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Darf Security einen schlafenden Gast rauswerfen?

Timo Schutt | 02.06.2015
Vergangene Woche hatte ich im Fernsehen einen Bericht über den Sicherheitsdienst einer Diskothek gesehen. Und ich habe auch gesehen, dass es durchaus richtig ist (besser: wäre), im entscheidenden Moment einfach mal den Mund zu halten, anstatt sich auf ein Terrain zu begeben, von dem man keine Ahnung hat. Denn: Auch ein Türsteher, Ordner oder Security muss bestimmte Regeln beachten.

In der Sendung erdreistete sich ein Gast, in der Diskothek leicht angetrunken einzuschlafen. Die Security erkannte die Gefahr sofort: Sie weckte den Gast auf. Damit schien für die Security die Gefahr aber noch nicht gebannt: Sie warf den Gast auch raus. Nachdem der Gast nach wilden Diskussionen sichtlich genervt an der Garderobe stand, um mit seiner Marke seine Jacke abzuholen, forderte ein Security von dem Gast die Herausgabe der Garderobenmarke. Jetzt schien der Gast die Gefahr neben sich nicht zu bemerken: Nachdem der Gast auf das Herausgabeverlangen nicht reagierte, packte der Security den Gast, hielt dessen Arme auf dem Rücken fest und schob ihn so umklammert vor die Tür. Sein Argument: “Ich lasse mich doch hier nicht zum Hampelmann machen”.

Schauen wir uns das, was da passiert ist, einmal durch die Juristen-Brille an:
• Darf die Security einen Gast aufwecken?
• Darf die Security einen schlafenden Gast rauswerfen?
• Darf die Security die Garderobenmarke herausverlangen?
• Darf die Security den Gast, der auf das Verlangen nicht reagiert, umklammern und festhalten?

Dabei darf nicht verkannt werden: Nur, weil ein solches Handeln oftmals üblich ist, ist es noch lange nicht richtig. Im Einzelnen:

1. Darf die Security einen Gast aufwecken?


Ja. Solange die Diskothek bzw. der Veranstalter nicht explizit Schlafgelegenheiten anbietet, darf man einen schlafenden Gast auch aufwecken.

2. Darf die Security einen schlafenden Gast rauswerfen?

Dazu müsste die Security einerseits das Hausrecht innehaben bzw. ausüben dürfen, ebenso müsste die Security das Recht haben, in den Vertrag zwischen Besucher und Veranstalter eingreifen zu dürfen; andererseits müsste ein Tatbestand vorliegen, der den Rauswurf rechtfertigt.

Ein Rauswurf aus einer Veranstaltung, wenn also der Besucher unfreiwillig gehen muss bzw. gegangen wird, entspricht rechtlich gesehen im Regelfall einer Kündigung des Besuchsvertrages.

Nur: Kündigen darf ein Vertragspartner nicht einfach so, wenn er Lust dazu hat. Das Gesetz oder der Vertrag geben die zulässigen Kündigungsmöglichkeiten vor.

a) Kündigungsrecht aus dem Besuchsvertrag?
Der Veranstalter kann in seinen AGB mögliche Kündigungsgründe mit dem Besucher vereinbaren, z.B. das Mitbringen von Pyrotechnik. Allerdings ist nicht jeder Grund, den der Veranstalter in seinen AGB festhält, nachher auch zulässig. Da es sich bei solchen Regelungen, die oftmals “Hausordnung” heißen, um AGB handelt, gelten für sie auch die AGB-rechtlichen Anforderungen der § 307 ff. BGB.

Mal angenommen, der Veranstalter würde als Kündigungsgrund “Schlaf/Einschlafen” in seine Hausordnung schreiben. Dieser Grund dürfte den Besucher dann “nicht unangemessen benachteiligen”. Das würde er aber, wenn das Schlafen den Veranstalter gar nicht stört bzw. es sich bei dem Schlafen auch um ein menschliches Bedürfnis handelt, von dem keine sonderliche Gefahr für den Veranstalter ausgehen kann (es kann ja auch nicht verboten werden, auf die Toilette zu gehen).

Das Paradoxe: Gerade Diskotheken wollen die Besucher bis in die frühen Morgenstunden bei sich halten. Natürlich kann es passieren, dass dann mal jemand einschläft. Wie aber im geschilderten Fall geschehen, scheint es die Security ja zu schaffen, den Schläfer einfach wieder aufzuwecken.

Das allein kann also kein Kündigungsgrund sein. Man könnte allenfalls darüber nachdenken, dass ein wiederholtes Einschlafen trotz Ermahnung vielleicht ein zulässiger Kündigungsgrund sein könnte.

Oftmals scheitern aber derartige Klauseln schlicht daran, dass sie schon aus formalen Gründen unwirksam sind: AGB müssen nämlich vor Vertragsschluss in den Besuchsvertrag einbezogen und bekannt gemacht werden.

b) Kündigungsrecht aus dem Gesetz?
Die Security bzw. der Veranstalter hat vielleicht ein gesetzliches Kündigungsrecht. Hier kommt nur ein Kündigungsrecht aus “wichtigem Grund” in Betracht (§ 626 BGB bzw. § 626 BGB analog). Dann müsste aber das Einschlafen für den Veranstalter derart unzumutbar sein, dass es für ihn auch nicht zumutbar ist, an dem Vertrag weiterhin festhalten zu müssen.
An dieser Stelle kommen dann oft folgende Argumente: (1.) Der schlafende Gast konsumiert ja nichts mehr, (2.) der schlafende Gast macht einen komischen Eindruck auf andere Gäste, (3.) der schlafende Gast ist ein Sicherheitsrisiko usw.

Mit dieser Argumentation müsste der Veranstalter aber jeden rauswerfen, der seit 5 Minuten an der Bar nichts mehr gekauft hat oder komisch aussieht. Ein Sicherheitsrisiko könnte der schlafende Gast sein, wenn er im Fluchtweg liegt und schläft; allerdings darf allgemein nicht übersehen werden: (1.) Auch der nicht schlafende, aber betrunkene Gast, der nur noch lallen und torkeln kann, ist dann ein Sicherheitsrisiko; (2.) ebenso der Gast, der aufgrund einer Sportverletzung gerade nur langsam gehen kann, oder (3.) der Gast, der aufgrund seiner eingeschränkten Intelligenz gar nicht bemerkt, dass er nun flüchten muss und damit anderen Leuten im Weg steht.

Einer Kündigung wird man übrigens auch oft eine “Abmahnung” voransetzen müssen, gerade bei einem sog. verhaltensbedingten Verhalten wie hier.

Hinzu kommt auch, dass eine Kündigung dann schwieriger wird, wenn der Besucher Eintrittsgeld bezahlt hat.

Das heißt: Ein Kündigungsgrund ist allein durch das Einschlafen nicht gegeben, womit alle späteren Maßnahmen der Security unzulässig sind.

3. Darf die Security die Garderobenmarke herausverlangen?

Warum sollte sie?

Einen Herausgabeanspruch hat derjenige, der einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch darauf hat. Das Gesetz gibt dem Eigentümer einen solchen Anspruch (§ 985 BGB): Der Eigentümer darf sein Eigentum herausverlangen.

Die Diskothek wird vermutlich Eigentümer der Garderobenmarke sein, der Besucher ist dann “nur” Besitzer.

Allerdings darf der Eigentümer von einem rechtmäßigen Besitzer sein Eigentum nicht herausverlangen, bspw. wenn beide einen wirksamen Miet- oder Leihvertrag geschlossen haben und der Besitzer/Besucher damit rechtmäßig im Besitz der Garderobenmarke ist.

Das wäre hier m.E. der Fall, zumal der Veranstalter ja wie oben gesehen keinen zulässigen Kündigungsgrund hat für den Besuchsvertrag; dann fehlt aber auch ein entsprechend wichtiger Grund, den Garderoben-Verwahrungsvertrag zu kündigen. Und im Übrigen: Allein durch eine Kündigung des Vertrages verliert man deshalb noch nicht sein Recht, die Marke noch besitzen zu dürfen – zumal sich im geschilderten Fall der Besucher ordnungsgemäß in die Schlange vor die Garderobe gestellt hatte.

4. Darf die Security den Gast, der auf das Verlangen nicht reagiert, umklammern und festhalten?

Ein solch massiver Eingriff in die (Grund-)Rechte des Besuchers wäre nur erlaubt, wenn die Security selbst bzw. der Veranstalter einen entsprechenden Grund haben würden. Den kann ich hier beim besten Willen nicht sehen:

Wie dargestellt, fehlt ein Kündigungsgrund, weshalb ich den Besucher auch nicht mit Gewalt rauswerfen darf; Gewaltanwendung ist im Einzelfall durchaus erlaubt (sog. Jedermannsrecht).

Allein, weil der Besucher auf das Verlangen nicht reagiert, ergibt sich auch kein solcher Grund; auch nicht, wenn der Security dabei glaubt, dass er sich dann als Hampelmann abstempeln ließe: Auf die persönlichen emotionalen Gefühle des Security kommt es glücklicherweise nicht an. Der Besucher hat schließlich nichts falsch gemacht: Ihm wurde (obgleich rechtswidrig) deutlich gemacht, er müsse die Diskothek verlassen und solle seine Jacke abholen. Er stellt sich in die Warteschlange, ohne Anzeichen von Aggressivität.

Auch ein Rechtsfertigungsgrund (wie z.B. Notwehr) zu Gunsten des Security ist nicht in Sicht.

Vielmehr hat sich der Security strafbar gemacht zumindest wegen Nötigung (§ 240 StGB), evtl. auch wegen Körperverletzung. Der Besucher hätte Anspruch auf Erstattung seines bezahlten Eintrittsgeldes (wenn er welches bezahlt hat) und wohl auch Schmerzensgeld. Hier könnte man ggf. über einen Irrtum des Security sprechen (= der Security glaubte, dass er so handeln durfte); aber auch dies würde ich hier nicht sehen: Immerhin, da Security auch am Einlass einer Diskothek, hat er eine Sachkundeprüfung nach § 34a GewO erfolgreich bestehen müssen, wo er derlei Fragen hätte lernen und damit wissen können.

Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Waetke

Der Sicherheits- und Ordnungsdienst ist ein wichtiges Glied für die Sicherheit der Veranstaltung. Vorfälle wie der oben geschilderte hat natürlich keine Indizwirkung für die Funktionsfähigkeit eines Ordnungsdienstes im Krisenfall. Allerdings macht der Vorfall deutlich, wie wichtig es ist, dass Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes gut geschult werden und ggf. auch auf der Veranstaltung einen professionellen Ansprechpartner haben, an den sie sich bei unklaren Sachverhalten wenden können. Schließlich kann auch aus einem derartigen kleinen Vorfall plötzlich ein großer Vorfall werden, wenn sich der Besucher bspw. gegen den Klammergriff mit Gegengewalt zu Wehr setzt – und dann in dem ohnehin schon baulich eingeengten Ausgangsbereich ein Tumult entsteht, der sich im schlimmsten Fall auf andere Besucher ausweitet.

Dieser zeitweise vielleicht etwas zynische bzw. ironische Beitrag soll nicht die vielfach guten und wichtigen Leistungen der Sicherheitsbranche in ein schlechtes Licht stellen. Aber hier wie überall gibt es natürlich mal “Aussetzer”, die aber genauso oft unnötig und vermeidbar sind.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)