Mitarbeiterzeitung als Führungsinstrument
Warum man mit einer Feile keine dicken Bretter bohrt
Welche Mitarbeiterzeitungen kennen Sie? Und bei welchen würden Sie zu der Einschätzung gelangen, dass diese wirklich bei denen ankommen, für die sie gedacht sind? Nüchtern betrachtet ist die Mitarbeiterzeitung ein Führungsinstrument des Unternehmens und vermittelt einen Einblick in alle Ebenen eines Unternehmens, zeigt Hintergründe und Zusammenhänge innerhalb der Unternehmensprozesse auf. Adressaten sind – das steckt ja schon im Namen – die Mitarbeiter. Sie sollen über die Unternehmensziele und Neuigkeiten aus dem Betrieb informiert werden. Doch dieses maßgeblichste aller Ziele haben die meisten Mitarbeiterzeitungen längst aus den Augen verloren.
Das Vermischen von Kunden- und Belegschaftsbotschaften sind die sichtbarsten Zeichen des Wildwuchses. Mitarbeiterzeitungen gehören nicht als zusätzliche Mailing- und Reminderprodukte in die Hände von Kunden und Lieferanten. Dafür gibt es Kundenmagazine, Newsletter oder Teasermailings. Man hat einfach verlernt, die Mitarbeiterzeitung als Kommunikations-Tool richtig einzusetzen. Auch eine Feile und ein Bohrer sind beides Werkzeuge. Aber ein Loch bekommt man immer noch am besten mit dem Bohrer ins Brett.
So verhält es sich auch mit der Mitarbeiterzeitung, wenn sie beispielsweise efektiv im Change-Prozess eines Unternehmens wirkt.
Spielwiese oder Qualitätsprodukt?
Es hat sich eingeschlichen, dass Mitarbeiter für Mitarbeiter schreiben – wegen der „Authentizität“, wie oft betont wird. Meines Erachtens ist das Waldorfpädagogik und hat mit einem wirkungsvollen Werkzeug nichts gemein. Oder wie es der ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts, E.W. Mänken, verschärft ausdrückt: „(Die Mitarbeiterzeitung) ist eine professionelle, vielleicht sogar eine hochprofessionelle, nicht eine nebenamtliche oder karitative Veranstaltung. Sie ist kein BenefizVergnügen und keine Spielwiese für Laiendarsteller…“ Sicher ist es für die Innensicht wichtig, dass es Informationen aus allen Bereichen und Hierarchien in eine Mitarbeiterzeitung schaffen. Aber das Schreiben ist eine Aufgabe, die in der eigenen Kommunikationsabteilung, beim Pressesprecher oder bei der beauftragten Presse- und PR-Agentur liegt (bitte nicht beim Werbetexter, sondern bei Experten aus dem klassischen Redaktionsbereich). Es ist vor allem das redaktionell-kritische Auge der Presse experten, das dafür Sorge trägt, dass eine Mitarbeiterzeitung auch nicht zur Lobhudelei von Vorständen und Geschäftsführung wird. Der Inhalt einer Mitarbeiterzeitung soll die gleiche hohe Qualität besitzen wie die Produkte, das Wissens-Know-how und die Ausbildung im Unternehmen.
Der Koch macht das Kotelett
In der redaktionellen Verantwortung ist die Mitarbeiterzeitung am besten bei der HR-Abteilung aufgehoben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass aufgrund von Layout-Gestaltung und Bildbearbeitung die Macher vieler Magazine Mediengestalter sind, die sonst Produktbroschüren für das Unternehmen verantworten. Für mich gilt dafür der einfache Merksatz: Der Koch und nicht der Metzger macht das Kotelett. Und da auch viele Köche den Brei verderben können, schiebe ich direkt hinterher: Der Betriebsrat hat keine Mitbestimmungsrechte und -pflichen an einer Mitarbeiterzeitung. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits so geurteilt, weil der eine oder andere Gewerkschaftsvertreter auf Mitsprache – am besten mittels eigener Rubrik – in der Unternehmensgazette gepocht hatte. Den Kochlöfel muss man sich also nicht aus der Hand nehmen lassen.
Wie oft kommt sie raus?
Eine gelungene Mitarbeiterzeitung hat erwiesenermaßen Einfluss auf Change-Prozesse im Unternehmen. Das haben die Bayerischen Arbeitgeberverbände in einer Untersuchung zum Thema Change Management schon vor mehr als einem Jahrzehnt ermittelt (veröfentlicht in der FAZ am 28. Juli 2003): Die Mitarbeiterinformation und deren Motivation sind ein ausschlaggebender Faktor für erfolgreiches Change Management. Aber auch für die Ansprache neuer Mitarbeiter ist die interne Unternehmenszeitung das geeignete Medium. Der unternehmerische Geist ist durch sie spürbar, und auch das Betriebsklima und die Besonderheiten lassen sich mit ihr hervorragend darstellen und vermitteln. Eine gute Mitarbeiterzeitung ist übrigens nur dann erfolgreich, wenn sie regelmäßig erscheint. Faustregel: Bei weniger als vier Ausgaben im Jahr entfaltet sie als Führungsinstrument eher selten Wirkung. Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit sind entscheidend. Und auch das ist schwer umzusetzen, wenn nicht professionell, mit Nachdruck und hoher Priorität an dem Medium gearbeitet wird. In der Praxis haben sich interne Redaktionskonferenzen im Unternehmen bewährt. Hier werden Informationen zusammengetragen und Arbeitsaufträge vergeben. Chefredakteur sollte der Unternehmenspressesprecher sein – alternativ der PR-Profi der Agentur.
Was Gehört rein?
Klar gehören Betriebsfeiern und die Dokumentation von Firmen-Events zum Inhalt der Zeitung. Es darf auch ruhig „menscheln“. Obwohl man von der Mitarbeiterzeitung spricht, handelt es sich meist um eine Mitarbeiterzeitschrift. Daher sind Sonderstilformen wie Reportagen oder Porträts wünschenswert. Dass diese Stilformen eher Seltenheitswert haben, liegt leider häufig an den unerfahrenen Redaktionen. Gleiches gilt für Interviews. Meist als solches angekündigt, verstecken sich dahinter eher „10 Fragen an …“. Gerade bei Interviews mit der Geschäftsführung stellt man fest, dass die spannenden Aspekte fehlen. Der Mitarbeiter traut sich nicht den Schlagabtausch zu wagen, um einem Interview die kritische Würze zu geben. Und übrigens: Für den spürbaren und faktischen Unternehmensgeist sind quantitative Befragungen und statistische Auswertungen durchaus interessant.
Mehr Bewegung durch Bewegtes
Bei allem ist aber immer zu hinterfragen: Warum nutze ich welche Stilform? Was ist das Ziel? Eine Mitarbeiterzeitung darf sich nie als Selbstzweck begreifen. Klassiker wie Kreuzworträtsel oder Lieblingsrezepte sind die Folge von zu wenig (heran)geführten Inhalten und der technischen Besonderheit, über die das Printmedium aufgrund des Druckverfahrens verfügt. Heftklammerung bedingt immer, dass die Seitenanzahl durch vier teilbar sein muss. Das führt zu den beschriebenen Lückenbüßern. An dieser Stelle darf auch einmal darüber nachgedacht werden, ob für die Mitarbeiterzeitung 2.0 Print wirklich noch der alleinige Königsweg ist. Selbst ehemalige Mitarbeiter jenseits der Silver-Surfer-Zeitrechnung (also weit über 70) kennen heute das Internet. Digitale Bewegtbildformate haben so die Chance, neue Impulse in der Mitarbeiteransprache zu setzen. Druckkosten und vor allem Vorlaufzeiten haben damit ein Ende. Auch so kann man den (notwendigen) zeitlichen Druck der Ausgaben etwas entschärfen und natürlich auch Herstellungskosten sparen. Wer glaubt, dass Wertschätzung über ein digitales Medium nicht darstellbar ist, der schreibt sicher auch seine Weihnachtsgrüße nach wie vor auf blütenweißes Büttenpapier. Und Hand aufs Herz: Die Anzahl Personen, die das macht, passt in das Handschuhfach eines Fiat 500.
Was auf keinen Fall fehlen darf, sind professionelle Bilder. Passbilder aus dem Automaten und Handy-Selfieshaben vielleicht Charme, widersprechen aber der Professionalität eines Führungsinstruments. Auch hier rächt es sich, wenn man die Verantwortung für die Bild-Regie in eine Amateur-Liga delegiert. Das Bild ist die erste und schnellste Informationsquelle für unser Gedächtnis. Zuspruch oder Ablehnung entscheiden sich im Bruchteil von Sekunden.
Lange Rede auf den Punkt gebracht: An eine Mitarbeiterzeitung sollten immer die höchsten Qualitätsanforderungen gestellt werden. Und deshalb – um die Eingangsfrage wieder einzufangen – sollte man sich kritisch fragen, wie wertvoll diese in der Unternehmenskommunikation wirklich gesehen wird. Wie nah liegen Anspruch und Wirklichkeit beisammen? Fazit: Wenn Sie Kommunikationswerkzeug brauchen, dann nehmen Sie das passende und nutzen sie es.