Sterben im Handwerk
Oft wird heute vom Sterben der Handwerksbetriebe gesprochen. Dieser Artikel versucht die verschiedenen Aspekte zu beleuchten. Vorab zwei überraschende Zahlen von Statista: Von 1997 bis 2021 ist die Zahl der Handwerksbetriebe in Deutschland im Jahr 1997 von 840.000 auf 2021 1.030.000 Betriebe gestiegen, also eine Steigerung von fast 200.000 Unternehmen. Warum entsteht trotzdem in der Öffentlichkeit die Meinung, dass die Zahl zurückgeht? Die Lösung liegt im Fokus der Berichtserstattung: man hört häufig von Bäckern und Metzgern, aber weniger von Zimmerern und Bauunternehmen. Alle betrifft jedoch zusätzlich die unzureichende Fachkräfte- und Auszubildenden Situation.
Ausbildung ist die Basis
Bei der momentanen Ausbildungssituation ist fehlende Attraktivität von vielen Berufsfeldern einer der Gründe: Berufe sind jungen Menschen oft überhaupt nicht bekannt. Das gemeinnützige Unternehmen Technikzentrum in Minden Lübbecke hat z.B. in den letzten 25 Jahren über 1 Million junge Menschen mit Berufsfeldern vertraut gemacht, aber das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mittlerweile gibt es aber auch in fast jeder Schule Berater der Arbeitsagenturen, die bei der Berufsorientierung helfen. Auch IHK’s und Handwerkskammern sind hier aktiv, um junge Menschen an Berufe heran zu führen. Da kann sicher noch mehr getan werden, um die Wissensbasis zu vergrößern. Gleichzeitig müssen auch die Unternehmen umdenken, denn wenig attraktive Arbeitsbedingungen führen dazu, dass sich junge Menschen für andere Berufe entscheiden, oder Fachkräfte wegbleiben. Einige Wenige Betriebe zeigen da heute auf, wie es geht und dort gibt es weder Mangel an Fachkräften noch an Auszubildenden.
Handwerk und Dienstleistung
Bei der generellen Gewerbeentwicklung liegt eine wichtige Ursache im Angebot des Handwerks. Es gibt Betriebe, die Dienstleistungen erbringen wie z.B. Bauunternehmen oder Frisöre und Betriebe, die Produkte herstellen und verkaufen, wie z.B. Metzger oder Bäcker. Betriebe, die Dienstleistungen erbringen, müssen nur die Konkurrenz aus dem eigenen Lager fürchten, wenn Filial-Betriebe entstehen wie im Frisör-, Optiker,- oder KFZ-Handwerk. Hier ist fast immer ein Handwerksbetrieb die Keimzelle dieser Ladenkette aber vereinzelt kommen auch andere Anbieter mit eher industriellem Charakter auf den Markt. Generell ist hier mit wenig Rückgang beim Handwerk zu rechnen, denn die Aufgaben im Bereich der Sanierung sind riesengroß.
Handwerk und Einzelhandel
Anders sieht es aus bei Handwerksunternehmen, die Produkte herstellen und verkaufen. Hier gibt es zwar auch die Filiallösung z.B. beim Bäckerhandwerk, aber es kommt noch eine Vielzahl von anderen Wettbewerbern hinzu. Alle diese Produkte können auch industriell hergestellt werden, in vielen Fällen hat sich hier der Handwerker über Jahrzehnte und Jahrhunderte zum Industrieunternehmer entwickelt. Schuhe, Fleisch und Brot kann man heute an vielen Stellen industriell hergestellt kaufen und das, was dem Schuster passiert ist, ist auch für den einzelnen Bäcker und Metzger zu befürchten. Die einzige Chance ist hier die Spezialisierung auf hohe Qualität, besondere Zielgruppen und neue Angebote. Schuster konzentrieren sich auf Maß Anfertigungen, Bäcker auf bestimmte Brotsorten im Gesundheitsbereich und Metzger arbeiten als Lohnschlachter für landwirtschaftliche Betriebe, die selbst schlachten und vermarkten wollen. Höhe Qualität hat immer seinen Markt, aber man findet die Kunden dazu nicht an jeder Ecke.
Handwerk und Betriebswirtschaft
Immer wieder wird von einer Pleitewelle im Bauhandwerk gesprochen, aber warum das gerade jetzt in einer Phase passiert, wo es sehr schwerfällt, Handwerker zu bekommen, ist ungewöhnlich.
Vielleicht sind die Themenkreise Betriebswirtschaft und Bürokratisierung wichtige Ursachen, denn das sind auch große Hemmschuhe in einem Unternehmen. Ein Handwerksbetrieb, der die Woche über beim Kunden arbeitet und sich am Abend und am Wochenende mit seinen Büroarbeiten auseinandersetzt, macht etwas falsch und beginnt, die Lust an seinem Beruf zu verlieren. Kinder, die ihre Eltern so arbeiten sehen, verlieren ebenfalls die Lust daran, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Das Unternehmen braucht Unterstützung durch Software und bezahlbare externe Hilfe. Vielfach könnten auch geringfügig Beschäftigte, wenn sie entsprechend ausgebildet sind, hier tätig werden. Alles in allem scheint das Thema Handwerkersterben sich nur auf bestimmte Berufsgruppen zu konzentrieren, in der Summe ist die Zahl der Betriebe nach wie vor steigend.