Wie Sie mit Retail Media durchstarten
Abgesehen von CTV wird gerade kein Werbekanal unter Marketers so gehypt wie Retail Media. Das war schon so auf der letzten Dmexco, das ist auch in diesem Jahr der Fall, beispielsweise auf der d3con, und ein Ende des Hypes ist nicht abzusehen, denn Retail Media gilt als Treiber des digitalen Werbemarktes. Auf Retail Media setzen Brands, Unternehmen und Onlineshops. Dafür wird das Marketing neu strukturiert, Budgets umgeleitet oder bereitgestellt. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, und das fängt bereits damit an, was unter Retail Media verstanden wird. Eine eindeutige Definition gibt es hierfür nämlich nicht. Was dazu führt, dass, beispielsweise, Retail Media und Commerce Media gar synonym benutzt werden. Hier ist Vorsicht geboten.
Trennschärfe ist nötig: Retail Media vs Commerce Media
Kommen wir zu einer Begriffsbestimmung: Im Retail geht es um den Einzelhandel, und Retail Media ist Werbung in Umfeldern nahe Kaufabschluss. Die werbliche Ansprache erfolgt in Online-Shops oder auf großen Handelsplattformen wie Amazon. Hier hilft Retail Media, eine Marke, die unter den vielen anderen Marken unsichtbar ist, sichtbar zu machen.
Um es an einem Beispiel festzumachen: Man möchte hochwertige Kopfhörer der Marke X verkaufen, doch das vielfältige Angebot von Kopfhörern unterschiedlichster Marken samt Preisklassen führt dazu, dass mein großartiges Angebot nicht wahrgenommen wird, schlicht im Werbekosmos untergeht. Hier greift der Werbekanal Retail Media. Dieser macht nicht nur sichtbar, sondern bietet die Möglichkeit, mit einem geringen Werbeaufwand signifikant mehr Umsatz zu generieren.
Commerce Media wiederum geht über das Retail Media-Modell hinaus, indem es zusätzlich zu den Einzelhändlern ein breites Netzwerk von Publishern oder Dienstleistungsunternehmen wie Uber im offenen Internet einbezieht. Commerce Media ermöglicht es auch Werbetreibenden aus dem Einzelhandel, Nicht-Einzelhandel und anderen Branchen, Commerce Daten und KI zu nutzen, um die Zielgruppe dieser Publisher und Einzelhändler effektiver anzusprechen.
Endlich findet ein Umbruch statt
Mit Blick auf Retail Media liegt die erste große Herausforderung auf dem Tisch. Denn Fakt ist erstens: Viele Einzelhändler verfügen zwar über Kundendaten, aber sie vermarkten ihre digitale Medienvielfalt und ihr Verständnis der Kundenbedürfnisse bislang nur unzureichend. Zweitens: Die deutsche Retail-Media-Landschaft wird seit Jahren von Amazon, Otto, Zalando und einigen anderen Unternehmen dominiert.
Drittens findet endlich ein Umbruch statt und auch Einzelhändler bemühen sich vermehrt, von den Möglichkeiten im Bereich Retail-Media zu profitieren. Um vom reinen Einzelhandel auf Retail-Media umzustellen, ist es allerdings wichtig, dass interessierte Retailer ihre Denkweise ändern, da sie den Wechsel vom Kunden bei einzelnen Marken zum Kunden einer Media-Organisation, die an Marken verkauft, vollziehen.
Der Weg zum Erfolg
Die Aufstellung eines Retail-Media-Marketing-Plans mit Zielsetzung, Peak-Zeiten, Sales-Aktionen, Laufzeiten und Reporting ist dabei die kleinste Herausforderung. Dieser funktioniert nämlich ähnlich wie im stationären Handel, wo das Produkt verfügbar sein muss, einen guten Preis und eine gute Regalplatzierung etc. haben muss. Abgesehen von den Gemeinsamkeiten des stationären und digitalen Handels, gibt es Besonderheiten, die Retail Media lösen muss: Während im stationären Handel die Käuferin am Point of Sales ist, muss man im Retail Media die Kaufenden auch außerhalb vom Point of Sales zum Zeitpunkt der Kaufbereitschaft finden, ansprechen und erreichen. Somit lässt sich sagen: aus Point of Sales wird Time to Sales.
Eine weitere, wenn nicht gar die größte Herausforderung besteht in einer operativen Aufgabe, die ebenso gelöst werden muss, um Erfolge zu erzielen. Im Bereich Retail-Media müssen dazu Datenlösungen entwickelt werden, die den Einzelhändlern ermöglichen, disparate Daten in rechtskonforme, robuste Audience-Segmente umzuwandeln, die mit Hilfe von Werbung einen Mehrwert für die Marken liefern. Dazu zählen wir die Nutzereinwilligungen, die Segmentierung und Technologie. Was heißt das jetzt genau? Dazu im Folgenden:
- Nutzereinwilligungen
Retail-Media-Unternehmen müssen proaktiv auf die Nutzer zugehen, um ihre Zustimmung zur Erhebung und Verwendung ihrer Daten einzuholen. Die Einwilligungen müssen in einheitlichen Kundenprofilen gespeichert werden, die über alle Plattformen hinweg synchronisierbar sind. Diese robusten, gesetzeskonformen Profile sind Teil der Grundlage einer lukrativen Audience-Monetarisierungsstrategie. Darüber hinaus dienen sie als Plattformen, von der aus stärkere Vertrauensbeziehungen zu Kunden aufgebaut werden können, um den Wert dieser Daten kontinuierlich zu steigern.
- Segmentierung
Umfassende Kundenprofile mit Daten wie individuellem Einwilligungsstatus sowie Häufigkeit der Datenaktualisierung und welche die Identity Resolution berücksichtigen, bieten den Einzelhändler die Grundlage für zielgenau definierte Audience-Segmente, die wiederum für werbetreibende Brands hochgradig wertvoll sind. Retailer können beispielsweise Segmente basierend auf Einkaufsverhalten, Produktpräferenzen, Transaktionshistorie, Produktbewertungen usw. erstellen. So eröffnen sie Marken die Möglichkeit, kaufbereite Verbraucher direkt anzusprechen.
Ihre so geordneten First-Party-Daten in den bestehenden Kundenprofilen können Einzelhändler mit Second-Party-Daten anreichern, die sie von vertrauenswürdigen Partnern erwerben – der so genannte Second-Party-Datenaustausch. Diese Daten lassen sich dann einsetzen, um die Audience-Segmente weiter zu verfeinern - und den Wert für Brand Advertiser zu erhöhen.
- Technologie
Um schnell in den Markt einzusteigen, entscheiden sich viele Einzelhändler für die Kooperation mit Adserving- und Supply-Side-Technologiepartnern. Diese bieten die Möglichkeit, mit Hilfe ihrer Daten Kampagnen durchzuführen und das Wachstum der Einzelhändler anzuschieben. Genau dieses automatisierte, datengesteuerte und dabei hochpräzise, flexible und transparente Targeting ist die treibende Kraft hinter der Verschiebung der Werbebudgets in Richtung Retail-Media. Bei der Entscheidung für einen Technologiepartner sollten Sie sich über seine Fähigkeiten und seine Erfahrung mit Retail-Media informieren. So stellen Sie sicher, dass Sie in eine Technologie investieren, die den Nuancen dieses neuen Kanals gerecht wird, statt mit einer generischen digitalen Plattform zusammenzuarbeiten, die lediglich nachgerüstet wurde.
Um das Thema abzuschließen, noch einige Worte zu „Wachstumsambitionen“ und Walled Gardens: Die starke Nachfrage nach ihren First-Party-Kundendaten bietet Einzelhändlern ambitioniertere Möglichkeiten zur Steigerung ihrer Umsätze und ihres Wachstums. Die Optionen zur Monetarisierung der Audiences werden auf verschiedene Weise umgesetzt. So bieten manche Einzelhändler ihren Partnern und Herstellern, die ihre Produkte in den Geschäften der Retailer verkaufen, neue Datenprodukte und -dienste an; sozusagen eine Weiterentwicklung langjähriger Shopper-Marketing-Initiativen. Andere führen Werbeprodukte und Mediennetzwerke für Marken ein, die ihre einzigartige Audience von Kunden direkter und genauer ansprechen möchten.
Vor dem Hintergrund der ungebremst wachsenden Walled Gardens von Facebook und Google und der bevorstehenden Abschaffung der Third-Party-Cookies suchen Advertiser zunehmend nach neuen Möglichkeiten, ihre Zielgruppen zu erreichen. Für Einzelhändler bietet dieses sich ändernde Klima eine Chance, neue Einnahmequellen zu erschließen. Retailer, die ihre Daten aus verschiedenen Systemen in einem einzigen Kundenprofil zusammenfassen können, erschließen sich das Potenzial neuer Werbemöglichkeiten, die im Vergleich zu anderen digitalen Kanälen nicht nur wertvoller sind, sondern die digitale Medienlandschaft tatsächlich verändern können. – Und zu guter Letzt: Das „Time to Sale(s)“ bekommt damit eine Bedeutung, das weit über die Möglichkeiten des klassischen digitalen Marketings hinaus geht.