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Connected Commerce schafft Einkaufserlebnisse

Der digitale Handel ist vielfältig wie nie zuvor: Marken müssen sich behaupten, vor allem im Wettbewerb mit großen Versandhändlern.
Tjeerd Brenninkmeijer | 09.12.2019
Mit Connected Commerce Einkaufserlebnisse schaffen © Tjeerd Brenninkmeijer
 

Co-Autor des Beitrags ist Dirk Hoerig, CEO und Mitgründer von commercetools, der für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zuständig ist.

Der digitale Handel ist heute so vielfältig wie nie zuvor: Marken müssen sich nicht nur gegenüber ihren direkten Konkurrenten behaupten, sondern auch im Wettbewerb mit großen Versandhändlern wie Otto und Online-Marktplätzen wie Amazon oder Zalando bestehen. Langfristig erfolgreich sein wird dabei nur, wer seinen Zielgruppen eine herausragende Customer Experience bietet. Was macht ein solches Kundenerlebnis aus, das Käufer dauerhaft an das Unternehmen bindet: vom ersten Berührungspunkt über die Interaktionen bis zum ersten Kauf und darüber hinaus? Wo versagen Amazon und Co., wo Marken jedoch punkten können? Und wie sieht eine zukunftsfähige E-Commerce-Infrastruktur aus, die es Unternehmen erlaubt, ihren Auftritt auf allen Kanälen schnell an neue Markttrends anzupassen?

 

Wie kein anderer Händler hat Amazon in den letzten Jahren die Gewohnheiten der Kunden beim Online-Shopping geprägt. Egal ob Internetkäufer nach einem Buch, einer Kreissäge oder einer Digitalkamera suchen: Fast immer ist Amazon eine Station auf ihrer Customer Journey – sehr oft die letzte. Mit seinem umfassenden Sortiment, meist günstigen Preisen und schnellem Versand ist es dem Konzern gelungen, die Standards für den Online-Handel zu definieren. Doch trotz seiner unangefochtenen Marktposition ist Amazon nicht perfekt. Die Digitalagentur Salmon Ltd. hat für ihre Studie „The Future Shopper: 2018 and Beyond“ 3.516 britische und US-amerikanische Online-Käufer unter anderem dazu befragt, welche Gründe sie bereits vom Kauf bei Amazon abgehalten haben. Dabei gab ein Viertel der Kunden (24 Prozent) an, Wert auf ein besonderes Einkaufserlebnis im Marken-Webshop zu legen.[1]

Dort glänzen, wo Amazon versagt

Diese Entscheidungskriterien sind je nach Produkt von unterschiedlichem Gewicht. Bei Produkten des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Waschmittel, in deren Auswahl Konsumenten nicht viel Zeit investieren und zu denen sie keine emotionale Bindung aufbauen, spielt das Einkaufserlebnis eine viel geringere Rolle als etwa der Preis. Bei Dingen wie einer hochwertigen Armbanduhr, die der Kunde mit Bedacht auswählt und die den persönlichen Geschmack treffen sollen, ist die Customer Experience hingegen von zentraler Bedeutung. Doch unabhängig von der Produktart sollten sich Unternehmen keinesfalls von den Big Playern abhängig machen. Bei den einschlägigen Online-Versandhändlern und -Marktplätzen präsent zu sein, ist inzwischen unverzichtbar. Doch ebenso wichtig ist es, als Marke einen attraktiven, konsistenten Auftritt in den eigenen Verkaufskanälen zu schaffen. Dafür gilt es zunächst zu definieren, welche Kanäle bespielt werden sollen und welche nicht. Marken sollten die Kanäle identifizieren, in denen sie ihre Zielgruppen hauptsächlich antreffen – und sich selbstredend auf diese fokussieren. Über die eigenen Kanäle können sie Käufern das bieten, was Amazon und Co. bislang schuldig bleiben: eine individuelle Kundenerfahrung. Das Marktforschungsunternehmen Gartner drückt es so aus: “Einkaufserlebnisse, die nur auf eine effiziente Transaktion ausgerichtet sind, sind kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Der entscheidende Erfolgsfaktor, auf den es heute ankommt, ist vielmehr das Vermögen, Probleme der Kunden zu lösen und eine auf Vertrauen basierende Kundenbeziehung aufzubauen.“[2]

 

Von der Bedarfsdeckung zur Bedarfsweckung

Was macht eine Customer Experience aus, mit der sich Marken vom Wettbewerb abheben und Kunden langfristig an sich binden? Es genügt nicht, mit den richtigen Produkten auf den richtigen Kanälen präsent zu sein. Vielmehr müssen Unternehmen den Kunden an jedem Kontaktpunkt mit exakt den Inhalten und Angeboten versorgen, die er gerade benötigt. Das sind zum einen Informationen, nach denen der Kunde aktiv recherchiert, wie etwa, welche Digitalkameras mit gutem Preis-Leistungsverhältnis der Markt für Einsteiger bietet. Zum anderen sind dies Inhalte, nach denen er nicht gezielt sucht, die ihn aber ansprechen – entweder aufgrund eines aktuellen Bedarfs (Bedarfsdeckung) oder deshalb, weil sie seinen grundsätzlichen Interessen entsprechen und so einen Bedarf erst auslösen (Bedarfsweckung).

 

Storytelling: Kunden lieben Geschichten

Insbesondere bei der Bedarfsweckung spielt hochwertiger Content, der die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erregt, eine zentrale Rolle. Dem US-amerikanischen Bekleidungshersteller Carhartt WIP ist diese Verbindung von Content und Commerce beispielhaft gelungen. Das Modelabel hat seine Markenwebsite mit dem Online-Shop integriert.[3] Kunden finden unter carhartt-wip.com ein Imagemagazin mit den Kernthemen Fashion, Musik, Kunst, BMX und Skateboarden sowie einen Audio-Kanal mit zu diesem Lifestyle passender, elektronischer Musik. Gleichzeitig ist die Bekleidung mit Bildern hochwertig in Szene gesetzt und kann direkt bestellt werden. Der Erfolg des neuen, integrierten Webauftritts zeigte sich schnell daran, dass Besucher jetzt deutlich länger auf den einzelnen Seiten verweilen. Marken, denen es so gelingt, auf den eigenen Kanälen durch relevante Text-, Bild-, Video- und andere Multimedia-Inhalte eine Geschichte um ihre Produkte zu kreieren, mit der sich Kunden identifizieren, vollziehen eine Transformation: vom bloßen Warenverkäufer zum Rat- und Ideengeber. Das Ziel: Kunden verweilen auf den Markenkanälen, um sich von den neuesten Trends aus Mode, Wohnen, Outdoor, Heimwerken, Spielzeug etc. inspirieren zu lassen oder sogar zum reinen Zeitvertreib, während sie zum Beispiel Bahn fahren – anstatt nur kurz den Online-Shop zu besuchen, um gezielt ein Produkt zu bestellen.

 

Fragmentierte Customer Journey

Ein herkömmliches Webshop-System wird einem solchen Szenario nicht gerecht. In Zukunft müssen Marken in der Lage sein, zahlreiche Informationen und Funktionen – Produkt- und Kundendaten, Content, Preise, Warenkörbe, Checkout, Bestellungen und Retouren, Sicherheit etc. – einheitlich in verschiedensten Kanälen verfügbar zu machen: auf der Website, in mobilen Apps, Wearables, stationären Points of Sale, Social Media, Messenger-Diensten, Sprachassistenten, vernetzten Autos etc. Durch die wachsende Anzahl an Kanälen wird die Customer Journey immer kleinteiliger. Umso entscheidender ist es, dass ein konsistentes Erscheinungsbild die zahlreichen, kleinen Interaktionen mit der Marke zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

 

Offene Plattform-Architektur

Hierfür braucht es eine offene Plattform, mit der sich die einzelnen IT-Systeme, wie etwa Web-CMS, CRM-, PIM-, DAM-System usw., und sämtliche Verkaufskanäle integrieren lassen. Dies ermöglicht beispielsweise eine Digital-Experience-Plattform (DXP), die alle Kanäle über Programmierschnittstellen (APIs) anbindet bzw. dem „Headless“-Prinzip folgt, das heißt: Das Frontend, der „Kopf“, ist vom Backend, dem „Körper“, entkoppelt. Die grafischen Benutzeroberflächen der einzelnen Kanäle und die Commerce-Funktionalitäten sind technisch separate Bereiche – der Datenaustausch zwischen Frontend und Backend erfolgt über APIs. So ist es möglich, die Informationen aus sämtlichen Systemen zu bündeln und einheitlich an alle digitalen und analogen Kanäle auszuliefern. Ändert sich beispielsweise eine Produktinformation, ist diese mit nur einem Klick an jedem Touchpoint aktualisiert. Die Trennung von Front- und Backend verschlankt zudem die IT-Infrastruktur enorm. Dies erlaubt Unternehmen, eine vollständige Commerce-Umgebung deutlich schneller aufzubauen als bisher denkbar: Die Entwicklungsdauer ist im Schnitt um sechs bis acht Monate kürzer.

 

Agil auf Marktveränderungen reagieren

Ein weiteres Plus des Headless-Ansatzes: Marken können neue Kanäle jederzeit unkompliziert anbinden und Änderungen an bestehenden Kanälen umsetzen, ohne dafür die gesamte Backend-Logik testen zu müssen. Somit können sie flexibel experimentieren, was bei den Kunden gut ankommt, und zudem proaktiv handeln – anstatt nur zu reagieren. Neue Technologien wie etwa Chatbots oder Voice-Commerce lassen sich ebenso mit minimalem Entwicklungsaufwand implementieren. Sollte sich beispielsweise herausstellen, dass sich die Zielgruppe von einem Chatbot eher gestört fühlt, halten sich die Kosten für diese Erkenntnis in Grenzen. Darüber hinaus ist eine Plattform, die auf einer Headless-Architektur basiert, einfach skalierbar. Von hohem Frontend-Traffic bleibt das Backend aufgrund der nur losen Verbindung unberührt. Dies spart nicht nur Betriebskosten, sondern sorgt auch für eine stabile Verfügbarkeit.

 

Eine Plattform für alle Markenwebsites

Der große Vorteil einer Headless-Plattform liegt darin, dass man nicht mehr von einem monolithischen E-Commerce-System abhängig ist, welches das Kundenerlebnis in starre Templates presst. So hat beispielsweise GrandVision, der Mutterkonzern von Apollo-Optik, für seine mehr als 30 Marken in über 44 Ländern eine einheitliche technologische Basis geschaffen, wobei die Tochterunternehmen ihre eigene Markenidentität beibehalten konnten.[4] Dies war ohne Weiteres möglich, da das E-Commerce-System nicht mehr das Zentrum bildet, woran alle anderen Systeme angebunden werden, sondern selbst per API mit der Experience-Plattform verbunden ist. Davon profitieren insbesondere multinationale Unternehmen mit diversen Markenwebsites. Diese lassen sich stets mit konsistenten Informationen versorgen und können dabei gleichzeitig ihre Frontends gemäß den eigenen Design-Prinzipien frei gestalten – und damit ihr individuelles Markenbild aufbauen.

 

Künstlich individuell: Personalisierung dank KI

Manche Digital-Experience-Plattform beinhalten Machine Learning-Funktionen, um das Kundenverhalten in Echtzeit zu analysieren und Inhalte entsprechend zu personalisieren. Wie sich aus datenbasierten Insights in das Kundenverhalten Gewinn schöpfen lässt, zeigt beispielsweise Halfords, ein britischer Händler für Fahrrad- und Automobilteile. Halfords hat mit einer intelligenten Suchfunktion den Umsatz pro Besucher (UPB) in seinem Online-Shop um fünf Prozent gesteigert.[5] Die Funktion nutzt selbstlernende Algorithmen, um die Regeln zur Website-Suche permanent und vollautomatisiert zu optimieren. Auf diese Weise erhält jeder Kunde genau zu seiner Suchanfrage passende Ergebnisse. Diese sind darüber hinaus personalisiert: Die Software analysiert, wonach ein Kunde wie und wie oft gesucht hat. Die Reihenfolge, in der die Suchergebnisse angezeigt werden, und weitere Produktempfehlungen passen sich automatisiert an diese Daten an. In den kommenden Jahren wird maschinelles Lernen für den Handel erfolgsentscheidend sein. Darum ist es für Unternehmen essenziell, die Hoheit über die Daten zu behalten, die Kunden während der Customer Journey produzieren. Dies gelingt nur, wenn ein wesentlicher Anteil des Absatzes über die eigenen Kanäle generiert wird – anstatt über Amazon und Co.

 

Fazit

Marken stehen heute im harten Wettbewerb mit großen Versandhändlern und Online-Marktplätzen. Obendrein werden die Kunden immer anspruchsvoller. Auch wenn für Marken kein Weg mehr daran vorbeiführt, auf großen Verkaufsplattformen präsent zu sein, sollten sie auf den eigenen Kanälen einen Gegenentwurf zu Amazon und Co. bieten: indem sie ihre Kunden mit attraktiven Inhalten inspirieren, so individuell wie möglich mit ihnen interagieren und ihnen das Gefühl geben, für sie da zu sein. So wecken sie den Bedarf an ihren Produkten, die direkt bestellbar sein müssen: Der Kunde liest einen spannenden Reisebericht über Schottland und geht von dort aus direkt zum Kauf einer wind- und wasserdichten Outdoor-Jacke über. Dies ist nur mit einer zukunftsfähigen technologischen Basis zu bewerkstelligen. Der entscheidende Wettbewerbsvorteil ist heute Schnelligkeit: Mit der richtigen Infrastruktur können Unternehmen innerhalb weniger Wochen eine vollständige E-Commerce-Umgebung aufbauen. Diese lässt sich schnell um zusätzliche Kanäle erweitern, leicht skalieren und hinsichtlich der User Experience frei gestalten. Intelligente Algorithmen erlauben zudem eine automatisierte Analyse des Kundenverhaltens, um Produktseiten und Suchergebnisse in Echtzeit zu personalisieren.

 

Co-Autor des Beitrags ist Dirk Hörig, CEO und Mitgründer von commercetools.

 

Quellen

[1] Wunderman Commerce: The Future Shopper: 2018 and Beyond, 2018. https://www.emota.eu/media/1469/wunderman-commerce-the-future-shopper-report.pdf

[2] Gartner Inc.: Industry Vision: Commerce to You, 2018. https://www.gartner.com/doc/3874598/industry-vision-commerce-

[3] https://commercetools.com/de/kunden/carhartt.html

[4] https://www.bloomreach.com/en/customers/grandvision.html

[5] https://www.bloomreach.com/en/customers/halfords.html