„Industrie 4.0“ – Mehrheit der Unternehmen fordert neue Politik
Die gute Nachricht: Über die Hälfte aller Deutscher Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern – nämlich 59 Prozent – rüsten digital auf. Diese Unternehmen nutzen die unterschiedlichen Möglichkeiten von Industrie 4.0. Das bedeutet: vernetzte Produktionsanlagen, Echtzeit-Kommunikation zwischen Maschinen, individuelle Unterstützung vom Kollegen Roboter. 2018 waren es noch 10 Prozent weniger. So eine aktuelle Bitkom-Studie. Doch mehr als 76 Prozent der deutschen Unternehmen sind unzufrieden mit der Politik.
Weitere gute Nachrichten vom Industriestandort Deutschland: Ebenfalls mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen – genau 55 Prozent – erleben Industrie 4.0 als Belebung ihrer Geschäfte. Fast alle Unternehmer (93 Prozent) sehen in Industrie 4.0 eine Chance für sich. Der Anteil der Unternehmen, für die Industrie 4.0 gar kein Thema ist, ging im April 2020 mit einem Prozent fast schon gegen Null, so die Bitkom-Studie.
Plattformen im Fokus – Neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung
Auch im innovativen Umgang mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung verzeichnet die Studie wachsendes Engagement bei den deutschen Unternehmen. Im Vergleich zu 2018 passen die Firmen nicht nur Prozesse und Abläufe an (73 Prozent). Die Innovationen gehen vor allem immer stärker auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Diesen Fokus haben immerhin mit 59 Prozent etwas über die Hälfte der Unternehmen.
Im Trend der digitalen Innovationen liegen vor allem digitale Plattformen. Besonders in der aktuellen Krise, sowie ganz sicher in der Folgezeit, bieten diese Plattformen, die selbst je nach Aufgabe als Produkte, Dienstleistungen oder Technologien definiert werden können, innovative Foren für den Austausch derselben. Sie können unter Umständen Messen und andere Kundenevents oder Pressekonferenzen ersetzen.
Stolze 88 Prozent der in der oben genannten Studie befragten Unternehmen entwickeln digitale Plattformen neu oder weiter oder beteiligen sich daran. Auf ihnen können Produkte oder Services vertrieben oder auch Kunden mit Lieferanten vernetzt werden. Etwas weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen, nämlich 45 Prozent, haben sogenannte Pay-Per-Use- oder Production-as-a-Service-Modelle eingeführt: Ein Anbieter verkauft dann kein Produkt mehr, sondern die Zeit, die sein Kunde dieses Produkt für seine eigene Produktion einsetzen will.
Die deutsche Industrie gibt sich im internationalen Vergleich selbstbewusst, was Industrie 4.0 betrifft: Mehr als jedes fünfte (deutsche) Unternehmen (22 Prozent) sieht Deutschland im globalen Ranking auf einer Spitzenposition. Nur ein Prozent mehr der Unternehmer glauben, den ersten Platz nehmen die USA ein. Interessant: Nur jeder siebte deutsche Unternehmer vermutet China auf Rang 1.
Kein Anschluss für Industrie 4.0?
Die Zahlen der Studie geben Anlass zu Freude und Hoffnung. Die deutsche Industrie bewegt sich in Richtung Zukunft. Dass aber über zwei Drittel der Unternehmen eine neue Politik in Sachen Digitalisierung und Voraussetzungen für Industrie 4.0 sehen, sollte die Verantwortlichen bedenklich stimmen.
Ein Beispiel, wie sehr die Dinge am Industriestandort Deutschland im Argen liegen, ist der Ausbau des Glasfasernetzes. Mit einem Anteil von nur 3,6 Prozent an schnellen Glasfaseranschlüssen steht Deutschland laut Statista an sechstletzter Stelle der OECD-Länder. Zum Vergleich: Spitzenreiter dieser technologisierten Ländergruppe ist Südkorea mit fast 83 Prozent. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt bei immerhin noch 26,8 Prozent Glasfaseranschlüsse landesweit.
Der Ausbau eines solchen Netzes, aber auch 5G oder Innovationsbereitschaft beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz gehören zu den Bedingungen, damit Deutschland den Anschluss an die Zukunft – optimistisch ausgedrückt – nicht verliert. Gerade Mal 14 Prozent der deutschen Unternehmen nützen laut der Studie derzeit KI bei der Umsetzung von Industrie 4.0. Auch bei dieser Zukunftstechnologie, die bereits weit in unsere Gegenwart hineinreicht, ist also bei uns noch viel Luft nach oben wie beim Vertrauen der deutschen Unternehmen in die Politik.
Credits: Christina Rose, Bitkom
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