben und wann sich zum Beispiel Sättigungs- und Wear-out-Effekte ergeben.
In diesem Sinne wünschen wir diesem und ähnlichen Verfahren, die durch neuro- und motivationspsychologische Erkenntnisse fundiert sind, viele interessierte Anwender.
Das Problem – so unsere Vermutung – ist auch darin begründet, dass sich ein Großteil der Werbeforschung erst ab dem Moment mit der Verarbeitung von Werbung beschäftigt, nachdem sich die Verbraucher bereits bewusst der Werbung zugewendet haben. Zwar ist dies natürlich wichtig, um zu verstehen, wie Werbeanzeigen bei Verbrauchern decodiert und weiter verarbeitet werden. Ebenso wichtig ist es aber, zu verstehen, wie Anzeigen überhaupt erst Aufmerksamkeit erreichen, bevor man sich ihnen bereits aktiv zugewendet hat.
Ein kritischer Faktor dabei ist die sogenannte Aufmerksamkeitsvermeidung: Obwohl oder gerade weil die Begegnung mit Werbung für die meisten Menschen an der Tagesordnung ist, gibt es ein hohes Ausmaß an Widerstand gegenüber Werbung und Anstrengungen zur Vermeidung der Interaktion mit Marketingangeboten.
Die frühen Prozesse der Aufmerksamkeitszuwendung zur Werbung zu messen ist nicht ganz einfach. Als ein möglicher Weg wird häufig das Eye Tracking vorgeschlagen, das als Instrument gilt, den Verlauf der Aufmerksamkeitszuwendung exakt abzubilden. Problematisch ist aber, dass die Allokation von Aufmerksamkeitsressourcen auch außerhalb des fovealen Sehens stattfindet. Außerdem ist die Methode sehr aufwändig und es ist nie ganz auszuschließen, dass sich das Blickverhalten anders gestaltet als ohne die entsprechenden Messvorrichtungen und -Maßnahmen.
In diesem Artikel möchten wir eine neue Methode der Feinanalyse der Aufmerksamkeitszuwendung zur Werbung vorstellen, die in angrenzenden Bereichen der Psychologie bereits seit über 10 Jahren erfolgreich angewendet wird – und dabei sehr wünschenswerte Eigenschaften für die Marketingforschung aufweist. Untersucht wurde mit dieser Methode zunächst die sogenannte selektive Aufmerksamkeit, also die Aufmerksamkeitszuwendung auf bestimmte Reize. Um die Funktionsweise der Methode zu verstehen, soll zunächst ein kurzer Seitenblick in die aktuelle Hirnforschung vorgenommen werden. Diese hat gezeigt, dass es in unserem Gehirn spezialisierte Systeme gibt, die die Reaktionen auf besonders hervorstechende Reize steuern. Die Reize sind deshalb hervorstechend, da sie für die aktuelle Motivation der Person bedeutsam sind. Wenn wir beispielsweise längere Zeit nichts gegessen haben, sind Essensgerüche oder visuelle Eindrücke von Speisen besonders „hervorstechend“ für unsere Aufmerksamkeit. So gibt es ein sogenanntes „Verhaltensaktivierungssystem“ (in Englisch Behavioral Activation System, BAS), das durch die Belohnung versprechenden Reize (z.B. Essensgeruch) aktiviert wird und das weitere Annäherungsverhalten steuert (Aufmerksamkeit, motorische Hinwendung usw.).
Nach den neusten Ergebnissen der Hirnforschung gibt es sogar ein integriertes Netzwerk neuronaler Systeme, das dafür zuständig ist, den Belohnungswert von äußeren Reizen zu berechnen. Die Aktivierung dieser Belohnungssysteme führt dann zu einer Vielzahl von Antworten wie – um bei unserem Beispiel zu bleiben – den Wunsch sofort etwas zu essen, also zum Beispiel ein (starkes) Hungergefühl oder die Zuwendung von Aufmerksamkeit auf externe wunschbezogene Reize (Essensgeruch). Und hier kommt nun unsere Methode zur Messung der selektiven Aufmerksamkeitszuwendung ins Spiel, denn äußere Reize (z.B. Werbemotive) können mehr oder weniger gut und effektiv sein, um das Belohnungssystem anzusprechen. Nach unserem Beispiel ist klar, dass die Effektivität nicht nur von den äußeren Reizen abhängt, sondern auch von dem Zustand der Motivation einer Person: Haben wir uns gerade satt gegessen, signalisieren weder die zuvor verlockenden Gerüche noch die Werbung für einen neuen Hamburger einen besonderen Belohnungswert.
Die empfohlene Methode, die nachweislich diese motivationalen Hintergründe der Aufmerksamkeitszuwendung einbezieht, wird u.a. als „Visual Detection Test“ bezeichnet. Der Vorteil der Methode ist, dass er keine verbalen Beschreibungen einschließt oder völlig freie und damit unkontrollierte Blickbewegungen wie beim Eye Tracking zulässt, die schwieriger zu interpretieren sind. Das Grundprinzip ist sehr einfach: Den Probanden wird am Computerbildschirm für sehr kurze Zeit ein Bilderpaar gezeigt. Nur eines der beiden Bilder wird nach der sehr kurzen Darbietungsdauer durch einen anderen Reiz ersetzt, auf den der Proband eigentlich so schnell wie möglich reagieren soll. Die Dauer der Bilderdarbietung ist deshalb so kurz, da damit die frühen automatischen Orientierungsreaktionen abgebildet werden. Im Vergleich der Reaktionen bei bestimmten Bilderpaaren (siehe Chart 1) werden zwei unterschiedliche Funktionen der Aufmerksamkeit gemessen:
1. Aufmerksamkeitszuwendung („Attention Grabbing“): Erleichtert ein kritisches Motiv (zum Beispiel die Nivea-Werbung in Chart 1) die Erkennung des eigentlichen Zielreizes in derselben Position, dann ist dies ein Indikator für die frühe automatische Orientierung hin zur Werbung, also deren Sogwirkung.
2. Aufmerksamkeitserhaltung („Attention Fixation“): Eine vom Attention Grabbing unabhängige Funktion jeder Werbung ist es, ein Verharren und Festhalten der Aufmerksamkeit zu erreichen, also die Klebwirkung. Dies ist wichtig, damit der Betrachter weitere Explorations- und Interpretationsarbeit an der Werbung durchführt (Markenerkennung, assoziatives und semantisches Lernen, Handlungsimpulse setzen und aktivieren usw.).
Warum sollte nun ausgerechnet diese Methode geeignet sein, um die Aktivierung des oben genannten Belohnungssystems zu messen? Mittlerweile ist nachgewiesen, dass das Verfahren die automatischen Aufmerksamkeitsreaktionen für emotionale Objekte misst, die eine persönliche Bedeutung für Personen haben. Darüber hinaus funktioniert das Verfahren bei weiteren motivationsrelevanten Bereichen wie bei Lebensmitteln oder zum Beispiel mit den mit Rauchen verbundenen Reizen bei Rauchern. Es wurde auch verwendet, um bei physiologischen Motivzuständen die Aufmerksamkeitsentwicklung aufzuzeigen. Zum Beispiel konnte eine erhöhte Aufmerksamkeit gemessen werden für Darbietungen, die mit Essen zu tun haben, wenn Probanden für längere Zeit nichts gegessen haben im Vergleich zu Probanden, die nicht abstinent waren.
Im Bereich der Marketingforschung konnte das Verfahren vor kurzem erfolgreich eingesetzt werden, um zu zeigen , dass die eingangs genannte Werbevermeidung bei Online-Werbung nur bei einer zielgerichteten Betrachtung von Internetseiten stattfindet, dagegen bei „freiem Explorieren“ eine deutlich höhere Aufmerksamkeitszuwendung für Werbung besteht.
Die Abhängigkeit der Aufmerksamkeitszuwendung von Zielen und Motiven weist darauf hin, dass die Methode nicht an Oberflächenmerkmalen wie Farben und sonstigen Auffälligkeiten stehen bleibt. Hier kann man wichtige und spannende Möglichkeiten für die Werbeforschung erkennen: Mehr als ein Jahrhundert Forschung über Print-Werbung hat dazu geführt, bestimmte Empfehlungen für das Marketing zur Führung der Aufmerksamkeit der Verbraucher auszusprechen. Anzeigen sollen auch oder im Wesentlichen mit physikalischen Eigenschaften (z. B. Helligkeit, Farbe, Größe, Kontrast) erreichen, dass die aktuelle Wahrnehmung unterbrochen wird, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Solche Wahrnehmungs-Unterbrechungen werden durch einzelne Merkmale der Werbung erreicht, die aus dem visuellen Umfeld herausstechen und dadurch die Aufmerksamkeit auf die Werbung richten. Im Unterschied zur Sichtweise, dass allein Oberflächenmerkmale den Aufmerksamkeitseffekt erreichen, kann mit dem hier dargestellten Verfahren gezeigt werden, dass auch Merkmale die die Bedeutung und Motivation betreffen, Aufmerksamkeit erregen. Provokativ formuliert: Das Credo „Hauptsache bunt und auffällig“ muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Forschungsbüro untersucht fortlaufend den Einfluss von Oberflächenmerkmalen wie Farben und Kontraste zusammen mit semantischen Motiven (Produktdarstellungen, Personen etc.) auf die Aufmerksamkeitszuwendung und Aufmerksamkeitsfixierung bei Printanzeigen. Dazu wird eine Auswahl aus einem repräsentativen Querschnitt von Printanzeigen gezogen und die beiden Funktionen des Attention Grabbing und der Attention Fixation gemessen. So erhält man ein differenziertes Ranking der realen, aktuellen Printanzeigen und kann im Rahmen von Pretests neue Konzepte anhand dieser beiden Skalen kalibrieren (vgl. eine Kurzdemo in Chart 2). Detailinformationen zu Vorgehen und Ergebnissen des Ad Attention Tests können eingeholt werden unter markus.paul@fb-paul.de.
Mit der Methode sind noch weitere aufregende praxisnahe Erkenntnisse möglich. So hat man damit begonnen zu untersuchen, wie sich Aufmerksamkeitstrainings mit diesem Verfahren auf das Verbraucherverhalten auswirken. Dabei werden – für die Probanden unbemerkt – die einzelnen Dosen des Kommunikationsmaterials schrittweise erhöht. So lässt sich untersuchen, welche Effekte die Intensivierung der Darbietung von Printanzeigen auf Markeneinstellungen und Kaufverhalten haben und wann sich zum Beispiel Sättigungs- und Wear-out-Effekte ergeben.
In diesem Sinne wünschen wir diesem und ähnlichen Verfahren, die durch neuro- und motivationspsychologische Erkenntnisse fundiert sind, viele interessierte Anwender.