print logo

Marktplatzstrategie im B2B: Chancen und Risiken

In Zeiten von Amazon B2B beleuchtet der Beitrag Stärken und Schwächen von B2B-Marktplätzen und zeigt mögliche Onlinestrategien für B2B-Anbieter auf.
silver.solutions GmbH | 21.11.2017
© silver.solutions GmbH
 

Wie positioniert sich Amazon im B2B e-Commerce?


Amazon wird zunehmend einer der großen Player im Bereich B2B. Mit den neuen B2B Funktionen versucht Amazon, einen Anteil vom über 1000 Milliarden Euro großen B2B Kuchen (Prognose für das Jahr 2020, Quelle: iBusiness Dossier Ausgabe 4, 2017) ab zubekommen. Im ersten Schritt integriert Amazon Features, die B2B Käufer heute selbstverständlich fordern:

- Rechnungen mit ausgewiesener MwSt.
- Zugänge für Mitarbeiter
- Eingabe einer PO Nummer
- Freigabeprozesse und Bestell-Limits

Das sind nun keine bahnbrechenden Neuerungen fürs Businesskundengeschäft, denn klassische B2B Shops bieten solche Funktionen seit mehr als 10 Jahren. Aber Amazon wird sich schnell weiterentwickeln. Das Unternehmen denkt zu 100% digital und wird neue Produkte und Ideen konsequent ausprobieren, ausgiebig testen und bei Erfolg weiterführen.

Amazon punktet mit einem großen Sortiment, schneller Lieferung und einem sehr kundenfreundlichen Retourenmanagement. Nicht zu unterschätzen ist auch der Fakt, dass viele Kunden beim e-Commerce Riesen schon ein Kundenkonto besitzen oder zumindest aus dem B2C Einkauf wissen, wie schnell und einfach Bestellungen gehen. Mit Expertenwissen und anderen branchenspezifischen Services punktet Amazon eher nicht.

Wo sind die Grenzen von Amazon?


Die Geschwindigkeit, mit der Amazon neue Märkte erobert, ist rasant. Die Strategie der ständigen Evolution bringt neue Dienste und Patente hervor. Nicht alle sind erfolgreich. Das ist jedoch im System einkalkuliert. Denn wenn auch nur 1 von 100 Ideen zündet, wird diese zum nächsten Renner.

Aber auch Amazon ist realistisch:

“Our customers are loyal to us right up until the second somebody offers them a better service.“ – Jeff Bezos

Das umfangreiche Sortiment an Produkten im Amazon-Shop verlangt starke Kompromisse. Als Käufer ärgern wir uns regelmäßig, dass viele Produkte nicht ausreichend oder sogar falsch beschrieben sind. Oftmals liefern Amazons Kundenrezensionen und Kundenfragen mehr Informationen zum Produkt, als der Text der Produktbeschreibung. Dies birgt das Risiko, dass Kunden sich bei anderen Anbietern umschauen, in der Hoffnung die relevanten Informationen dort zu finden.

An diesem Punkt können B2B Anbieter ihre Vorteile ausspielen. Sie verfügen über Produkt- und Branchenwissen, können Service bieten und Produkte nutzerfreundlich beschreiben. Wenn der Preis, die Zahlungsoptionen und die Bestellabwicklung auch noch stimmen, dann fällt die Kaufentscheidung eben nicht bei Amazon.

Haben B2B Branchenmarktplätze eine Zukunft?


In letzten Jahren sind zahlreiche B2B-Spezial-Marktplätze gestartet um Nischen zu besetzen. So platziert sich Contorion als digitaler Fachhandel für Handwerk und Industrie. Großhändler schliessen sich zusammen und bauen gemeinsam digitale Einkaufsplattformen wie Gastivo oder Fegime auf. Diese Special Interest Marktplätze konzentrieren sich auf ausgewählte, enge Zielgruppen. Gastivo präsentiert ein 360 Grad Angebot für die Gastronomie, beginnend beim Besteck, über Kassensysteme bis hin zu Software für die Personalplanung. Die Plattform bietet alles aus einer Hand mit dem Ziel, dass der Gastronom mehr Zeit für sein eigentliches Business hat. Fegime betreibt eine zentrale e-Commerce Plattform für den Elektro-Fachhandel. Kunden verlangen zunehmend „alles aus einer Hand“, ein Trend, den Marktplätze optimal bedienen können.

Grafik Gründe für Marktplätze

Der Verkauf von Produkten über Branchenplattformen kann je nach Marktposition und Distributionsmodell für Hersteller und Großhändler gut oder weniger gut sein. Genauso entscheidend wie der Preis sind für deutsche B2B-Einkäufer die Markenstärke und die Qualität der Kommunikation des Herstellers oder Großhändlers (Quelle: McKinsey&Company). Eine Marke lässt sich als ein Anbieter unter vielen auf einem der gängigen Marktplätze nicht stärken. Andererseits lassen sich Produkte, bei denen es nicht auf die Marke ankommt, über den Preis und eine ausgezeichnete Produktbeschreibung durchaus sehr erfolgreich auf Marktplätzen verkaufen. Der Aufbau eines eigenen oder der Einstieg in einen anderen B2B Marktplatz gilt als zukunftsträchtig, sollte jedoch gut überlegt sein.

Welche Chancen bieten Händlerplattformen?



Hersteller und Großhändler, die nicht nur ein Standardsortiment, sondern Spezialprodukte, kundenspezifische Anfertigungen, Lösungen, Projekte und Serviceleistungen anbieten, haben mit einer eigenen Plattform die Chance, sich in ihrer gesamten Bandbreite zu positionieren und zu überzeugen. Sie bieten ihren Händlern eine Händlerplattform mit bereits hinterlegten Produkten und Inhalten an, die nach Bedarf erweitert werden können. Die Händler erhalten die Möglichkeit, mit wenig Aufwand Ihren eigenen Onlineshop zu eröffnen und werden partnerschaftlich eingebunden.

Dabei können sie auch ihrem Fachhandel und ihren Distributoren Mehrwerte bieten. Wenn Hersteller und Großhändler gemeinsam mit ihren Partnern agieren, können sie sich sowohl online als auch vor Ort kompetent positionieren.

Welche dieser 4 Online-Strategien bietet sich für Ihr B2B-Geschäft an?


1) Direkter Vertrieb an den Endabnehmer über einen eigenen Onlineshop

Sie bieten online Ihre Produkte direkt für die Endabnehmer an.

Vorteil: Sie haben einen direkten Draht zum Kunden und erhalten so wertvolles Feedback und Marktpräsenz.

Nachteil: Sie treten in direkten Wettbewerb mit Ihren eigenen Fachhändlern.

Risiko: Diese Strategie könnte dazu führen, dass Ihre Produkte nach und nach aus dem digitalen und stationären Fachhandel verschwinden. Es würde langfritig zu einer Schwächung Ihrer Marke führen.

Wichtig: Diese Strategie erfordert sehr gute Produktdaten und Inhalte, Top-Funktionen für Endkunden, sowie eine Lagerhaltung und Logistik, die eine Auslieferung kleinerer Mengen direkt an den Endabnehmer erlaubt.

2) Produkte über bestehende Marktplätze verkaufen

Sie verkaufen Ihre Produkte direkt über Marktplätze.

Vorteil: Sie müssen keine eigene Online-Plattform betreiben und erreichen trotzdem direkt die Endabnehmer.

Nachteile:

- Sie müssen Ihre Produktdaten nach den strengen Vorgaben des Marktplatzanbieters aufbereiten und Produkte ggf. nicht so ausführlich beschreiben wie auf einer eigenen Plattform.
- Jeder Marktplatz hat seine eigenen Schnittstellen für den Import und Export von Produkten und Bestellungen.
- Bei hohem Bestellaufkommen oder sich schnell änderndem Sortiment sind neue Prozesse und ein hohes Maß an Automatisierung notwendig.
- Sie konkurrieren alleine über den Preis und ggf. über gute Bewertungen.
- Ein hoher Preiskampf auf Marktplätzen führt in der Regel zu eher geringen Margen.

Risiko: Sie stehen auch hier im Wettbewerb zu Ihrem Fachhandel.

Wichtig: Auch bei dieser Variante müssen Sie Lager und Logistik-Prozesse ggf. anpassen, um kleine Mengen schnell und effizient ausliefern zu können.

3) Gemeinsam mit dem Fachhandel verkaufen

Sie beziehen Ihre Partner mit ein, entwickeln eine gemeinsame e-Commerce Strategie und verkaufen gemeinsam, z.B. über eine Händlerplattform.

Vorteile:

- Sie haben die Kontrolle über Ihre Marke und Ihre Daten.
- Sie binden Ihre Händler.

Nachteile:

- Große Fachhändler werden langfristig nur dabei bleiben, wenn es sich für sie auszahlt und sie Vorteile für sich in dem Modell finden.
- Die Bindung an einen Anbieter kann hier auch als Nachteil gesehen werden.

Wichtig: Dieses Modell eignet sich besonders für kleinere Händler und für Anbieter mit starker Marktmacht.

4) Fachhandel Unterstützung light

Auch wenn für Ihre Händler die Einbindung auf einer zentralen Plattform keine Option ist, so können sie diese mit nützlichen e-Commerce Tools unterstützen (Kalkulationshilfen, Produktfinder, Formularcenter, Terminvereinbarung).

Vorteil: Sie treten stärker in direkten Kontakt mit Ihren Fachhändlern und bieten die Möglichkeit zur Interaktion. Ihre Marke wird beim Fachhandel positiver wahrgenommen. Die Einstiegshürde für Hersteller und Händler ist niedrig. Das Fachhandelsportal kann später in Richtung e-Commerce erweitert werden.

Nachteil: Der Mehrwert für den Fachhändler ist begrenzt und eine Bindung ist nicht so nachhaltig.

Wichtig: Eine solche Plattform sollte für den Händler eine geringe Einstiegshürde darstellen und die Services sollten tatsächlich in der Praxis einen Nutzwert haben, damit eine hohe Nutzerzahl für die Plattform erreicht wird.

Fazit


Die passende B2B e-Commerce Strategie hängt von vielen Faktoren ab. Die Branche, das Marktumfeld, die bestehenden Verktriebskanäle, das Produktsortiment, all das bestimmt darüber, welchen Weg Sie im B2B e-Commerce einschlagen. Unabhängig von Ihrer Entscheidung sind gute Produktdaten und Inhalte sowie Online-Beratung und Tools auf der eigenen Website unabdingbar.

Die Einbeziehung Ihrer Fachhandelspartner ist ein wichtiger Baustein der digitalen Strategie. Als Großhändler oder Hersteller müssen Sie zukünftig die gesamte User Journey der Kunden betrachten und gezielt neue und attraktive Services für Ihre Zielgruppen anbieten.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Analyse Ihrer aktuellen Position und bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen B2B e-Commerce Strategie.

© Dieser Artikel erschien zuerst im Blog der silver.solutions GmbH - https://blog.silversolutions.de