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Rhetorik im 21. Jahrhundert

Eingängige „Soundbytes“ und klare Struktur.
Matthias Nöllke | 20.10.2015
Viel hat sich geändert in den vergangenen Jahren: Reden sind schneller geworden, unterhaltsamer und weniger förmlich. Unsere Zuhörer sind ungeduldiger geworden und leichter abgelenkt. Sie erwarten, dass wir rasch auf den Punkt kommen. Gleichzeitig soll die Rede aber auch Spaß machen. Ein bisschen Entertainment wird sogar im Beruf erwartet.

Doch wie hält man heute eine gute Rede? Eine, mit der man die Zuhörer informiert, sie unterhält, aber auch bewegt? Davon handelt das Buch „Starke Worte“ von Dr. Matthias Nöllke, erschienen im Verlag C.H.BECK. Der Rhetorikexperte und gefragte Keynote-Speaker erklärt, worauf es ankommt: Von der Vorbereitung, der Ausarbeitung bis zum Auftritt. Er gibt erprobte Tipps, wie man ein Manuskript gestaltet, wie man mit Lampenfieber fertig wird und wie man seine Sätze so formuliert, dass sie richtig zünden.

Denn ob eine Rede unsere Zuhörer wirklich erreicht, das hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Gibt es eingängige Kernsätze, „Soundbytes“, die in den Ohren der Zuhörer noch lange nachklingen? Dabei genügt es nicht, sie griffig zu formulieren. Man muss sie auch richtig sprechen. Und zweitens: Ist die Struktur der Rede stimmig? Passt der Anfang? Führt er zum Thema hin? Wie bauen die weiteren Teile aufeinander auf? Und natürlich: Wie bekommen wir einen überzeugenden Abschluss hin? Beide Aspekte werden ausführlich behandelt. Neben vielen anderen praktischen Dingen, die ein Redner wissen sollte. Etwa welche Zitate man einsetzen kann oder wie man richtig atmet. Die „Starken Worte“ begleiten den Redner von der Wahl seines Themas bis zu dem Augenblick, da er das Rednerpult verlässt. Unter tosendem Beifall.

Praktische Tipps

Die Drei-Sekunden-Häppchen

Manche Menschen können sehr lebendig und verständlich erzählen. Wenn Sie ihnen aufmerksam zuhören, fällt Ihnen auf: Deren Redefluss ist keineswegs gleichmäßig. Mal ist er schneller, mal langsamer, vor allem aber macht der Sprecher immer wieder kurze Pausen. Die sind außerordentlich wichtig: Für den Sprecher, um zu planen, wie es weitergeht. Für den Zuhörer, um das Gesagte zu verarbeiten. Durch die Pausen wird der natürliche Redefluss also portioniert, es entstehen kleine Häppchen. Und diese Häppchen sind ungefähr gleich lang, nämlich zwischen zwei und drei Sekunden. Die Pause dauert meist nicht länger als eine halbe Sekunde. Machen Sie also immer wieder winzige Pausen. Das müssen Sie sich gar nicht bewusst vornehmen, sondern einfach nur zulassen. Denn es entspricht unserer natürlichen Art zu sprechen. Doch diese natürliche Art kommt uns leicht abhanden, wenn wir eine Rede halten.

Schöpfen Sie den Zeitrahmen nicht ganz aus

Bei den meisten informativen Reden gibt es einen zeitlichen Rahmen, der vorgegeben ist oder auf Erfahrungen beruht. Egal, ob fünf Minuten, zehn Minuten oder eine volle Stunde: Ihre Rede läuft optimal, wenn Sie die Zeit nicht vollständig ausschöpfen, sondern ein wenig früher fertig sind. Wenn Sie sich das fest vornehmen, führt das im Ergebnis meist dazu, dass Sie (als einziger) den zeitlichen Rahmen einhalten. Und wenn Sie wirklich etwas früher enden, nimmt Ihnen das bestimmt niemand übel.

Lassen Sie das Publikum Vermutungen anstellen

Sie können Ihre Zuhörer stärker in Ihr Thema hineinziehen, wenn Sie nachfragen: „Was glauben Sie?“ Auch können Sie das Publikum abstimmen lassen, welche von zwei Möglichkeiten es für wahrscheinlicher hält. Danach sollten Sie es aber nicht länger auf die Folter spannen.

Das stärkste Argument gehört ans Ende

Sie können es sich zur Grundregel machen, dass Sie Ihr Hauptargument als Letztes ins Spiel bringen. Doch auch das erste Argument darf nicht zu schwach sein. Wollen Sie drei Argumente anführen, packen Sie das schwächste in die Mitte. Und sind es einmal vier, steht das schwächste Element an zweiter Stelle, gefolgt von dem nächstschwächeren. Dann ergibt sich nämlich eine aufsteigende Linie. Ihre Argumente werden immer stärker.

Nehmen Sie Vorbehalte vorweg


Hat Ihr Publikum gegen Ihren Vorschlag irgendwelche Vorbehalte, sollten Sie es sein, der sie vorwegnimmt – und entkräftet. Gibt es bei Ihren Zuhörern irgendwelche Befürchtungen, sprechen Sie sie aus und sagen Sie, warum sie unbegründet sind. Dann haben Sie das Publikum auf Ihrer Seite. Nicht jedoch, wenn Sie über diese Vorbehalte hinweggehen.

Vorsicht, Bumerang-Argument!

Es gibt ein klassisches Argument, mit dem Sie Ihre Überzeugungsrede gründlich ruinieren können: Stellen Sie die Vorzüge heraus, die der Vorschlag für Sie persönlich hat. Damit auch allen klar wird, wer hier am Ende profitiert: Sie allein. Erfolgversprechender ist da schon die Gegenstrategie: Sie weisen – nebenbei – darauf hin, dass der Vorschlag für Sie persönlich mit Nachteilen verbunden ist.


Beck professionell
Dr. Matthias Nöllke, Starke Worte, Verlag C.H.BECK, 2015, 228 Seiten, kartoniert € 19,80, ISBN 978-3-406-68122-7