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Der Kunde als Klickvieh

Unternehmen ignorieren Service-Anfragen im Social Web
Gunnar Sohn | 13.12.2012
Liegt das desaströse Engagement der Service-Branche im Social Web nun an der geringen Nachfrage der Kunden oder eher am mangelhaften Verständnis der Firmen, vernetzte Dienste zu konzipieren? „Nach Recherchen von Nielsen und McKinsey greifen rund die Hälfte aller Social Media-Nutzer auf soziale Netzwerke zurück, wenn sie Unterstützung durch den Kundendienst erwarten“, schreibt Ityx-Manager Andreas Klug in seinem Blogpost für das Contact Center Network. Aber 70 Prozent der Unternehmen ignorieren diese Social Web-Anfragen, wenn sie beispielsweise über Twitter laufen.

Dabei hat sich die tägliche Nutzungsdauer von Smartphone-Apps im Vergleich zum Vorjahr in den USA mehr als verdoppelt. Ähnliches ist in Deutschland zu beobachten. Rund 27 Millionen Bundesbürger besitzen mittlerweile ein Smartphone, nutzen exponentiell das mobile Web, setzen auf Apps als Infoquelle, buchen unterwegs Bahntickets, recherchieren Reisedaten, geben Produktbewertungen ab, kaufen online ein und geben Kommentare über schlechte Kundenerlebnisse ab. Ist das noch eine Nische, die man ignorieren kann? Was ist mit den 25 Millionen Facebook-Nutzern in Deutschland? Sind das alles Social Media-Berater oder Nerds, die man links liegen lassen kann? Es sind Otto-Normalverbraucher, die von Unternehmen in sozialen Medien mit Gewinnspielen zugeballert und wie Klickvieh behandelt werden.

Rainer Kolm von der i-Service Initiative glaubt, dass Verbraucher immer häufiger soziale Netzwerke und Plattformen nutzen werden, wenn sie Hilfe von Marken und Unternehmen erwarten: „Aber die meisten Unternehmen hinken dieser Entwicklung immer noch hinterher.“ Was sich über Chats, Twitter und Facebook abspielt, sei die Zunahme der verschrifteten Kommunikation zu Lasten der Call Center, so Harald Henn, Geschäftsführer von Marketing Resultant. Man könne es auch als asynchrone Kommunikation bezeichnen, die immer mehr dominiert. Darauf müssten die Anbieter so langsam Antworten finden. Die Berührungspunkte der Unternehmen mit den Kunden sollten nach außen aufgefächert werden. Nach innen liegt die Herausforderung in der Bündelung, sagt Henn. Jeder Mitarbeiter im Service müsse über die gleichen Informationen über Kundenanliegen verfügen. Es sei völlig normal, als Verbraucher sein Verhalten ständig zu ändern. Erste Informationen über Produkte werden aus dem Internet gezogen. Dann gibt es vielleicht noch eine telefonische Nachfrage beim Anbieter und am Ende eine Bestellung im Online-Shop.

„Kunden möchten dort, wo sie beim Unternehmen mit einem Anliegen ‚landen’, sofort die Wegweiser finden, wo es langgeht. Sie möchten wissen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Sie möchten schnell zum Ziel kommen und mühelos das Anliegen erledigen, um danach mit einem guten Gefühl ‚weiterzureisen’“, so Andreas Bock, Autor des Buches „Kundenservice im Social Web“ (erschienen im O’Reilly-Verlag).

Für jedes Nutzungsszenario sollte ein entsprechendes Service-Angebot vorhanden sein, um personalisierte Services zu garantieren – ohne Restriktionen und Ausreden: Zu Hause, am Arbeitsplatz, im Geschäft, unterwegs im Auto, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Fahrrad oder zu Fuß. Per stationärem PC, Notebook, Telefon, Handy, Smartphone oder Tablet PC. Auf Facebook, Twitter, Google+, Blogs, Foren, Frage-Antwort-Portalen, im Chat, per E-Mail, SMS, FAQ oder über das Kontaktformular.

„Was sich unterhalb der Motorhaube über die Kombination verschiedenster Dienste abspielt, darf für den Kunden gar nicht sichtbar sein. Entsprechend intelligent muss die Vernetzungslogik aufgebaut sein“, resümiert Systemingenieur Bernd Stahl vom Netzwerkspezialisten Nash Technologies mit Sitz in Nürnberg und Stuttgart.

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