Ohne Moos nichts los
Noch immer leidet ein Großteil der Wirtschaft unter der Corona-Krise. Die Verfügbarkeit von genügend Zahlungsmitteln, auf die ein Unternehmen unmittelbar zugreifen kann, ist daher in der aktuellen Situation zu einer der bedeutendsten Größen der Unternehmenssteuerung, aber auch der Bewertung der ökonomischen "Gesundheit" einer Branche geworden. Drohen einer Firma Liquiditätsengpässe, können diese im schlimmsten Falle zu einer Insolvenz führen. Aktuell weisen rund 36 Prozent aller Betriebe eine unzureichende Liquidität auf. Michael Richards, Geschäftsführer von Creditsafe Deutschland , erklärt, wie Unternehmen ihre Liquidität nachhaltig sichern können und so auch in Krisenzeiten festen Stand haben.
1. Kurze Zahlungsziele festlegen
Kurze Zahlungsziele erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Rechnungen zügig bezahlt werden. Unternehmen sollten aus diesem Grund darauf achten, dass die auf der Rechnung eingeräumte Frist nicht zu weit in der Zukunft liegt, denn durch Zahlungsverzögerungen und potenzielle Mahnungen kann sich der Geldeingang auch über das Zahlungsziel hinaus verzögern. In der Tat überweisen Unternehmen ihre Forderungen mitunter mit erheblichen Verspätungen. Im Durchschnitt betrug der Zahlungsverzug im vergangenen Jahr ca. fünf Tage, wie eine Erhebung von Creditsafe ergab. Aus diesem Grund sind Unternehmen gut darin beraten, mit dem Zahlungsziel nicht zu großzügig zu sein und potenzielle Verspätungen von Anfang an einzuplanen. Ein positiver Nebeneffekt: Ein kurzes Zahlungsziel ermöglicht frühzeitige Klarheit darüber, ob der Geschäftspartner selbst liquide und zahlungswillig ist. Stellt sich heraus, dass Kunden ihre Forderungen nicht begleichen können, ist das Forderungsmanagement somit in der Lage, deutlich schneller zu reagieren und eine Lösung zu finden.
2. Das eigene Forderungsmanagement optimieren
Um zeitnahe Zahlungseingänge sicherzustellen, kann es mitunter sinnvoll sein, Teilrechnungen für erbrachte Leistungen zu stellen. Dies kommt zum Beispiel dann in Frage, wenn die Endsumme sehr hoch ausfällt, das eigene Unternehmen zum Erhalt des Cash Flows auf kurzfristige Aufträge angewiesen ist oder der Geschäftspartner selbst eine niedrige Bonität aufweist. Eine häufige Ursache für Liquiditätsengpässe sind grundsätzlich zu spät gestellte Rechnungen. Auch wenn es sich simpel anhört: Die eigene Buchhaltung sollte aus diesem Grund so optimiert werden, dass Rechnungen pünktlich verschickt werden und unter keinen Umständen unter den Tisch fallen. Zu einem optimierten Forderungsmanagement gehört - neben buchhalterischer Sorgfalt - jedoch auch Diplomatie: Lassen sich vorübergehende Zahlungsverzögerungen bei Kunden ausgleichen? Kann sich das Unternehmen leisten, die Forderungen erst später geltend zu machen? Ein transparenter Umgang auf beiden Seiten sorgt dafür, dass Geschäftsverbindungen nicht gefährdet werden. Erst wenn der diplomatische Weg keine Klarheit bringt, sollten Unternehmen ein gerichtliches Mahnverfahren in Betracht ziehen. Alternativ gibt es die Möglichkeit, die ausstehenden Rechnungen mithilfe von Inkasso-Dienstleistern einzutreiben oder sich die Forderung und somit das Kreditrisiko von einem Factoring-Anbieter abkaufen zu lassen.
3. Tilgungsraten für Kredite hinterfragen
Hat man als Unternehmen noch eigene Kredite am Laufen, macht es Sinn, hier die Tilgungsraten zu überprüfen. Sind diese zu hoch angesetzt und bedrohen möglicherweise die eigene Liquidität, dann sollten sich Unternehmen mit ihrer Bank oder Gläubigern zusammenzusetzen und andere Tilgungsbedingungen aushandeln. Hier gilt abermals: Transparenz und offene Kommunikation sorgen für Verständnis auf beiden Seiten und erhöhen die Chance, bessere Bedingungen für das Unternehmen zu erwirken. Insbesondere bei Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten kann es wirksam sein, Früh- und Vorauszahlungen zu vermeiden, um stets möglichst viele liquide Mittel auf dem Konto zu behalten. Aber Achtung: Das Zahlungsziel sollte dabei nicht überschritten werden, da sich eine schlechte Zahlungsmoral negativ auf die Bonitätsbewertung des Unternehmens auswirken kann.
4. Rückstellungen bilden und Steuernachzahlungen entgegenwirken
Das Bilden von Rücklagen gehört zu den wichtigsten Schritten bei einer strategischen Unternehmensführung. Auf die finanziellen Reserven greifen Firmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zurück, etwa wenn Aufträge ausbleiben. Doch auch für weitere unvorhergesehene Ereignisse sind Rücklagen von großer Bedeutung. Dazu gehören auch mögliche Steuerrückzahlungen. Während eine Nachzahlung im Bereich Umsatzsteuer - bei korrekter Verbuchung und Meldung von Umsätzen - relativ selten vorkommt, treffen Nachzahlungen bei den Ertragssteuern (Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer) manche Unternehmen unvorbereitet. Es kann daher sinnvoll sein, die Ertragssteuern im Voraus zu zahlen und beispielsweise über die Quartale zu stückeln. So erhalten Unternehmen schnell einen Überblick, ob die eigene Finanzplanung realistisch ist.
5. Liquidität, Bonität und Zahlungsmoral von Geschäftspartnern überprüfen
Mangelnde Liquidität bei Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten können den eigenen Bestand an liquiden Mitteln gefährden, da deren Leistungen bzw. Zahlungen ausbleiben. Kurzum: Zügige Zahlungseingänge sind Grundvoraussetzung, um selber zahlungsfähig zu bleiben. Deswegen kann es hilfreich sein, die Bilanzen bzw. Finanzzahlen von wichtigen Partnern zu prüfen. Eine Option ist es, über öffentliche Register oder Auskunfteien einzelne Bilanzen einzusehen sowie Informationen über Geschäftspartner einzuholen. Weitere Indikatoren für die Leistungsfähigkeit der Geschäftspartner ist deren Bonitätsbewertung und Zahlungsmoral. Insolvenzen oder riskante Geschäftsbeziehungen können dadurch vorhergesehen werden. Zusätzlich offenbart ein Blick auf die Zahlungserfahrungen der Vergangenheit, ob ein Unternehmen auch zukünftig seine Rechnungen pünktlich bezahlt. Kreditlimits und Zahlungsmodalitäten lassen sich dementsprechend an das Kundenrisiko anpassen.
Fazit: Mit Hilfe und Bedacht durch die Krise
Eine zu hohe Liquidität führt durch den gegenwärtigen Niedrigzins dazu, dass das Vermögen schrumpft. Eine zu niedrige Liquidität erhöht dagegen das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit. Diese Grundsätze galten auch schon vor der Corona-Krise, doch der Balanceakt zwischen zu hoher und zu geringer Liquidität ist in der gegenwärtigen Situation, bedingt durch gravierende Umsatzeinbrüche und Lieferengpässe, bedeutend schwieriger. Ein kontinuierlicher Liquiditätsplan kann dabei helfen, das Unternehmen unter Beachtung dieser Erkenntnisse durch wirtschaftlich angespannte Zeiten zu steuern. Für jede unternehmerische Entscheidung ist im besten Falle eine stets valide Informationsbasis ausschlaggebend, um nicht nur die eigenen Finanzen im Blick zu behalten, sondern ebenso die der Geschäftspartner. Unternehmen sollten daher an allen zur Verfügung stehenden Stellschrauben drehen und nach Möglichkeit ein finanzielles Polster aufbauen, um die Gefahr eines Liquiditätsengpasses so gering wie möglich zu halten und auch in der Krise sicher aufgestellt zu sein.
Ein Beitrag von Michael Richards
Michael Richards ist bereits seit fast 20 Jahren im internationalen Vertrieb tätig und Experte im Bereich der Wirtschaftsinformationen. Seit knapp 16 Jahren unterstützt er die Creditsafe-Gruppe, die weltweit meistgenutzte Wirtschaftsauskunftei. Nach fünf Jahren im Headquarter in Südwales, wechselte er als Vertriebsleiter in die Niederlande und leitete von dort den Vertrieb für Benelux. Danach übernahm er die Sales Division von Creditsafe Deutschland. Im Mai 2018 wurde er hier nach seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit zum Geschäftsführer ernannt und leitet heute das deutsche Team aus über 120 Mitarbeitern.