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Schuld an… allem?

Timo Schutt | 11.11.2015
Ich bekomme oft die Frage gestellt, ob man denn wirklich für alles verantwortlich sei, also auch dann, wenn ein Besucher stolpert und sich verletzt. Zur Be(un?)ruhigung daher die grundlegenden Regeln:

Das Beispiel: Ein Besucher ist betrunken und stolpert eine nicht beleuchtete Treppe hinunter.

Es müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, bevor man haftet. Wir beschränken uns hier erst einmal nur auf das Verschulden: Der Veranstalter oder eine andere verantwortliche Person müsste also schuldhaft gehandelt oder schuldhaft etwas unterlassen haben, was zum Sturz des Besuchers geführt hat.

Schuldhaft bedeutet, dass man entweder fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben muss.
• Fahrlässig handelt man, wenn man die Gefahr nicht erkannt hat, sie aber durchaus hätte erkennen können. Je mehr man die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, desto eher hat man ggf. grob fahrlässig gehandelt.
• Vorsätzlich handelt man hingegen, wenn man die Gefahr erkennt und will, dass ein Schaden eintritt. Oder: Man erkennt die Gefahr, sagt sich aber: “Das wird schon gutgehen”. Diese praktisch häufig vorkommende Vorsatzform nennt man bedingten Vorsatz, oder auch “billigendes Inkaufnahmen”.

Im Zivilrecht spielt es übrigens keine Rolle, ob man leicht fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat: Jede Schuldform reicht aus, um die volle Schadenersatzpflicht auszulösen. Selbst wenn man also nur leicht fahrlässig einen Millionenschaden verursacht, ist man grundsätzlich ersatzpflichtig.

Hat der Veranstalter nicht dafür gesorgt, dass die Treppe beleuchtet wird, spricht schon mal viel dafür, dass die Voraussetzung “schuldhaft” erfüllt ist.

Mitschuld des Geschädigten?

Es wird aber immer auch berücksichtigt, was der Geschädigte selbst zum Schaden beigetragen hat. Je mehr man auch dem Geschädigten einen Vorwurf machen kann, desto mehr reduziert sich die Schuld des Veranstalters bzw. Verantwortlichen.

Kann man dem Geschädigten also vorhalten, dass die Treppe zwar unbeleuchtet war, er aber nicht wegen der mangelhaften Beleuchtung, sondern aufgrund geistiger Ungeschicktheit gestolpert ist, dann ist seine Schuld so hoch, dass sie das Verschulden des Veranstalters komplett verdrängt.

Die Schuld kann auch mit einer Quote verteilt werden, das sind dann aber immer gerichtliche Einzelfallentscheidungen.

Eine Mitschuld des Geschädigten kann sich auch ergeben, weil
• er das Risiko erkannt hat, und wissentlich das Risiko eingegangen ist, obwohl er es nicht hätte eingehen müssen/dürfen.
• er jegliche Sorgfalt ausblendet.
• sein Verhalten derart aus der Reihe fällt, dass der Veranstalter sich auf ein solch extremes Verhalten nicht hätte einstellen müssen/können.
• er die Gefahr erkennt, aber tatenlos zuschaut, wie sich die Gefahr verwirklicht bzw. der Schaden immer größer wird.

Besonderheit im Strafrecht

Im Strafrecht gibt es eine Besonderheit: Hier geht es um die individuelle Vorwerfbarkeit des Täters: Kann man ihm persönlich einen Vorwurf machen? Es kann also sein, dass die Tat für den Täter auch “bei Aufbietung aller geistigen Kräfte” nicht vorhersehbar war – für ihn nicht, aber vielleicht für andere wäre er vorhersehbar gewesen. Dann kann der Täter strafrechtlich nicht belangt werden. Im Zivilrecht aber (hier geht es dann um Schadenersatz) fragt man nicht subjektiv nach der Vorwerfbarkeit, sondern objektiv: Hätte jemand den Schaden vorhersehen können? Der Täter wird dann strafrechtlich nicht bestraft, aber er muss zivilrechtlich Schadenersatz leisten.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)