Wenn zwei sich streiten … Maschinen- und Anlagenbau im Spannungsfeld politischer Veränderung
Muss sich der deutsche Mittelstand zwischen USA oder China entscheiden? Manche Zeichen könnten auf ein Ende der Globalisierung mit ihrem weltumspannenden freien Handel hindeuten. Wird das ‚Zeitalter des weltumspannenden freien Handels‘ abgelöst von einer neuen Ära der Abgrenzung, aktiven staatlich gelenkten Industriepolitik, gar der neuen Blockbildung? Und wenn ja, was könnte das für die deutsche Wirtschaft und den Maschinen- und Anlagenbau bedeuten?
Der globale Einfluss der USA nimmt ab. Chinas Stern steigt auf. Das Reich der Mitte erhebt schon jetzt Anspruch auf die globale Führungsrolle. China hat sich auf den Weg gemacht, führender Innovationsstandort zu werden. Die USA versuchen dagegen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Importabhängigkeiten zu reduzieren. Die exportstarke deutsche Industrie muss sich im Spannungsfeld dieser Entwicklungen neu positionieren.
China – der neue Innovationsführer?
„China ist ein schlafender Riese – wenn er erwacht, wird die Welt erzittern. [www.blackrock.com]“ Es war nicht der amtierende US-Präsident, der diese Worte gesprochen hat. Es war auch nicht sein umstrittener Vorgänger. Es war überhaupt kein US-Präsident. Kein geringerer als Napoleon, gestorben 1821 – also vor genau 200 Jahren, besaß diese erstaunliche Weitsicht.
Jetzt ist der Riese erwacht. Noch vor 10 Jahren umfasste die chinesische Wirtschaftskraft das halbe Volumen der US-amerikanischen. 2050 wird sie um diesen Prozentsatz größer sein. Das könnte bedeuten, dass der weltwirtschaftliche Fokus nicht mehr auf globalem Handel liegt. Er könnte sich verschieben zugunsten einer aktiveren Industriepolitik einzelner Staaten oder Regionen. Eine weitere Folge könnte sein, dass Staaten und Regionen zu einer restriktiveren Handhabung in Bezug auf Technologietransfers zurückgreifen. Stichwort Protektionismus. Und nicht zuletzt wäre eine härtere regulatorische Behandlung von ausländischen Unternehmen denkbar. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, allen voran der Maschinen- und Anlagenbau keine einfachen Perspektiven.
Zwischen den Stühlen?
USA und China, die beiden Giganten unserer Epoche, treten immer stärker in Konkurrenz, ja Konfrontation miteinander. Diese nicht ganz neue, aber zunehmend verschärfte Situation wird die internationale Ordnung und die Weltwirtschaft beeinflussen, wenn nicht nachhaltig verändern.
Partnerschaften werden neu gewichtet. Abhängigkeiten werden neu definiert werden. Es werden sich Lieferketten verändern, Marktzugänge zum Teil erheblich erschweren. Wie auch immer die politische Entwicklung verlaufen wird, die Exportnation Deutschland und mit ihr der Maschinen- und Anlagenbau sollte sich auf die Veränderungen einstellen. Die erfolgsgewohnten Export-Branchen werden – ebenfalls mit zunehmender Dynamik – mit erstarkenden oder neuen Marktbegleitern zu rechnen haben. Vor allem wird China seine Rolle als ‚Werkbank der Welt‘ abgelegt und im High-Tech-Bereich erfolgreich konkurrieren.
Doch jedes Risiko birgt eine Chance. Deutschland verfügt nach wie vor über das Potenzial, die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu meistern. Der Weg? Die Rückbesinnung auf die ureigensten Tugenden und Stärken des ‚Standorts Deutschland‘. Was wäre das? Das wäre die starke Innovationskraft, die das Land so erfolgreich gemacht hat. Die Voraussetzung? Das Land und seine Wirtschaft darf sich in Zukunftstechnologien nicht weiter abhängen lassen.
Informations- und Kommunikationstechnologie ist Zukunft
Im Jahre 2021 ist es fast schon peinlich, das Mantra von der voranzutreibenden Digitalisierung. Da steckt schon mehr ‚Pfeifen im Wald‘ drin, als ‚Freude am Zukunft gewinnen‘. Und – Pardon – aber die Einrichtung eines ‚Digitalisierungs-Ministeriums‘, wie von Seiten der Politik vorgeschlagen, geht hier an den Anforderungen vorbei.
Zwar gilt Deutschland gerade auch bei ‚Industrie 4.0‘ als Innovationsführer. Allerdings fehlt es an flächendeckenden Datennetzten. Zudem ist die deutsche Industrie hochinnovativ: Beim Innovationsindikator 2020, der von Fraunhofer ISI, ZEW und BDI herausgegeben wurde, belegt Deutschland den vierten Platz – deutlich vor unseren stärksten Wettbewerbern USA (Rang 8), Südkorea (13), Japan (20) oder China (26). Dennoch kann es nicht oft genug wiederholt werden: In Sachen Digitalisierung hängt Deutschland hinterher.
Woran liegt’s? Fehlt es an Geld? Sicher nicht. Fehlt es an Fachkräften? Auch nicht. Es fehlt – so könnte man den Eindruck gewinnen – schlicht am politischen Willen, das Land auf dem vorderen Platz zu halten oder, in bestimmten Bereichen wieder an die Spitze zu bringen.
So investieren die Vereinigten Staaten immerhin rund 22 Prozent ihrer Forschungsausgaben in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien. Lediglich fünf Prozent fließen in den Bereich der Automobil-Industrie. In Deutschland hingegen ist es fast umgekehrt. Lediglich sechs Prozent der Forschungsgelder fließen in die wichtigsten Zukunfts-Bereiche und immer noch sehr viel Geld in Forschung rund ums Auto. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass auch innerhalb der Forschungen rund ums Automobil KI natürlich eine große Rolle spielt.
Gute Nachrichten kommen aus dem Bereich der Quantentechnologie-Förderung. Hier belegt, so eine Studie des iw Köln, Deutschland einen der Spitzenplätze weltweit: „Deutschland belegt bei der Förderung von Quantencomputing einen Spitzenplatz. Diesen gilt es zu halten und auch den Einsatz dieser neuen Ressourcen zu unterstützen.“
Fazit
Eine offene Analyse der Perspektiven ist vonnöten, unter Umständen auch der Abschied von Jahrzehnten gültigen Weltbildern und Erfolgskonzepten. Dazu gehört wohl auch, die Verlagerung von Produktions-Standorten in ferne Weltregionen zu überdenken, wenn diese mit bestimmten Forderungen seitens der Zielländer verknüpft sein sollten.
China etwa, Deutschlands größter und wichtigster Partner, setzt zunehmend auf Entwicklungen im eigenen Land. Für Deutschland, das nur über einen einzigen nennenswerten ‚Rohstoff‘ verfügt, nämlich seine Innovationskraft, bergen die Bestrebungen Chinas gewisse Risiken. Sollte China den Zugang zu seinen Märkten an die Bedingung knüpfen, „dort auch zu forschen und zu entwickeln, „(…) gerät eine der großen Stärken der deutschen Industrie in Gefahr.
Eine Exportnation wie Deutschland sollte also aus guten Gründen genau abwägen, wo die langfristige Perspektive liegt. Geht es um das – legitime – Ansinnen, über die Preise am Weltmarkt zu punkten. Oder steht die herausragende Qualität im Mittelpunkt. Die Antwort dürfte klar sein. Und damit auch die Notwendigkeit, die Innovationskraft der heimischen Industrie zu fördern, anstatt Technologietransfer zu betreiben.
Quelle: Union Investment
Auch das könnte Sie interessieren: „Industrie 4.0“ – Mehrheit der Unternehmen fordert neue Politik