Corona-Pandemie: Was tun, damit die Online-Logistik funktioniert?
München, 18.3.20 – Jeder zweite Online-Händler rechnet einer aktuellen Umfrage des bevh zufolge aufgrund der Corona-Pandemie im Jahresverlauf mit einer temporären Schließung – zumindest von einzelnen Bereichen. Vor allem die Logistik entpuppt sich dabei als Achillesferse. Muss ein Händler sein einziges Fulfillment-Center aufgrund von Corona-Fällen schließen, kann die Nachfrage noch so hoch sein. Es geht kein einziges Päckchen mehr auf die Reise zum Kunden. Auf der anderen Seite zeigt sich im Lebensmittelhandel, aber auch im Bereich Computerausstattung gerade, dass Online-Händler sich nicht nur gegen den Shutdown, sondern auch für extreme Peaks rüsten müssen. Mit den folgenden zehn Tipps können sich Online-Anbieter für die unsichere Zukunft vorbereiten.
1. Maximale Vorsorgemaßnahmen treffen
Wer als Händler nur ein einziges Logistikzentrum betreibt, ist zwingend darauf angewiesen, dass dieses funktionsfähig bleibt. Daher stellen immer mehr Versender auf kleinere Teams, veränderte Schichtplanung und eine gründliche Reinigung zwischen den Schichtwechseln um. Das allerdings sorgt für eine Verlangsamung im Versandprozess. Daher sollten die Händler auch die Kunden informieren, dass ihre Bestellungen während der Corona-Pandemie längere Lieferzeiten haben werden.
2. Dropshipment-Möglichkeiten ausloten
Online-Händler, die in der Vergangenheit bereits Dropshipment-Prozesse implementiert haben, können ihr Risiko jetzt streuen. Werden sie selbst vom Virus ausgeknockt, können zumindest die wichtigsten Zulieferer die Ware direkt an den Kunden versenden. Manche Hersteller sind bereits dropshipment fähig – jetzt ist die richtige Zeit, diese Option in Erwägung zu ziehen und Projekt- und IT-Ressourcen dafür bereitzustellen.
3. Amazon FBA prüfen
Wer selbst keine Pakete mehr auf die Reise bringen kann, sollte einen Plan B für die Logistik haben. Amazon FBA ist auf den ersten Blick eine attraktive Möglichkeit – zumal Marktplätze wie Amazon umsatzseitig die größten Gewinner der Corona-Krise sein dürften. Allein in den USA sucht der E-Commerce-Riese aktuell 100.000 neue Mitarbeiter, um den Ansturm zu bewältigen. Allerdings hat Amazon in den USA jüngst angekündigt, dass bis zunächst 5. April nicht mehr alle Produkt-Kategorien angeliefert werden können, um in den Lägern Platz zu machen für stark nachgefragte Ware in den Bereichen Baby, Haushalt, Gesundheit, Kosmetik, Lebensmittel, Haustier sowie Industrie. Europa und Deutschland ziehen sicher nach. Zudem ist der Verkauf auf Amazon für jedes Unternehmen ein strategischer Schritt, der nicht in Panik, sondern wohl überlegt getan werden sollte. Andere Marktplätze sind als Fulfilment Partner leider (noch) nicht so gut aufgestellt wie der Marktführer.
4. Wahlfreiheit bei Carriern ausschöpfen
Die Wahrscheinlichkeit, dass DHL oder Hermes ihren Betrieb wegen Corona ganz aussetzen müssen, ist derzeit noch sehr niedrig einzuschätzen. Doch Einbußen im Leistungsversprechen sind fast zu erwarten. Entsprechend flexibel sollten Händler in der Entscheidung sein, welche Carrier ihre Pakete ausliefern und dazu mehrfache systemseitige Anbindungen vorsehen – oder managed Services dafür in Anspruch nehmen.
5. Offline-Ware über Online-Kanäle verkaufen
In der Krise gilt: Cash is King! Deswegen müssen Händler, die ihre Ware stationär nicht mehr direkt an den Kunden bringen können, alle möglichen Online-Kanäle nutzen. Kleine Händler ohne eigenen Webshop beginnen damit, Hinweise in die Schaufenster zu hängen, dass ihre Ware auf Instagram zu sehen ist und telefonisch oder per E-Mail bestellt werden kann – bestehende Kundendaten sind natürlich noch vorteilhafter. Eine gute Portion Pragmatismus ist in der Krise gefragt, um die Bestände in positiven Cashflow zu verwandeln. Auch hier sind Marktplätze ein potenzieller Absatzkanal.
6. Ship from Store oder Collect from Store prüfen
Wer über stationäre Bestände verfügt, sollte diese auch für den Online-Handel nutzen und aus der Filiale an den Kunden verschicken. Zudem können Omnichannel-Händler, die lokale Verfügbarkeiten anzeigen können, ihren Kunden anbieten, die Ware im Store abzuholen – und dafür beispielsweise feste Termine mit ihnen vereinbaren. Wer noch keine entsprechenden Prozesse hierfür hat, sollte schnellstens ein passendes Projektteam zusammenstellen.
7. Quarantänemöglichkeiten für Ware aus Krisengebieten schaffen
Die Studienlage ist zwar nicht eindeutig, aber offenbar ist es denkbar, dass sich das Virus auch über Verpackungen beim Wareneingang verbreiten kann. Sollte sich der Verdacht erhärten, muss zumindest Ware, die aus kritischen Regionen über den Luftweg nach Deutschland gelangt, in Quarantäne genommen werden können.
8. Peak-Readiness prüfen
Aktuell verkaufen sich Lebensmittel, aber auch IT-Produkte für die Homeoffice-Ausstattung online wie geschnitten Brot, während der Online-Handel für Mode 20 bis 30 Prozent Umsatzeinbruch vermeldet und der Geschenke-Markt online komplett eingebrochen ist. Doch dieses Bild kann sich schnell drehen. Wenn beispielsweise bis Ostern die stationären Läden geschlossen bleiben, wird der Run auf Ostergeschenke online erfolgen. Auf diesen Peak müssen sich Händler prozessseitig vorbereiten. Dazu zählt übrigens auch, ausreichend Verpackungsmaterial in den Lägern zu haben.
9. Langfristig planen
Die aktuellen Aussagen der Bundesregierung lassen immer noch hoffen, dass der Corona-Spuk schnell vorübergeht. Viele Händler, die aktuell noch nicht ausreichend auf die Krise vorbereitet sind, könnten versucht sein zu glauben, dass es sich jetzt auch nicht mehr lohnt, zu reagieren. Doch ein Blick auf China zeigt, dass die Krise nicht nur in Fünf-Wochen-Szenarien, sondern auch in Zehn-Wochen-Szenarien gedacht werden sollte. Es ist also definitiv noch Zeit, zu handeln. Wer weiter abwartet, wird womöglich untergehen.
10. Für die nächste Krise besser gewappnet sein
Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig Transparenz in der Supply-Chain ist. Multioptionalität ist King. Nur wer über mehrere Handlungsoptionen verfügt, kann erfolgreich durch die rauhe See navigieren. Spätestens jetzt sollten Händler erkennen, wie wichtig es ist, Know-how und Prozesse entsprechend anzupassen. Wer hier in der Vergangenheit seine Hausaufgaben gemacht hat, kann jetzt Wettbewerbsvorteile aus der Lage ziehen.