Was ist die beste Lösung: All-in-one Agentursoftware oder Best-of-breed?
Haben Sie schon einmal gezählt, für wie viele Aufgaben Sie in Ihrer Agentur ein separates Tool verwenden? Es gibt bei der Auswahl von Software-Tools grundsätzlich zwei Philosophien: Best-of-breed (für jeden einzelnen Zweck die am besten passende Software) oder All-in-one (eine Software-Lösung, die alle notwendigen Applikationen enthält). Wir sprechen mit Victor Görgey, Product Owner für easyJOB, über seine Erfahrungen mit beiden Ansätzen.
Software-Tools braucht man allen Ecken und Kanten der Agentur: Es fängt an bei CRM und Collaboration-Tools, reicht dann von Projektmanagement, HR mit Zeit- und Stundenerfassung über Content- und Social Media-Management bis zu diversen Analysen. Und dann kommt noch die Angebots- und Rechnungserstellung dazu, Buchhaltung, Controlling und das ein oder andere Spezial-Tool, z. B. für die Mediaabwicklung. Auf diese Weise kommen schnell mal 20 bis 30 Anwendungen zusammen und man fragt sich: „Was ist sinnvoller – spezialisierte einzelne Tools oder eine All-in-one-Agentursoftware?“ Bei der OMT-Toolkonferenz im März 2023 wurde Victor Görgey im Rahmen einer Paneldiskussion mit dieser Fragestellung konfrontiert, denn: Lösung 1 klingt nach viel Arbeit und möglicherweise Problemen, Lösung 2 klingt teuer und macht abhängig von einem Hersteller. Im Interview erläutert er uns die Vor- und Nachteile der beiden Ansätze und hat noch eine dritte clevere Idee.
Victor Görgey - Because Software AG - Product Owner für easyJOB
Sieht sich selbst als „Digital Native“ und pragmatischen Optimisten.
20 Jahre lang hat er für die Münchner Agentur Avantgarde Projektteams aufgebaut, digitale Produkte entwickelt und Kunden bei der digitalen Transformation unterstützt.
Victor, du bist als Product Owner verantwortlich für die Produktanforderungen an easyJOB. Die Agentursoftware wird ja als „Komplettlösung“ bezeichnet – was bedeutet das?
Wir bei easyJOB meinen damit, dass die Software alle relevanten Prozesse der Agentur steuert – also alle kaufmännischen und organisatorischen Abläufe des Projektgeschäfts – und dadurch Auswertungen von KPIs und Reports ermöglicht.
Was spricht für den Einsatz so eines All-in-one-Tools, also einer Agentursoftware, die alle Kernfunktionen abdeckt?
Der wichtigste Vorteil ist: Alle Informationen kommen an einer Stelle zusammen und das System verknüpft sie automatisch. Dadurch laufen Prozesse reibungslos ab. Die Jobs sind innerhalb der Agentursoftware in allen Phasen leicht nachzuvollziehen und Probleme, z. B. bei Ressourcen oder Kosten, lassen sich leichter erkennen. Um einen Job abzuwickeln, kann man so innerhalb eines Systems bleiben und muss nicht viele einzelne Programme öffnen. Workflows funktionieren damit schneller und somit effizienter. Auch die Zusammenarbeit der einzelnen Agentur-Abteilungen läuft einfach runder, wenn alle Funktionen in einer Software kombiniert sind und alle Abteilungen auf dieselben Daten und Informationen zugreifen.
Komplettsystem, das klingt erstmal perfekt – wo ist der Haken?
Viele scheuen sich davor, weil sie fürchten, dass sie bei so einer Anschaffung die bisherigen Workflows über Bord werfen müssen. Und das bedeutet potentiell eine große Investition, personell – also zeitlich – und natürlich auch finanziell. Außerdem ist man bei einem einzigen Tool abhängig von einem Hersteller, dessen Zuverlässigkeit und Servicequalität. Wenn das Ding nicht rund läuft und ich niemanden erreiche, hängt vielleicht die ganze Agentur – eine Katastrophe! Eine Agentursoftware kauft man auch nicht jedes Jahr neu, die Entscheidung muss sitzen. Aber vielleicht merke ich erst nach einiger Zeit im laufenden Betrieb, dass manches eben doch nicht so läuft wie versprochen, oder dass wichtige Funktionen unzureichend sind, die man bei dem Produkt nicht anpassen oder erweitern kann. Und - last but not least - gibt es einfach Tools, die so klasse funktionieren, dass selbst eine Agentursoftware wie easyJOB sie nicht wirklich ersetzen kann (lacht).
Damit sind Content-Tools gemeint?
Ja, die sowieso, klar, aber auch andere, eher organisatorische, z. B. Teams oder Marketing-Automationen wie Ryke oder HubSpot sind einfach super beliebt und wer damit arbeitet, kennt sich bestens in dem Tool aus. Wenn ich einem Interessenten jetzt sagen würde, dass er die nicht mehr verwenden kann (weil sie sich nicht vernünftig an die Agentursoftware anbinden lassen), wäre er sicher nicht begeistert.
Kommen wir zu den Stand-alone-Insellösungen. Was spricht dafür, was dagegen?
Oft hat der Einsatz von Insellösungen „historische Gründe“ im Unternehmen, weil sie vor Jahren, nach und nach, zum Einsatz gekommen sind und die Agentur damit gewachsen ist. Neue Bereiche sind nach einiger Zeit dazugekommen, die auch neue Tools brauchten. Dann hat man sich über die Zeit daran gewöhnt und die Workflows der Agentur daran angepasst. Außerdem wurden die einzelnen Systeme nach ganz speziellen Gesichtspunkten bewusst ausgewählt, um spezifische Aufgaben zu lösen. Und manchmal bringen neue Mitarbeiter „ihre“ Tools mit, die sie nicht missen wollen. Auf die Art kann sich schnell ein kleiner Tool-Berg anhäufen.
Was dann aber fehlt – und das ist nun mal ein entscheidender Punkt – ist „the big picture“, der große Überblick, insbesondere bei den kaufmännischen Aspekten. Hier müssen alle Informationen zu einer Wahrheit zusammenkommen, wenn die Agentur wirtschaftlich erfolgreich sein will. Man muss einfach rechtzeitig merken, wenn Budgets aus dem Ruder laufen.
Einzelne Tools muss man nicht nur alle einzeln bezahlen, sondern auch regelmäßig updaten. Mal abgesehen vom internen Aufwand, alle neuen Mitarbeiter an die ganzen Tools anzulernen. Wenn man das alles mal ehrlich zusammenrechnet, ist es immer teurer als eine Komplettlösung. Und was man auch nicht vergessen darf, ist das langweilige Thema Stammdatenpflege, das viel Aufwand und Fehlerpotential beinhaltet. Wenn ich viele Tools verwende, muss ich auch in allen die Stammdaten immer up to date halten. Bei Eigenentwicklungen sehe ich es noch kritischer, weil die Weiterentwicklung dieser Programme an einzelnen Mitarbeitern hängt und das große Chaos ausbricht, wenn die mal das Unternehmen verlassen.
Was ist dann aus deiner Sicht langfristig wirklich sinnvoll? Dann wohl eher doch das Komplettsystem?
So kann man das nicht sagen, das muss nämlich gar kein Entweder-oder sein. Klar ist: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Natürlich bietet ein Komplettsystem auf den ersten Blick fast alles, aber auch so eine funktionsstarke Agentursoftware wie easyJOB kann niemals alle Eventualitäten in Agenturen abbilden, nie allen Ansprüchen genügen. Da müssen wir bei easyJOB auch demütig zugeben, dass es gewisse Spezialbereiche gibt, die andere Tools pfiffiger lösen. Und dann sagen wir auch an diesen Stellen ganz klar: Nutzen Sie besser dieses oder jenes Tool – einfach, weil es so perfekt ist. Die Stärke von easyJOB liegt darin, all das sinnvoll und reibungslos zusammenzubringen. Zum Beispiel schreiben Entwickler ihre Stunden im Ticketsystem Jira, über die Schnittstelle werden diese sauber in easyJOB importiert und stehen für die kaufmännische Abwicklung zur Verfügung.
Kann man sagen, dass die Schnittstellen Dreh- und Angelpunkt sind?
Ja genau, hier kommt die Offenheit von easyJOB ins Spiel, weil wir viele unterschiedliche Arten von leistungsfähigen und auch konfigurierbaren Schnittstellen anbieten. Besonders ist die RESTful API. Das ist quasi eine Tür, die es mir erlaubt, verschiedenste Daten fehlerfrei in easyJOB zu bringen und diese mit den bestehenden Daten in Kontext zu setzen. Wenn ich z. B. ein Zeiterfassungssystem schon lange erfolgreich nutze und weiterverwenden will, dann kann ich die dort produzierten Daten einfach übertragen lassen und so meine Projekteffizienz im easyJOB Jobblatt darstellen, ohne das bewährte und akzeptierte System ablösen zu müssen. Das ist natürlich nur ein Beispiel, es betrifft auch viele andere Bereiche wie die Integration von MS 365.
Was meinst du damit, dass der Name All-in-one nach innen und nach außen passen muss?
Ein Komplettsystem bietet nur dann wirklich alles, was eine Agentur braucht, wenn es zu aller Funktionsbreite und -tiefe auch noch offen dafür ist, Integrationen zuzulassen und die Daten auch in Drittsysteme abgeben kann. Und vor allem müssen wir den Nutzer da abholen, wo er steht. Wir sprechen ja hier nicht über Start-ups im luftleeren Raum. Agenturen, die über solche Investitionen nachdenken, haben eine Geschichte, die haben schon ihre Workflows und auch ihre Lieblings-Tools, die sie aus gutem Grund verwenden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur eine All-in-one-Softwarelösung mit vielen gut funktionierenden Schnittstellen eine flexible, anpassungsfähige, erweiterbare, effiziente und auf lange Sicht auch skalierbare Lösung für Agenturen sein kann. Durch diese Integration können Agenturen ihre Software an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen und ihre Geschäftsabläufe verbessern. Das ganze System inklusive der Anbindungen wäre dann sowas wie die eierlegende Wollmilchsau.