Jobmaschine Globalisierung
Vor wenigen Wochen hat Schumer dazu zum zweiten Mal einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. 2010 war dieser Vorschlag noch versandet, ebenso wie die Idee einer Strafsteuer für heimische Unternehmen, die ein Call-Center im Ausland betreiben.
Mehr als 1,5 Milliarden Kundenanrufe aus den USA landen derzeit pro Jahr in asiatischen Call-Centern. Schumer ist überzeugt: "Wenn wir die Verlagerung von Jobs ins Ausland stoppen wollen, müssen wir Anreize für die Firmen schaffen, die Arbeitsplätze hierzulassen."
Die Thesen des New Yorker Senators treffen den Zeitgeist in Amerika: Nur noch 39 Prozent der Amerikaner sind der Meinung, der Welthandel sei gut für die eigene Wirtschaft.
Die öffentliche Meinung steht in krassem Gegensatz zur Überzeugung nahezu aller Wirtschaftswissenschaftler. Sie halten es mit dem britischen Ökonomen David Ricardo, der 1817 die These aufstellte: Vom Freihandel profitieren alle Beteiligten.
Ein vierköpfiges Forscherteam um Ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr liefert jetzt neue empirische Belege dafür, dass Ricardos Thesen tatsächlich stimmen. Steigender Außenhandel, so der Befund der Studie, die im "European Economic Review" erschienen ist, senkt die Arbeitslosigkeit, statt sie zu steigern.
Die Wissenschaftler haben detaillierte Daten aus 20 Jahren und rund 100 Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern analysiert und festgestellt: Die Arbeitslosenquote geht im Durchschnitt um einen Dreiviertelprozentpunkt zurück, wenn der Anteil der Im- und Exporte an der Wirtschaftsleistung um zehn Prozentpunkte wächst. Unter dem Strich entstehen durch die Globalisierung also offenbar mehr neue Jobs, als dass alte verschwinden.
Um den Effekt der Globalisierung isoliert betrachten zu können, haben die Forscher andere Einflüsse wie konjunkturelle Schwankungen und unterschiedlich hohe Steuersätze herausgerechnet.
Allerdings sind die Vorteile der Globalisierung für den einzelnen Menschen schwieriger wahrnehmbar als die Nachteile. Wer seinen Job verliert, weil sein Arbeitgeber ins Ausland abwandert, stecke oft in einer existenzbedrohenden Situation - und habe einen starken Anreiz, Proteste zu organisieren. "Die Vorteile dagegen sind nur sehr diffus wahrzunehmen", argumentiert Gabriel Felbermayr: Wer mache sich schon groß Gedanken darüber, dass Kleidung oder Elektrogeräte heute viel billiger zu haben sind als früher?
Hinzu kommt, dass Medien oft verzerrt über Globalisierung berichten und damit Ressentiments gegen ausländische Konzerne schüren. Wahrgenommen werden meist nur Jobverlagerungen ins Ausland - über die vielen neu entstehenden Jobs berichten Medien dagegen kaum, zeigen die Ökonomen Pushan Dutt (Insead Business School Singapur), Devashish Mitra (Syracuse University) und Priya Ranjan (University of California, Irvine) in einer Studie, die im "Journal of International Economics" erschienen ist.
Kurzfristig gingen durch den Abbau von Handelsschranken in einem Land tatsächlich Jobs verloren, langfristig aber sei die Arbeitsmarktbilanz positiv, lautet das Fazit der Forscher. Denn marode Firmen, die plötzlich dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt seien, verschwänden sofort - dagegen dauere es länger, bis in anderen Branchen neue Jobs entstünden.
Allerdings: Dass Volkswirtschaften insgesamt von der Globalisierung profitieren, "heißt eben nicht, dass auch jeder Einzelne gewinnt", betont der Kieler Außenhandelsexperte Holger Görg. Zusammen mit zwei Koautoren hat er festgestellt: In Branchen, in denen sich Jobs leicht ins Ausland verlagern lassen, sind die Löhne unter Druck geraten. In absoluten Zahlen betrachtet sind die Lohneinbußen allerdings relativ gering. Görg beziffert sie auf 30 Cent pro Stunde.
Kritiker befürchten dennoch, dass Globalisierung zu wachsender Ungleichheit und zur Aushöhlung der Sozialstaaten führt.
Fakt ist, dass sich die Einkommensschere nahezu überall auf der Welt ausweitet. Vielerorts wuchs das Einkommen der ärmsten zehn Prozent der Einwohner in den vergangenen 25 Jahren viel langsamer als das der reichsten. Das zeigt die Vorabfassung einer Studie des OECD-Ökonomen Michael Förster, die im Dezember veröffentlicht wird.
Doch die steigende Einkommensspreizung ist laut Studie nur zum kleineren Teil auf die Öffnung der Märkte zurückzuführen - wichtiger sei der technische Fortschritt. Dieser mache es schlecht ausgebildeten Arbeitnehmern immer schwerer, gut bezahlte Jobs zu finden, argumentiert Förster.
Statt mit Protektionismus sollten die Regierungen mit Umverteilungspolitik auf die Globalisierung reagieren, empfehlen Ökonomen. Dies werde einfacher, denn: "Der Kuchen wird insgesamt größer", sagt Ifo-Forscher Felbermayr.
Dafür spricht auch eine Untersuchung von Paolo Epifani (Universität Bocconi) und Gino Gancia (Universität Stockholm). Für 150 Länder stellten die Forscher fest: Wachsender Welthandel geht mit einer Ausweitung der Staatsausgaben einher. Allerdings stecken die Regierungen die zusätzlichen Mittel meist in den Konsum und nicht in die soziale Sicherung. Epifani und Gancia warnen daher: "Möglicherweise hat die Globalisierung zu übermäßig stark aufgeblähten Staatsapparaten geführt."
Das sind Nebenwirkungen von Globalisierung, die Attac und Co. normalerweise nicht im Sinn haben.
Mehr als 1,5 Milliarden Kundenanrufe aus den USA landen derzeit pro Jahr in asiatischen Call-Centern. Schumer ist überzeugt: "Wenn wir die Verlagerung von Jobs ins Ausland stoppen wollen, müssen wir Anreize für die Firmen schaffen, die Arbeitsplätze hierzulassen."
Die Thesen des New Yorker Senators treffen den Zeitgeist in Amerika: Nur noch 39 Prozent der Amerikaner sind der Meinung, der Welthandel sei gut für die eigene Wirtschaft.
Die öffentliche Meinung steht in krassem Gegensatz zur Überzeugung nahezu aller Wirtschaftswissenschaftler. Sie halten es mit dem britischen Ökonomen David Ricardo, der 1817 die These aufstellte: Vom Freihandel profitieren alle Beteiligten.
Ein vierköpfiges Forscherteam um Ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr liefert jetzt neue empirische Belege dafür, dass Ricardos Thesen tatsächlich stimmen. Steigender Außenhandel, so der Befund der Studie, die im "European Economic Review" erschienen ist, senkt die Arbeitslosigkeit, statt sie zu steigern.
Die Wissenschaftler haben detaillierte Daten aus 20 Jahren und rund 100 Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern analysiert und festgestellt: Die Arbeitslosenquote geht im Durchschnitt um einen Dreiviertelprozentpunkt zurück, wenn der Anteil der Im- und Exporte an der Wirtschaftsleistung um zehn Prozentpunkte wächst. Unter dem Strich entstehen durch die Globalisierung also offenbar mehr neue Jobs, als dass alte verschwinden.
Um den Effekt der Globalisierung isoliert betrachten zu können, haben die Forscher andere Einflüsse wie konjunkturelle Schwankungen und unterschiedlich hohe Steuersätze herausgerechnet.
Allerdings sind die Vorteile der Globalisierung für den einzelnen Menschen schwieriger wahrnehmbar als die Nachteile. Wer seinen Job verliert, weil sein Arbeitgeber ins Ausland abwandert, stecke oft in einer existenzbedrohenden Situation - und habe einen starken Anreiz, Proteste zu organisieren. "Die Vorteile dagegen sind nur sehr diffus wahrzunehmen", argumentiert Gabriel Felbermayr: Wer mache sich schon groß Gedanken darüber, dass Kleidung oder Elektrogeräte heute viel billiger zu haben sind als früher?
Hinzu kommt, dass Medien oft verzerrt über Globalisierung berichten und damit Ressentiments gegen ausländische Konzerne schüren. Wahrgenommen werden meist nur Jobverlagerungen ins Ausland - über die vielen neu entstehenden Jobs berichten Medien dagegen kaum, zeigen die Ökonomen Pushan Dutt (Insead Business School Singapur), Devashish Mitra (Syracuse University) und Priya Ranjan (University of California, Irvine) in einer Studie, die im "Journal of International Economics" erschienen ist.
Kurzfristig gingen durch den Abbau von Handelsschranken in einem Land tatsächlich Jobs verloren, langfristig aber sei die Arbeitsmarktbilanz positiv, lautet das Fazit der Forscher. Denn marode Firmen, die plötzlich dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt seien, verschwänden sofort - dagegen dauere es länger, bis in anderen Branchen neue Jobs entstünden.
Allerdings: Dass Volkswirtschaften insgesamt von der Globalisierung profitieren, "heißt eben nicht, dass auch jeder Einzelne gewinnt", betont der Kieler Außenhandelsexperte Holger Görg. Zusammen mit zwei Koautoren hat er festgestellt: In Branchen, in denen sich Jobs leicht ins Ausland verlagern lassen, sind die Löhne unter Druck geraten. In absoluten Zahlen betrachtet sind die Lohneinbußen allerdings relativ gering. Görg beziffert sie auf 30 Cent pro Stunde.
Kritiker befürchten dennoch, dass Globalisierung zu wachsender Ungleichheit und zur Aushöhlung der Sozialstaaten führt.
Fakt ist, dass sich die Einkommensschere nahezu überall auf der Welt ausweitet. Vielerorts wuchs das Einkommen der ärmsten zehn Prozent der Einwohner in den vergangenen 25 Jahren viel langsamer als das der reichsten. Das zeigt die Vorabfassung einer Studie des OECD-Ökonomen Michael Förster, die im Dezember veröffentlicht wird.
Doch die steigende Einkommensspreizung ist laut Studie nur zum kleineren Teil auf die Öffnung der Märkte zurückzuführen - wichtiger sei der technische Fortschritt. Dieser mache es schlecht ausgebildeten Arbeitnehmern immer schwerer, gut bezahlte Jobs zu finden, argumentiert Förster.
Statt mit Protektionismus sollten die Regierungen mit Umverteilungspolitik auf die Globalisierung reagieren, empfehlen Ökonomen. Dies werde einfacher, denn: "Der Kuchen wird insgesamt größer", sagt Ifo-Forscher Felbermayr.
Dafür spricht auch eine Untersuchung von Paolo Epifani (Universität Bocconi) und Gino Gancia (Universität Stockholm). Für 150 Länder stellten die Forscher fest: Wachsender Welthandel geht mit einer Ausweitung der Staatsausgaben einher. Allerdings stecken die Regierungen die zusätzlichen Mittel meist in den Konsum und nicht in die soziale Sicherung. Epifani und Gancia warnen daher: "Möglicherweise hat die Globalisierung zu übermäßig stark aufgeblähten Staatsapparaten geführt."
Das sind Nebenwirkungen von Globalisierung, die Attac und Co. normalerweise nicht im Sinn haben.