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Weisheit und Unternehmertum gehören zusammen

Bei der Entwicklung des Unternehmenserfolges spielen Begriffe wie shareholder value oder stakeholder value oft eine größere Rolle als der Mitarbeiter.
Ulf D. Posé | 12.10.2014
Weisheit und Unternehmertum gehören zusammen

Bei der Entwicklung des Unternehmenserfolges spielen Begriffe wie shareholder value oder stakeholder value oft eine größere Rolle als der Mitarbeiter. Optimierung des Unternehmenserfolges ist das Schlagwort. Senkung der Lohnkosten durch Stellenabbau ist das oft geübte das Heilmittel. Ulf. D. Posé stellt dieser Idee die Weisheit entgegen. Mit weisen Führungskräften läßt sich der Unternehmenserfolg anders und besser herstellen. Ist Weisheit aber etwas, das sich lernen läßt? Ulf D. Posé meint ja. Er stellt definiert Weisheit, stellt die Kriterien fest, die erfüllt sein sollten, um weise zu entscheiden und zeigt an vielen Beispielen auf, wie sich Weisheit im täglichen Miteinander gerade in Zeiten des Cyperspace und der Globalisierung sicherstellen läßt.

Warum lesen?
Sie erfahren, was Weisheit ist, welche Bedingungen an einen weisen Umgang miteinander geknüpft werden, und wie sich Weisheit realisieren läßt .

Der Fall Karl Werbruch
Karl Werbruch war arbeitslos. Seine älteste Tochter schimpfte mit ihm: „Jetzt hast Du schon immer frei, und doch kümmerst Du Dich nur um Dich. Und Du kannst nichts anderes als mir Vorschriften machen. Jetzt laß ich doch endlich in Ruhe!!“ Karl verstand die Welt nicht mehr: „Ja was denn jetzt? Soll ich mich nun um Dich kümmern oder nicht. Und außerdem, manche Sachen kannst Du noch gar nicht überblicken, da muss ich Dir die Entscheidung abnehmen. Immerhin bist Du erst 16 Jahre alt!“ „Ja und? Ich komme auch gut ohne Dich zurecht. Und ich weiß schon sehr genau, was ich kann, und was nicht. Ich bin alt genug. Und einen Job habe ich im Unterschied zu Dir auch. So!“ Das saß!!. Karl atmete tief durch. Er schwankte zwischen Verzweiflung, weil seine Tochter ja Recht hatte, er hatte keinen job, und dem unterdrückten Gefühl, ihr eine Ohrfeige wegen ihrer bodenlosen Unverschämtheit zu verpassen. Aber er konnte sich bremsen.
Am Abend kam seine Frau von der Arbeit zurück, und auch jetzt gab es Streit. Die Stimmung war sehr angespannt. Als seine Frau ihm dann eröffnete, so könne sie nicht weiterleben, und ob denn eine Trennung, eine vorläufige, jetzt nicht für alle Beteiligten besser wäre, fühlte sich Karl wie der letzte Hund. Umbringen sollte man sich am besten, dieser Entschluß fing bei ihm an zu reifen.
Als dann seien Frau ihn bat auszuziehen, und sich ein Zimmer zu, rief er Fred Klamm an, seinen besten Freund: „Fred, ich bin es leid, ich bin zu nichts zu gebrauchen, das beste ist, ich bringe mich um.“ –

Was kann Fred jetzt in einer solchen Frage tun? Hier ist Weisheit gefragt, ein weiser Rat. Nur ist Fred dazu in der Lage? Was sollte er sagen? Wir wissen, wie Fred sich entschied: Fred machte Karl klar, dass das Leben im Moment für Karl schwierig sei, außerdem sei er, Fred, jederzeit für ihn da, er können immer zu ihm kommen. Und seine Tochter solle er nicht so ernst nehmen, das sei das Geschwätz eines pubertierenden Teenagers. Und das Problem mit seiner Frau würde sich auch lösen, sobald er einen neuen Job hätte: „Karl, Du brauchst nur einen neuen Job, dann ist sicher wieder alles im Lot. Ich werde morgen mit meinem Chef sprechen, vielleicht klappt da was. Kopf hoch Junge, das wird alles wieder, ich bin immer für Dich da.“
Fred hatte das Gefühl, er hätte Karl geholfen, ihm Mut gemacht. Ganz sicher war Fred sich, dass er seinem Freund, die Suizidgedanken ausgetrieben habe. Zumal Karl am Ende des Gesprächs zuversichtlicher gewirkt hatte. Und als Fred auflegte, war er überzeugt, es sei jetzt alles wieder im Lot, sein Freund stabil. Beruhigt verabschiedete er sich von Karl, denn vom Selbstmord konnte ja jetzt keine Rede mehr sein. Am nächsten Tag war Karl tot. Er hatte sich mit einer Plastiktüte über den Kopf umgebracht. Erstickt war er. Fred verstand die Welt nicht mehr.



Die Analyse:
Das Problem von Fred ist, er ist mit seinem Freund nicht sehr weise umgegangen. Gleichzeitig hatte er aus seiner Sicht das Beste für seinen Freund getan. Aber genau das hat Karl mit in dessen Tod getrieben.
Was aber hätte Fred tun sollen? Was ist denn in solch einer schwierigen Lebenssituation ein sinnvoller, weiser Rat? Kann es denn so falsch sein, jemandem seine Selbstmordgedanken auszureden, ihm Mut zu machen und im Gespräch zu beweisen, dass das Leben trotz aller Schwierigkeiten lebenswert ist? – Ja, es kann!!

Dazu muss man sich mit Weisheit beschäftigen. Was Weisheit ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit man von Weisheit reden kann, und wie sie im Alltag praktisch gemacht werden kann.

Verschiedene Arten des Wissens
Also zunächst sollten wir unterscheiden. Es gibt verschiedenen Arten des Wissens. Da ist zunächst einmal:
• das Informations- oder Sachwissen. Wie groß ist die Erde, wieviel ist der Euro wert, welche Kriterien müssen bei der Delegation einer Aufgabe eingehalten werden. Welches Datum haben wir heute, wie lange herrschten die Römer etc. All das ist Informationswissen.
• Daneben gibt es das Erfahrungswissen. Wenn ich meine Finger an eine Flamme halte, dann verbrenne ich mich und ähnliches.
• Zum, dritten kennen wir das Gewohnheitswissen. Ich weiß wie man ein Butterbrot schmiert, ein Auto fährt oder so etwas.
• Und dann gibt es noch das Lebenswissen. Und genau dort spielt sich Weisheit ab. Ein weiser Rat hat also nicht zwingend etwas mit Gewohnheiten, Erfahrungen oder Informationsständen zu tun, sondern mit dem Wissen um das Leben. So kann ein Fünfjähriger Mensch durchaus weiser sein, als ein 60-jähriger Mensch. Weisheit hat nicht zwingend etwas mit dem Alter zu tun.


Was aber genau ist Weisheit, ist Lebenswissen?

Das Lebenswissen als Grundlage der Weisheit
Genau diese Frage haben sich Wissenschaftler gestellt, und sie haben sich zunächst in der Religion bedient zu einer Zeit, in der Weisheit schon einmal eine große Rolle spielte. Weisheit war von alters her eine göttliche Eigenschaft, die z. B. im alten Ägypten zunächst nur einem einzigen Gott, dem Mondgott Thot zugeordnet wurde.
Im Mittelalter war Weisheit der Gipfel aller menschlichen Verstandes- und Erkenntnistätigkeit, den ein guter Mensch anstreben kann. Damals gab es einen Weisheitsbaum sogar. Hier wurde zwischen den freien Künsten und den sieben Kardinaltugenden unterschieden. Der Baum hatte Symbolcharakter Hier sollten sich die Natur als Repräsentant des Charakters und die Philosophie als Repräsentant des Wissens in gelungener Weise zur Weisheit verbinden. Schon damals wurde Klugheit von Weisheit unterschieden. Klugheit war eine dem Verstand zugeordnete Fähigkeit, Weisheit war ausgerichtet auf die Handlungsweisen eines Menschen in denen es um das Verstehen des Ursprungs, Sinns und Ziels dieser Welt, um Wissen ging, das sich mit dem menschlichen Leben und die letzten Dinge wie Tod, Himmel und Hölle beschäftigte. Weisheit war damals also im Gegensatz zur Klugheit sehr eng mit der Religiösität der Menschen verbunden.

Weisheit heute
Die heutige Zeit versucht sich wieder der Weisheit anzunähern. Um Weisheit zu definieren, haben sich Wissenschaftler zunächst bei der Intelligenzforschung bedient. Intelligent ist genau der Mensch, der:
1. Regelmäßigkeiten erkennen kann,
2. Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden kann,
3. Sich konzentrieren kann.
Wissenschaftler haben sich darauf verständigt, dass Weisheit der Gipfel menschlicher Verstandestätigkeit ist. Aber das hilft uns für eine gute Definition noch nicht genügend weiter. Das wußten auch die sich damit beschäftigenden Wissenschaftler. Und so boten sie an, das Weisheit ein geordnetes Lebenswissen ist Damit unterscheidet es sich von Sachwissen, Gewohnheitswissen, Erfahrungswissen und Informationswissen.

Die Definition von Weisheit:
Weisheit ist:
1. Expertenwissen
2. auf dem Gebiet der fundamentalen Pragmatik des tatsächlich realisierten Lebens,
3. das zu besonders ausgewogenen Urteilen und fundierten Ratschlägen bei schwierigen Lebenssituationen befähigt und
4. mit einem hohen Grad an Ungewißheit rechnet.


Weisheit als Expertenwissen:
Wieso ist Weisheit Expertenwissen? Schon hier konnte der Weisheit eine gewisse Arroganz unterstellt werden. Dem ist aber nicht so, denn ein Experte in eine Mensch, der über eine besondere Form von Wissen verfügt, die man auch qualitativ (Nicht quantitativ!!) zuteilen kann. Ein weiser Mensch unterscheidet sich von einem unweisen Menschen eben qualitativ. Und damit ist er ein Experte, da er über keineswegs allen Menschen zugängliche Einsichten über die Grundfragen des Lebens verfügt.

Solche Grundfragen sind Bedingungen, die an ein Leben gestellt werden. Dazu gehören:
1. die individuellen Voraussetzungen eines Menschen. Also seine Talente, sein Charakter, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten, auch das Alter.
2. die sozialen Voraussetzungen, wie altruistisch oder alterozentriert ist der Mensch, über welche Kontaktfähigkeit verfügt er, wie konfliktfähig ist dieser Mensch, über welche Moral verfügt er.
3. Die historiografischen Voraussetzungen, also die sehr persönlichen Erfahrungen mit anderen, die Entwicklung in der Herkunftsfamilie, die Zugehörigkeit zu einem Volk, einer Berufsgruppe.
4. Die Voraussetzungen der Welt , in der ein Mensch lebt, also seine konkrete Umwelt, sein Wohnort, seine Ernährung, die Naturerlebnisse, die er gehabt hat
5. Die Voraussetzungen seiner Grenzhaftigkeit, also die sozialen Grenzen , die er besitzt, zu wem kann er Kontakte pflegen, was ist ihm nicht möglich. Aber auch die Grenze des Geschlechts, seiner musischen , psychischen, handwerklichen Begabungen, die Grenze seiner Dynamik und die Grenze des eigenen Lebens, der Tod.
6. Die kulturellen Voraussetzungen, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Denkweise, Tradition, einer bestimmten Religiösität.

So, damit haben wir eine Standortbestimmung für Weisheit.
Schauen wir einmal in die heutige Zeit, dann müssen wir annehmen, dass Weisheit keine große Rolle spielt, denn kultiviert wird immer das Informationswissen. Internet und Cyberspace lassen grüßen. Wenn wir jetzt das Menschheitswissen aufhören zu kultivieren, gewinnt automatisch das Informationswissen. Und damit besteht die Gefahr, dass wir Menschen funktionalisieren, da uns das Wissen um das Menschsein nicht mehr interessiert. Und damit verlieren Unternehmen Menschen, sie beschäftigen nur noch seelenlose Zombies, Systemagenten, die funktionieren. Wenn sie nicht mehr funktionieren, werden sie ausgetauscht. Aber genau das ist der Ruin des sozialen Miteinanders, und zum Schluß sicher auch der Ruin des Erfolgs. Somit hat Weisheit eine existentielle Bedeutung für jedes Unternehmen, für jede Führungskraft, die nicht nur Führungskraft, sondern auch Führungspersönlichkeit sein will. Eine Führungspersönlichkeit folgt nicht zwingend einem Unternehmen und seinen Leitlinien, sondern sie folgt einem eigenen Stern. Passen diese Leitlinien zu diesem Stern dann folgt die Führungspersönlichkeit auch den Leitlinien, sonst nicht.

Weisheit ist kein Besitz
Das besonders Schöne an der Weisheit ist, dass sie nicht besessen werden kann. Weisheit geschieht, ähnlich wie Liebe, ich kann sie nicht besitzen. So kann ich das Rauschen des Waldes nicht besitzen, das Murmeln des Wassers nicht besitzen, und doch geschieht es. Schon Sokrates wußte darum. Er war so weise zu wissen, dass er nichts weiß (Wahrheit nicht besitzt, und auch nicht wissen kann, ob das, was er weiß wahr ist), darin unterschied er sich qualitativ von seinen Richtern, die zwar auch nichts wußten jedoch vermeinten etwas zu wissen ( also meinten, im Besitz von Wahrheit zu sein). Sein Schüler Platon war der Überzeugung, dass man Weisheit durchsetzen muss, am besten durch einen weisen Herrscher. Und damit stellte er die Weisheit auf den Kopf, denn wer Weisheit ausübt, der ist ein Mensch, nicht ein Herrscher. So dauerte es kaum eine Generation, und schon hatte man sich in Europa von der Weisheit wieder verabschiedet.

Weisheit und Herrschaft vertragen sich nicht
Herbert Wanders ist Abteilungsleiter. Er hat den Marketingplan entworfen. Im Abteilungsmeeting stellt er diesen Plan vor. Sein Mitarbeiter Manfred Klauster meint: „Der Marketingplan nutzt die aktuellen GFK-Zahlen nicht, er bezieht sie zuwenig ein. Das sollte man noch einmal prüfen.“ „Wollen Sie etwa sagen, mein Plan sei falsch?“ Herr Wanders wirkt leicht gereitzt. „nein,, das meine ich gar nicht, ich meine nur, wenn er die GJK-Zahlen nicht berücksichtigt, dann fehlt im möglicherweise ein wichtiges Einflußkriterium. Es sei denn, die GFK-Zahlen sind für den Marketingplan irrelevant.“ „Ob diese Zahlen eine Rolle spielen oder nicht, muss ich ja wohl wissen. Ich und ich sage Ihnen, dieser Plan ist perfekt. Er hat alle relevanten Kriterien berücksichtigt. Und dazu gehören GFK-Zahlen eben nicht.“ „Und warum nicht“, wollte sein Mitarbeiter wissen. „Ich weiß, dass diese Zahlen keine Rolle spielen, das reicht ja wohl.“ Für Herbert Wanders war der Fall damit erledigt. Für seinen Mitarbeiter hatte er in seinem persönlichen Notizbuch ein paar negative Zeilen vorgesehen. Was fällt dem wohl ein? Herr Wanders fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Dabei hätte es sicher Sinn gemacht, eine Überprüfung vorzunehmen, ob denn solche Zahlen für den Marketingplan wichtig sind oder nicht. Aber dazu war Herr „Wanders nicht bereit. Schließlich war er der Abteilungsleiter.
Damit hatte sich Herr Wanders von Weisheit weit entfernt.

Warum kann es den weisen Abteilungsleiter oder Herrscher nicht geben? Nun, weil in der Weisheit auch immer ihr Gegenteil steckt, die Unweisheit. Das eine bedingt das andere. Sobald ich herrsche, besteht die Gefahr,, dass ich dogmatisiere, mich durchsetze . Damit setze ich etwas absolut. Und mit dieser Setzung verkehrt sich Weisheit in ihr Gegenteil.
Ich muss relativieren an Bedürfnissen und Situationen. Denn dieses absolute Wissen verkennt, dass ein Mensch nicht frei sein kann von Irrtümern und Täuschungen. Und diese kann ein Dogmatiker, ein Herrscher nicht mehr minimieren, weil er ein anderes Urteil, eine andere Erkenntnis nicht gelten läßt. Und ob seine Erkenntnisse nicht doch von Irrtümern und Täuschungen durchsetzt sind, entgeht ihm eben durch diese Dogmatik. Und damit wird er unweise.

Der Unterschied zwischen Weisheit und Unweisheit
Weisheit und Unweisheit unterscheiden sich qualitativ. Zu solchen Unterschieden gehören:
1. Ein weiser Mensch versucht Irrtümer und Täuschungen zu minimieren. Ein unweiser Mensch schließt als Dogmatiker Irrtümer und Täuschungen aus.
2. Alles, was uns sinnvoll, nützlich und brauchbar erscheint, ist immer auch unnütz, unbrauchbar unsinnig. So besteht immer die Gefahr, dass sich das Gegenteil realisiert. Ein Mensch, der etwas unter allen Umständen für nützlich, brauchbar und sinnvoll erachtet ist unweise. So hat „unser“ Rennfahrer Michael Schumacher anläßlich der Diskussion über das Verhalten deutscher Hooligans während der Fußball-WM in Frankreich laut darüber nachgedacht, dass man gefährliche Hunde einschläfert, und er schlug vor, sich zu überlegen, ob man dass nicht auch mit den Hooligans machen soll. Eine Überlegung, die nicht gerade von Weisheit strotzt, ob wohl er an vielen Stammtischen für seine Überlegung Zustimmung erhält.
3. Ein weiser Mensch stellt Selbstverständlichkeiten in Frage. Nur indem sich die Welt verändert, die Dinge verändern, bleiben sie gut, bleibt das Wahre wahr, Das Nützliche nützlich, das Kluge klug. Ein Mensch, der im Käfig seiner Wahrheiten trohnt und seine Selbstverständlichkeiten für immer richtig und immer sinnvoll erachtet, ist qualitativ unweise. Der weise Mensch, weiß, dass seine Selbstverständlichkeiten nur für ihn selbst verpflichtend sind. Jeder Mensch hat für ihn das Recht, sich an andere Selbstverständlichkeiten zu binden, aber niemand hat das Recht, diese Verbindlichkeiten auf andere Menschen zu übertragen, für sie verpflichtend zu machen.
4. Ein weiser Mensch kann differenzieren. Er ist in der Lage, komplexe Sachverhalte möglichst realistisch reduzieren können. Er negiert sie nicht. Das differenzierte Denken ist eine Methode, komplexe Sachverhalte so weit zu vereinfachen, dass sie möglichst ohne wesentlichen Verlust an Parametern zu Aussagen führen, die differenziert sind. Der unweise Mensch verliert sich in komplexen Sachverhalten.
5. Der weise Mensch denkt in Alternativen. Es gibt für ihn zu jeder Vorgehensweise auch noch eine andere Möglichkeit. So denkt er nicht adversativ, sondern eben alternativ. Der unweise Mensch denkt nicht alternativ sondern adversativ. Ihm ist es wichtig, etwas zu widerlegen. In nicht wenigen Unternehmen sind die Konferenzen geprägt durch adversatives Denken. Die Mitarbeiter wollen sich gegenseitig widerlegen, und nicht herausfinden, was bringt uns sinnvollerweise in dieser oder jener Sache weiter.
6. Ein weiser Mensch versucht, sich auf die Wertvorstellungen, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse anderer Menschen einzustellen, der unweise Mensch versucht das nicht. Der unweise Mensch überträgt seine Werte, Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen auf andere. So macht er sie für andere verpflichtend.

Ein 400-jähriger Fehler
Es steht zu vermuten, dass wir schon seit rund 400 Jahren recht unweise leben. Politiker geben vor, sie wüßten, was für die Bürger richtig ist. Die Kirche weiß, was man zu glauben hat, wer anders glaubt, ist im Unrecht, Wissenschaftler halten ihre Theorien für wahr und verpflichtend für andere. Nicht wenige Wissenschaftler haben vergessen, dass das Wesen aller Wissenschaft nicht ist, Wahrheiten zu entdecken, sonder Irrtümer zu minimieren. Selbst die Philosophie hat spätestens seit Descartes gewußt, was wahr und richtig ist und damit eigene Wertsetzungen für andere verpflichtend gemacht. „Cogito ergo sum“. Ich denke, also bin ich! Wer nicht denkt, kann also nicht sein? Obwohl, das sei hier fairerweise erwähnt, Descartes selbst diesen Denkfehler nicht beging. Er hat seinen berühmten Satz noch garniert mit: „Vorausgesetzt ein gütiger Gott schützt mich vor allzu großen Irrtümern.“ Aber genau diesen Nachsatz haben die nachfolgenden Philosophen vergessen, einfach unterschlagen. Und alle, Polititk, Wirtschaft, Kirche und Wissenschaft haben immer ihre Werte, Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen absolut gesetzt. Die WEIB´s anderer interessierten sie nicht oder sie mussten falsch sein.

Ein erstes Fazit:
Weisheit gründet in zwei Kriterien:
Basiskriterium: das Wissen um die Gegebenheiten des Lebens und das Wissen um die Strategien, diese Erkenntnisse im täglichen Leben praktisch anzuwenden.
Metakriterien: Ein Wissen um den Lebensverlauf, um die Relativität nahezu aller Wertsetzungen, da Wissen um die Tatsache, dass alle Entscheidungen Entscheidungen unter Unsicherheit sind, also niemals irrtumsfrei und täuschungssicher sein können. (Und wenn sie es doch sind, dann sind wir aufgrund des Menschseins nicht in der Lage, dies zu erkennen. Denn wir sind seit Aristoteles Wesen, die alles nur auf die Weise des Erkennenden erkennen können).
Diese Metakriterien regeln die Lebensplanung eines Menschen, seine Art, das Leben zu bewältigen und beeinflussen den Lebensrückblick. Weisheit ist also ein Lebenswissen, das sich von anderen Formen des Wissens (Fachwissen, technisches Wissen oder auch wissenschaftliches Wissen) fundamental unterscheidet. Weisheit gibt uns eine Orientierungsmöglichkeit, den Alltag optimal zu meistern. Und so kann man Weisheit auch als einen Teil des Alltagswissens begreifen.

Weisheit und der Fall Karl Werbruch
Versuchen wir einmal das bisher Gelesene auf den Fall von Karl Werbruch anzuwenden. Sie erinnern sich? Arbeitslos, Konflikte mit der Tochter, seine Frau will sich von ihm trennen. Was hätte der beste Freund Fred tun können, um den Selbstmord zu verhindern?
Nähern wir uns dem Fall durch die Differenzierungsmöglichkeit. Zunächst einmal ist wichtig zu sagen: Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod. Er ist mit keinem anderen vergleichbar.
Eine erste Frage für Fred ist es, ob er schon so sehr in seinen psychischen Strukturen gefestigt sind, dass er in der Begegnung mit den Problemen seines Freundes praktisch nur noch eigenen Zwängen gehorchen.

Der Mensch kann Differenzierung lernen. Das bedeutet, er muss in der Lage sein, seine eigenen Vorstellungen und Überzeugungen zurückzustellen und sich voll und ganz auf die Vorstellungen und Überzeugungen seines Freundes einstellen.

Zwei Arten der Differenzierung:
Schauen Sie sich einmal eine mögliche Differenzierung für einen Selbstmord an. Ein aktuelles Programm eines selbstmordgefährdeten Menschen kann folgendermaßen aussehen:


Aktuelles Suizidprogramm

Ausweglosigkeit
Einsamkeit



Nicht geschäftsfähig geschäftsfähig



Depression Alzheimer aktuelle Depression Bilanz
psychotisch Situation neurotisch
Alkoholprobleme
Drogen

Die Differenzierung in der Sache:
Es gibt also durchaus sehr verschiedene Sorten des Suizids:
1. Der Suizidversuch.
Der Versuch soll auf keinen Fall tödlich ausgehen. Hier wird appelliert.
Die meisten Tabletten-Suizide gehören dahin.
2. Der echte Suizid
Hier wird unterschieden zwischen Depression und bilanziertem Suizid

A) Der depressive Suizid.
drei Dinge sind wesentlich:
1. eine genetische Disposition
2. eine Fehlverarbeitung zumeist in früher Kindheit.
3. ein aktueller Auslöser.
Je stärker die beiden ersten Faktoren sind, um so geringer kann der Dritte sein. Da reicht vielleicht eine Beleidigung oder Kränkung schon aus.
Diese depressive Form des Suizids kennt nur eine Hilfe: für den anderen da zu sein. Argumentieren hilft nicht. Diskutieren noch weniger.
Für den Depressiven ist es durchaus sinnvoll und hilfreich, ihn für einige Tage in einer geschlossene Anstalt unterzubringen, bis der depressive Schub vorbei ist oder abgeklungen ist.
Fred hätte also seinem Freund sagen können: „Warte, ich bin gleich bei Dir.“ Dann hätte er sofort zu ihm fahren können, und Karl reden lassen. Zuhören, bei Karl bleiben, in reden lassen, bis es nichts mehr zu reden gibt, das hätte helfen können. Nicht selbst argumentieren!
Jedes sich aufdrängen, jede Empfehlung, jedes Wegdiskutieren oder deutlich machen, wie schön das Leben doch eigentlich ist, kann den Entschluß zum Suizid nur noch beschleunigen!! Zuhören, Streicheln und Umarmen ist wichtig. Reden ist gefährlich!!!

Der Umgang mit Depressiven
Für den Umgang mit Depressiven reicht allerdings das normale Wissen eines normalen Menschen in aller Regel nicht aus.
Das Schlimme im Umgang mit Depressiven ist, dass wir alle eine persönliche Erfahrung mit einer bestimmten Form der Depression hatten, nämlich mit der Trauer. Diese Erfahrung führt zu der falschen Annahme, wir würden den Depressiven verstehen, wie wir unsere eigene Trauer verstanden haben. Wir behandeln den Betreffenden entsprechend, weil wir meinen, er würde nur in merkwürdiger Weise trauern. Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung. So besteht die Gefahr, dass Laien etwas Falsches machen. Und so könnte auch Fred hier etwas falsch gemacht haben.

Etwa die Hälfte der Menschen hat im Laufe ihres Lebens wenigstens einen depressiven Schub. Solche Schübe erkennen wir an:
• Appetitlosigkeit,
• Körpergewicht nimmt ab
• Einschlafstörungen
• Durchschlafstörungen
• die Stimmung ist saumäßig
Damit ist fraglich, ob Depression eine Anomalie ist oder nur eine Krankheit, wie ein grippaler Infekt.

B) Der Bilanz-Suizid
1. Hier gilt es für Fred, zu versuchen, die Bilanz zu verstehen.
2. Wichtig für Fred ist es, dem Gespräch die Dramatik zu nehmen. Vielleicht zur Begrüßung Karl zu bitten, erst einmal einen Kaffee zu kochen und sich unverkrampft gemeinsam zusammen zu setzen.
3. Wichtig für Fred ist es auch, seinen Freund Karl wählen zu lassen, was er für richtig hält.
4. Fred sollte Karl erzählen lassen bis nichts mehr da ist, was er erzählen kann. Vielleicht erkennt Karl dadurch, dass seine Bilanz noch Lücken auf der Positiv-Seite hat, die es zu füllen gilt.

In der Methode der Differenzierung kann man jetzt weiter unterscheiden. Bei Bilanz-Suiziden gibt es nämlich die langfristig erarbeitete Bilanz und die kurzfristige Bilanz.
Beispiel: Ein Aids-Kranker entschließt sich lange vor seinem Selbstmord zum Suizid, weil er nur noch so lange leben will, bis er sich selbst nicht mehr helfen kann. Als es soweit ist, bringt er sich um.
Ein zweiter Suizid geschieht kurzfristig bilanziert. Ein erfolgreicher Trainer erfährt, dass er Kehlkopfkrebs hat und entschließt sich am gleichen Tag, aus dem Leben zu scheiden.

Die Differenzierung in der Person:
So kann Fred noch in der Person differenzieren. Um welche Art von Persönlichkeit handelt es sich bei Karl usw.
Diese Differenzierung in der Person geschieht nach den Werten, Erwartungen, Interessen und Bedürfnissen (WEIB´s) von Karl:

Werte Erwartungen


Bedürnisse Interessen


Fred sollte versuchen herauszufinden, was sind denn nun die Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse seines besten Freundes. Wobei zu bedenken ist, dass die WEIB´s eine dialektische Einheit bilden. Die Veränderung bei nur einem bedeutet immer auch eine Veränderung bei den drei anderen.

Über einen dieser vier Pole gilt es nun für Fred, einen Zugang zu seinem Freund zu finden. Vermutlich wird ihm das leicht fallen, da die beiden ja befreundet sind. Und Nähe und Freundschaft setzt auch immer ein gewisses Maß an Gemeinsamkeiten voraus. Das gilt allgemein. Jeder Mensch, der in einer Lebensnot ist und uns Lebenswissen abverlangt benötigt die gleiche Unterscheidung.

Die Gefahr, der Fred unterliegt ist, dass er vielleicht meint, seinen Freund so gut zu kennen, dass er ihn besser versteht als Karl sich selbst. Das Verstehen-können ist hier eine besondere Gefahr. Sobald Menschen meinen zu wissen, wer der andere ist, weil sie denken, sie verstünden ihn, verstehen sie nur noch sich selbst im anderen. Und damit verliert man den anderen Menschen ohne es zu merken. Dazu muss ich die WEIB´s kennen. Und dazu muss der andere zum reden gebracht werden.

Fazit:
Man sollte keine Suizid-Androhung (und sollte sie noch so versteckt sein)
überhören!!!
Die meisten Menschen haben ein eher verkrampftes Verhältnis zum Suizid. Dadurch ist es schwer sich in solch einer Situation weise zu verhalten.
Jeder Mensch der trauert oder der depressiv ist, hat ein großes Einsamkeitsbedürfnis. Das gilt es zu respektieren. Die Minimalrespektierung heißt: „Ich bin zwar da, aber ich rede nicht mit Dir.“
Einsam zu sein, ohne allein sein zu dürfen ist die Hölle. Einsamkeit ist nur erträglich, wenn man allein sein darf.

Weisheit und Unternehmertum
Für Führungspersönlichkeiten gibt es zwei wesentliche, führungsrelevante Voraussetzungen, die psychischen und sozialen Bedingungen der Weisheit. Sie zu kennen und zu leben, nicht sie zu beteuern, sagt etwas über weise Führungspersönlichkeiten aus.

1. Die psychische Bedingungen
a) Die Führungspersönlichkeit verfügt über Empathie = Einfühlungsvermögen. Empathie ist übrigens unabhängig von Sympathie und Antipathie. Das Feedback sollte so sein, dass der Mitarbeiter sich darin auch wiedererkennen kann.
Hier liegt der Fehler vieler Führungskräfte, die sich um das Selbstkonstrukt des Mitarbeiters gar nicht kümmern. Das Selbstkonstrukt meines Mitarbeiters darf ich nicht fahrlässig in Frage stellen. Führungspersönlichkeiten versuchen in einer gelingenden Weise das Selbstkonstrukt des Mitarbeiters zu dynamisierten, nicht zu vernichten.
b) Die Führungspersönlichkeit verfügt über Ich-Stärke. Sie sollte in der Lage sein, nicht jeder Regung sofort nachzugeben. Ich-starke Führungspersönlichkeiten handeln stets so, dass sie auch im Nachhinein mit ihrer Handlungsweise einverstanden sein können. Die Handlungsweise einer Führungspersönlichkeit richtet sich nach selbstgewählten, obersten handlungsleitenden (HDL-) Werten. Sie richtet sich nicht aus nach autonomen Regungen, die ohne Wille und Einsicht ablaufen, auch nicht nach Überich-gesteuerten Vorstellungen, sogenannten „Man-Muss-Normen“ (man muss brav sein, man muss tun, was Vorgesetzte sagen, man muss gehorchen, man muss..., man muss....)
c) Die Führungspersönlichkeit verfügt über personale Toleranz. Personale Toleranz meint, das Anders-sein eines Mitarbeiters zu respektieren. Manche Führungskräfte scharen nur Mitarbeiter um sich, die ihnen ähnlich sind. Führungspersönlichkeiten schätzen das Anders-sein.
d) Die Führungspersönlichkeit beherrscht das produktives Denken gegen Regeln . Realistisches Denken gegen vorhandenen Regeln ist das Wesen der Kreativität. Nichts für selbstverständlich zu halten, alles auch In-Frage-Stellen-Können, ist hier wesentlich.
e) Führungspersönlichkeiten besitzen Menschheitswissen. Sie können in Alternativen denken, und bieten diese Alternativen auch als zusätzliche Möglichkeit bei einer anstehenden Entscheidung an.
f) Führungspersönlichkeiten sind authentisch. Sie leben ihr Leben, kein Leben aus zweiter Hand.

2. soziale Bedingungen
a) Führungspersönlichkeiten besitzen Menschenliebe. Sie mögen Mitarbeiter wegen ihres Menschseins. Führungspersönlichkeiten besitzen nicht ein Urmißtrauen Mitarbeitern gegenüber, sondern ein Urvertrauen. Sie mögen Menschen gern.
b) Führungspersönlichkeiten besitzen das, was die alten Griechen agape nannten. Agape ist noch mehr als personale Toleranz. Sie ist sozusagen ihre Steigerung und die Basis der Liebe. Es bedeutet das Sein des anderen zu wollen. Solche Führungspersönlichkeiten sagen: „Ich möchte, dass Sie der sind der Sie sein können oder der werden der sie sind, auch wenn es mir nicht paßt.“
c) Führungspersönlichkeiten besitzen Überzeugungsvermögen. Hier ist nicht die Überzeugungstechnik aus einem Rhetorikseminar gemeint, sondern die Überzeugungskraft. Diese hat etwas mit Glaubwürdigkeit, Authentizität und Redlichkeit zu tun. Zu diesem Überzeugungsvermögen gehört auch:
 Trost in der Trauer (einen Mitarbeiter ernst nehmen)
 Alternativen anbieten und nicht adversativ denken
 dominante Steuerungen des Mitarbeiters bedenken können und . berücksichtigen. Wodurch wird ein Mitarbeiter überwiegend in seinem Handeln geleitet?
Beispiel:
Werner Grotewohl bekommt das Angebot, eine gut dotierte Stelle im Konzern anzunehmen. Allerdings ist es mit einer angenehmen Beschaulichkeit dann vorbei, er muss sehr viel reisen. So wird er wahrscheinlich eine Art Wochenendehe zukünftig leben müssen.
Wäre Werner Grotewohl ES-gesteuert, dann würde er die Sache wahrscheinlich annehmen. Spontan freut er sich auf eine attraktive Veränderung in seinem Leben oder er freut sich über den Karrieresprung. Nun sagt aber sein Vorgesetzter, dass er nicht in seiner Heimatstadt bleiben kann, sondern weltweit reisen muss.
Wäre Herr Grotewohl Überich-gesteuert, dann würde er sagen, ein anständiger Vater verläßt seine Familie nicht, und lehnt ab.
Nun sagt die Ehefrau in einer Außensteuerung privater Natur, dass sie es auf keinen Fall einsieht, dass sie eine Ehe aus dem Koffer oder nur zum Wochenende hin leben kann. Sie würde sich scheiden lassen, wenn er den Job annimmt.
Wenn Werner Grotewohl die Trennungsandrohung seiner Holden ernst nimmt, lehnt er den Job ab. Das Ende seiner Ehe riskiert er nicht.
Wenn Werner Grotewohl dominant von seinem Chef gesteuert ist, dann hört er auf diesen. Sagt dieser: „Wer bei uns ein solchen Angebot ausschlägt, bekommt keine zweite Chance, und außerdem spricht sich das in der Branche herum“, dann nimmt Herr Grotewohl aufgrund einer dominanten beruflichen Außensteuerung an. Führungspersönlichkeiten wissen um solche Steuerungen, und sie wissen auch, welche dominant bei ihren Mitarbeitern eine Rolle spielt. Man sollte ausfindig machen, wie ist ein Mensch dominant gesteuert. Das sollte man schon deswegen, weil man nicht den Fehler machen sollte, gegen dominante Steuerungen im Zustand des Friedens zu verstoßen. Denn dann erzeuge ich einen überflüssigen Konflikt.

d) Führungspersönlichkeiten achten auch die dominante Steuerung bei kritischen Auseinandersetzungen
Wenn ich einen absolut ehrgeizigen Menschen in seinem Ehrgeiz verkürze, dann erzeuge ich einen überflüssigen Konflikt.
Wenn ich bei einer Steuerung durch das moralische Gewissen von einem Mitarbeiter etwas verlange, was gegen sein moralisches Gewissen verstößt, erzeuge ich einen überflüssigen Konflikt.
Dominante Steuerungen ermittelt man:
 Über die Vermutung
 Über den Versuch und Irrtum
Führungspersönlichkeiten sollten von ihren wichtigsten privaten und beruflichen Partnern die dominanten Steuerungen kennen, damit man keine unnötigen Konflikte produziert.
Die Berücksichtigung der dominanten Steuerung vereinfacht den Führungsprozeß enorm. Wenn ich weiß, mein Mitarbeiter ist besonders ehrgeizig, dann sollte ich wissen, dass ich nicht gegen den Ehrgeiz meines Mitarbeiters schwierige Aufgaben bewältigen kann, sondern nur mit Einsatz des Ehrgeizes.
Oder ein zweites Beispiel: Ist jemand mit Siegzwängen behaftet (das erzeugt oft die schwierigsten Konflikte), dann muss ich tatsächlich in Kauf nehmen, mich auch als Führungspersönlichkeit einmal von meinem Mitarbeiter besiegen zu lassen. In einer ruhigen Situation kann ich ihm dann beibringen, dass er sich nicht einbilden sollte, das sei die Regel.
e) Führungspersönlichkeiten besitzen Konfliktfähigkeit. Konfliktfähig ist eine Führungspersönlichkeit genau dann, wenn:
 Sie notwendige und überflüssige Konflikte von einander unterscheiden kann
 Sie lösbare von unlösbaren Konflikten unterscheiden kann.
 Sie notwendige Konflikte mit einem Minimum an physischem und sozialem Aufwand bei sich und dem Konfliktpartner durchführen kann
 Sie überflüssige Konflikte vermeidet
 Sie mit lösbaren Konflikten leben kann
Konfliktfähigkeit ist ein Sonderfall von Weisheit.
Therese von Avilar hat hierzu einmal gesagt: „Lieber Gott, gib mir die Kraft, das zu ändern, was ich ändern kann; die Geduld, das zu ertragen, was ich nicht ändern kann, und die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden.“
f) Führungspersönlichkeiten besitzen das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Mitarbeiter und sie vertrauen ihren Mitarbeitern. So entsteht ein gutes Betriebsklima. Solch eine Vertrauensfähigkeit sorgt dann auch für einen dauerhaften Erfolg. Sinnlose Konfrontation findet nicht statt.
g) Eine Führungspersönlichkeit lernt permanent. Sie weiß, dass nahezu alles Wissen von begrenzter Haltbarkeit ist. Und sie weiß, dass sich Wissen immer wieder erneuert.
h) Führungspersönlichkeiten besitzen kommunikative Fähigkeiten. Solche Fähigkeiten sind:
 keine verdeckte Kommunikation. Verdeckt ist eine Kommunikation dann, wenn ich über ein Wissen verfüge, das zu einer kommunikativen Handlung führt, aber dem Betreffenden nicht mitgeteilt wird.
Beispiel:
Der Chefarzt eines Krankenhauses wird zum Verwaltungschef bestellt. Der teilt mit, dass die Bestellung eines Assistenzarztes nicht genehmigt wird, weil der neue Arzt nicht qualifiziert genug sei. Der tatsächlich Grund ist, dass der Chefarzt seinen Etat überzogen hat.
Verdeckte Kommunikation sagt den eigentlichen Grund nicht, schiebt sekundäre Gründe vor. Verhöre sind sehr häufig verdeckte Kommunikation.
 Keine entwürdigende Kommunikation. Entwürdigend ist Kommunikation dann, wenn ich meine Mitarbeiter funktionalisiere. Ich sehe sie nicht mehr als Person, sondern nur noch ihre Funktion.
 Keine Spiele spielen. Hier wird auf dem Erwachsenenlevel Kommunikation betrieben. Der Mitarbeiter nimmt aber die Rolle des Erwachsenen nicht an, sondern spielt auf der Eltern-Ich-Ebene. So dränge er den anderen in eine Kind-Ich-Ebene. Dazu gehören die typischen Ja-aber-Spiele in einem Unternehmen: „Sie haben ja Recht, aber.....“. Oder Schuld-Spiele: „Warum hast Du das getan oder nicht getan...“ Warum kommst du so spät nach Hause?“ Der Zweck ist das Kleiner-machen des anderen.
 Keine angemaßte Herrschaft ausüben. Die Herrschaft ist dann angemaßt, wenn ich meine Mitarbeiter einschüchtere. „Wenn Sie das nicht wollen, dann haben Sie sich die Folgen selber zuzuschreiben." Oder: "Ach, Sie wollen eine Gehaltserhöhung? Ja, wie alt sind Sie denn? Meinen Sie, Sie finden noch woanders eine vergleichbare Stelle?“.....
i) Führungspersönlichkeiten denken multioptional, sie hüten sich eher vor guten Ratschlägen.

Die Praktikabilität von Weisheit
Soll Weisheit Erfolg haben, dann muss sie sich im täglichen Leben praktisch machen lassen. Die Praktikabilität der Weisheit wollen wir nun untersuchen an der Multioptionalität in Wirtschaft und Politik und an der Orientierung an handlungsleitenden Werten einer Führungspersönlichkeit.

Weisheit in einer multioptionalen Gesellschaft.
Was bedeutet eigentlich multioptional? Wir stehen in einer Welt in der der Mensch ein hohes Maß an verschiedenen Möglichkeiten, Optionen hat.
Das betrifft:
• die Berufswahl = Zünfte und Stände kannten früher nur, dass der Sohn den Beruf des Vaters wählte. Heute ist die Auswahl wahrlich sehr groß, wenn man von der hohen Arbeitslosigkeit einmal absieht, und grundsätzlich denkt.
• die Partnerwahl = Alle Sorten und Möglichkeiten der Partnerwahl werden von der Gesellschaft mittlerweile toleriert und sie werden auch wie selbstverständlich eingegangen. (Mann liebt Frau, Frau liebt Frau Mann liebt Mann). Und sie können auch relativ leicht gelöst werden. Bitte bedenken Sie, dass erst kürzlich die gleichgeschlechtliche Partnerschaft auch von der Kirche gesegnet werden wollte. Das hätte früher zu Protesten und Gefängnis geführt.
• Wir haben die Möglichkeiten uns zu verändern
• Wir können unseren Wohnsitz frei wählen auf der ganzen Welt.
• die Theorie des permanenten Lernens
• technische Entwicklung

Wir unterscheiden zwei Sorten von Multioptionalität.:
1. gesellschaftliche Multioptionalität Multioptionalität bedeutet für die Menschheit, den Zwang zu erleben, alles was getan werden kann auch zu tun. Denken Sie nur an die Bombe von Hiroshima. Sie wurde wurde von Vertretern aller Konfessionen gesegnet.
2. persönliche Multioptionalität Multioptionalität bedeutet für den Einzelnen, in allen Lebensbereichen viele Möglichkeiten zu haben, die gesellschaftlich anerkannt sind.

Die Gefahr solch einer Multioptionalität ist zweifach. Die Vielzahl der Optionen führt entweder zur Orientierungslosigkeit oder zur Wahrnehmung der Nulloption. Die Folge ist, ich lebe ein Leben aus zweiter Hand. Und genau vor solch einem Leben aus zweiter Hand schützt jetzt Weisheit.

Weisheit hilft also, der Orientierungslosigkeit und der Nulloption zu entgehen.
Der Sinn des Coachings z. B. ist es, Menschen, die nicht mehr multioptional denken können zu helfen, wieder zur sinnvollen Wahrnehmung von multioptionalem Denken zu verhelfen.

Schauen wir uns einmal die Nulloption und die Desorientierung oder Orientierungslosigkeit im Zusammenhang mit Weisheit etwas genauer an.

Die Nulloption:
Es ist erschreckend, wie viele Menschen sich der Nulloption überlassen. Deren Motto scheint zu sein: „Ich will nicht entscheiden, ich kann nicht entscheiden, ich lasse entscheiden.“ So entsteht das Leben aus zweiter Hand. Die Menschen werden gelebt.
Im Unterschied zur gesellschaftlichen Multioptionalität wird von der einzelnen Person die Multioptionalität allerdings nicht zwanghaft erlebt.
Beispiel: Ich lebe in einer Partnerschaft. Gleichzeitig kenne ich viele andere mögliche Partner oder Partnerinnen. Damit kenne ich viele Optionen, jedoch ist keine so attraktiv, wie die Beziehung, in der ich derzeit lebe.

Die Nulloption hat viele Gesichter: Verzweiflung gehört dazu, auch Mutlosigkeit. Es kann auch sein, dass ich recht glücklich bin, obwohl ich gelebt werde
Wird ein zufriedenes Leben in einer Nulloption gelebt, dann ist nicht erforderlich von außen dem Mitarbeiter zu helfen, aus dieser Nulloption herauszukommen. Nicht wenige Menschen sind mit ihren Nulloptionen sehr zufrieden. Man sollte ihnen diese Zufriedenheit nicht fahrlässig nehmen. Eine weise Führungspersönlichkeit wäre hier sehr vorsichtig und zurückhaltend. Der Grund: ich mache meine Lebensform nicht für andere verpflichtend. Das Angebot, jemandem zu helfen der Nulloption zu entgehen ist nur dann notwendig, wenn die Nulloption zum Leid führt.
In Wirtschaft und Politik neigt man eher zur Nulloption. So ist die deutsche Wirtschaft nicht vorbereitet auf den Rückgang des BIP um vielleicht 10 %.

Beispiel
Die Nulloption in der Politik
Wir können national denken oder global denken. So ist die Schaffung von zwei Arbeitsplätzen in Drittweltländern und die dadurch notwendige Vernichtung eines Arbeitsplatzes in der BRD möglicherweise sinnvoll und vielleicht sogar moralisch/ethisch richtig.
Was wir manchmal vergessen ist die Globalisierung. Globalisiert wurden bisher:
• der Kapitalmarkt
• Der Wertpapiermarkt
• der Produktmarkt.

Nun folgt dieser Globalisierung zwangsläufig der Arbeitsmarkt. Und genau das wollen wir nicht wahrhaben. Diese Globalisierung wird von der Politik nicht akzeptiert, obwohl eine Globalisierung der anderen Märkte diese Globalisierung des Arbeitsmarktes erzwingt. Und so kann es durchaus sein, dass die angestrebten Aktivitäten der Bundesregierung zur Ankurbellung des Arbeitsmarktes alle fehlschlagen werden, ja fehlschlagen müssen.
Eine Volkswirtschaft, die nicht erkennt, dass der Arbeitsmarkt globalisiert werden muss, ja vielleicht schon globalisiert ist, geht unter. Unsere Volkswirtschaft erkennt derzeit nicht, dass diese Globalisierung notwendig ist. Und dabei schaffen nicht wenige deutsche Unternehmen und Konzerne Arbeitsplätze im Ausland. VW zum Beispiel produziert einige Autotypen in Tchechien halt um fast DM 4.000,00 günstiger als in Wolfsburg. Was sollte den Konzern dazu bringen, die Produktionsstätte in Tchechien zu Gunsten deutscher Arbeitsplätze zu schließen?
So aber wehren sich die Gewerkschaften und die Politik durch Reglementierungen des Arbeitsmarktes gegen eine längst stattfindene und fortschreitende Globalisierung. Wie unweise!
Die Folge könnten durchaus Arbeitslosenzahlen um 7 - 8 Millionen sein.
Die Gefahr ist dabei, dass die Arbeitslosen sich organisieren. Dies führt zu einer Macht, die, politisch genutzt, den Zugang zum Weltmarkt verhindert.

Dieser Gefahr könnte man politisch begegnen, indem man ähnlich wie die Engländer und Amerikaner es getan haben, und die Macht derjenigen bricht, die eine solche Globalisierung verhindern wollen. So ist hier sicher bei Politikern Weisheit gefragt.
In Führungsverantwortung sollten also nur Politiker kommen, die sich nicht an der Nulloption festmachen. Weisheit ist sicher eine notwendige Bedingung für Politiker.

Die Orientierungslosigkeit
Ganz anders verhält es sich mit der Orientierungslosigkeit. Bei der Wahrnehmung der Orientierungslosigkeit sind Menschen nie glücklich, sondern unzufrieden.

Desorientierung in der Wirtschaft
Die Desorientierung von Unternehmen ist u.a. daran festzumachen, dass sie Kosten senken wollen, und nicht Leistung optimieren wollen.
Es gilt in einem Unternehmen hier eine sinnvolle Kosten-Leistungsrechnung vorzunehmen. So kann eine weise Führungspersönlichkeit nach folgenden Überlegungen vorgehen:
• setze die richtigen Leute an die richtige Stelle (minimiere die Schnittstellen),
• hilf den Mitarbeitern, in Prozessen zu denken und nicht in Abteilungen,
• organisiere das Unternehmen in Prozessen und nicht in Abteilungen,
• frage Dich, welche Produkte tragen zur Wertschöpfung bei,
• frage Dich, welche Leute tragen zur Wertschöpfung bei,
• stoße die Teile ab, die nicht zur Wertschöpfung beitragen.

Die Entwicklungsarbeit in der Beratung kann zur Orientierung beitragen. Mein Freund und Mentor Prof. Dr. Rupert Lay hat einmal vorgeschlagen:
• Setze zunächst die Wertschöpfung des Vorstandes auf null.
• Organisiere das Unternehmen um (Prozeßkosten)
• Besetze die Marktlücken (Kaufe den Wettbewerb, wenn er schwach ist)

Um der Desorientierung in einem Unternehmen zu entgehen, kann eine weiser Berater zur Optimierung des Unternehmenserfolges durch eine orientierte Beratung helfen. Dazu wird er wahrscheinlich:
a) Die Sitzungskultur feststellen. Er nimmt an 2 - 3 Sitzungen teil. Die Sitzungskultur eines Unternehmens ist dann miserabel und unweise, wenn:
• Selbstdarstellung betrieben wird,
• mangelnde Vorbereitung vorliegt,
• latente Konflikte ausgetragen werden („der kann doch nicht Recht haben“, „der produziert sich hier nur selbst“)
• der Sitzungsleiter unfair ist, (das Problem ist bereits entschieden, die Mitarbeiter werden zu „stichwortgebenden Hanseln“ degradiert. Gleichgültig, zu welchem Ergebnis die Teilnehmer der Sitzung kommen, die Lösung stand schon vorher fest))

b) die Interaktionskosten berechnen.
Interaktionskosten sind:
• unerwünschte Migration. Mitarbeiter verlassen das Unternehmen oder die Abteilung, obwohl man sie dort halten will. Auch wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen oder die Abteilung nicht verlassen will, handelt es sich um Migrationskosten.
• Kosten für die Ausschußproduktion (das gilt für Dienstleistung genau so wie für die Warenproduktion)
• Fehlzeiten (in Japan derzeit ca. 2 %, in der Schweiz 4 %, in der BRD durchschnittlich sage und schreibe 8 %) Der Vorgesetzte ist im Sinne der Weisheit ein Dienstleister seiner Mitarbeiter. Erhöhte Migrationskosten sind Kosten die durch Demotivation entstehen. Demotivation wird aber zumeist durch direkte Vorgesetzte ausgelöst. Damit ist der Vorgesetzte verantwortlich.

c) Den Umgang mit Reklamationen analysieren. Hier gilt es schwierige Reklamationen zu überprüfen. Wie lange dauert es, bis auf eine Reklamation reagiert wird? Wird überprüft, ob der Reklamierende auch mit der Reklamationsbearbeitung im Nachhinein zufrieden ist? Weise Führungspersönlichkeiten messen den Erfolg eines Unternehmens auch und besonders an der Art der Reklamationsbehandlung. Die Zufriedenheit des Kunden spielt hier eine große Rolle.

Ist Weisheit erlernbar?
Es gibt keine signifikante Korrelation zwischen Alter und Weisheit. So kann schon ein Fünfjähriger weise sein.
Tja, so einfach ist also diese Frage nicht zu beantworten. Entscheidend ist nämlich, ob Die Führungskraft schon so sehr in ihren psychischen Strukturen gefestigt sind, dass sie in der Begegnung mit eigenen und fremden Problemen praktisch nur noch eigenen Zwängen gehorchen.

Wir wissen schon, dass Führungskräfte Differenzierung lernen kann . Das bedeutet, sie muss sich in einem „die eigene Willenstätigkeit ausschließenden Zustand seiner Geistestätigkeit befinden“ (R.Lay).



Diese Differenzierung geschieht nach den WEIB´s:

W E


B I

Die weise Führungspersönlichkeit muss herausfinden, was die Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse des Mitarbeiters denn nun sind. Noch einmal ist zu bedenken, dass ja alle vier eine dialektische Einheit bilden. Die Veränderung bei nur einem bedeutet eben immer auch eine Veränderung bei den drei anderen. Ändern sich Wertvorstellungen, dann ändern sich automatisch auch Interessen, Bedürfnisse und Erwartungen und umgekehrt.
Wenn die Führungskraft es schafft, über einen dieser vier Pole einen Zugang zum Mitarbeiter zu finden, dann ist die Chance für einen weisen Umgang miteinander recht groß.
Die Führungspersönlichkeit sollte versuchen, sich über gemeinsame Wertvorstellungen oder Interessen oder Bedürfnisse oder Erwartungen in Deckung mit dem Mitarbeiter zu bringen. Dazu wird die Führungspersönlichkeit zunächst einmal Informationen ungefähr so ähnlich verstehen müssen, wie sein Mitarbeiter.
Und dazu muss der Mitarbeiter zum Reden gebracht werden. Das gilt immer, wenn Weisheit eingefordert ist und sich entwickeln soll.
Wer führt, muss also versuchen in einem der WEIB´s Kongruenz zu erzielen.

Die Begegnung eines Mitarbeiters, der vor dem Anspruch der Lebensweisheit unsicher geworden ist und daher bei seinem Chef Sicherheit sucht, baut ein soziales System auf.
Ein soziales System existiert exakt aber nur dann, wenn die beiden gemeinsame WEIB´s aufbauen.


Eine Grafik verdeutlicht das:

Führungspersönlichkeit Mitarbeiter
W E W E


B I B I



W E


B I
Gemeinsame Weib´s


Wichtig für eine weise Führungspersönlichkeit ist es, dass bei diesem gemeinsamen Aufbau keine Abhängigkeiten entstehen. Solche Abhängigkeiten existieren zwischen dem Helfer und dem Hilflosen, dem Richter und dem Sünder oder auch dem Vorgesetzten und dem Untergebenen. In solchen Feldern geschieht Weisheit nicht.
Es muss klar sein, dass man sich gegenseitig hilft, z. B. gemeinsam mit einer Situation fertig wird.

Wie kann man Weisheit noch entwickeln?
Der Weise besitzt eine Personale Identität. Hier besitzt jemand sittliche Werte. Das heißt, er folgt seinem Stern. Er weiß wofür er lebt, warum er lebt. Er weiß, was der Sinn seines Lebens ist. Das nennt man Persönlichkeit. Alles andere ist eine Person.
Seinem Stern zu folgen heißt, oberste handlungsleitende Werte zu besitzen. Nur ein Mensch mit obersten handlungsleitenden Werten, eine sittliche Persönlichkeit, ist in der Lage weise zu führen. Es handelt sich um Jemanden, der seine obersten handlungsleitenden Werte verantwortet übernommen hat und versucht sein Leben danach zu organisieren.

Die weise Aufgabe einer Führungspersönlichkeit
Eine Führungspersönlichkeit ist in der Lage, ein gut funktionierendes soziales System aufzubauen, in dem Menschen miteinander menschlich umgehen.
Hier hat Moral eine besondere Funktion. Zunächst ist sie es, die hilft, ein Unternehmen zu stabilisieren und in den Erfolg zu führen. Diese Moral hat nur den Zweck, das soziale Miteinander zu erhalten und an Werten zu überprüfen.
Werden jetzt moralische Normen verletzt, so werden diese bestraft durch Zurücknahme von Anerkennung, Ausschluß vom Informationsfluß.
Die These behauptet nun, dass nur der Mensch, der nicht die Moral des Unternehmens, sondern seine eigene vertritt, zum Führen geeignet sei.
Ein gutes Beispiel dafür war Alfred Herrhausen, der seinem eigenen Stern folgte, und nicht dem Unternehmenszweck.

Der Unterschied zwischen einer Führungskraft und einer Führungspersönlichkeit.
So läßt sich denn der Unterschied zwischen einer Führungskraft und einer weisen Führungspersönlichkeit leicht bestimmen.
1. Die Führungskraft ist populistisch. Populistische Führungskräfte sind angepaßt, pflegeleicht, sie sind Systemagenten, die immer nur die Regeln des Unternehmens verfolgen und durchsetzen, gleichgültig, welche Auswirkungen das auf den Mitarbeiter hat,.
2. Eine Führungspersönlichkeit folgt dem eigenen Stern und sucht die Überzeugung, nicht die Durchsetzung gegen fremden Willen. In diesem Prozeß will sie feststellen, welche Überzeugung einen Erkenntnisfortschritt bedeutet. Damit wird Realitätsnähe gesichert.

Was kann aber solch ein oberster, handlungsleitender Wert sein? Welcher sittliche Wert kann für eine weise Führungspersönlichkeit eine Rolle spielen? Denn dieser Wert nimmt wiederum Einfluß auf die WEIB´s
Jemand, der als höchsten Werte sagt, ich will auf meine Gesundheit achten und ich will Karriere machen, hat ein anderes Rechteck, als jemand, der als oberste Wertenorm die Biophilie oder die Würde des Menschen besitzt.
Die Werte spielen sich nicht innerhalb der WEIB´s ab, sondern sie definieren die WEIB´s.
Das Umfassende von Werten macht die Möglichkeit zur Weisheit aus. So kann ich kann dann Menschen mit einer anderen Lebensorganisation verstehen.
Ein Mensch, der nur auf Gesundheit und Karriere achtet, wird schwerlich etwas mit Würde und Biophilie anfangen können (Biophilie meint, sein Leben so zu organisieren, dass eine personale Lebensentfaltung bei mir selbst und anderen eher gemehrt, denn gemindert wird). Umgekehrt ist es sicher möglich.

Formale und materiale Normen
Solche Werte fordern Regeln. Davon gibt wes zwei: formale Regeln und materiale Regeln. So wird sich die weise Führungspersönlichkeit von formalen Normen leiten lassen, die dann in der konkreten Führungssituation in verschiedene materiale Normen umgesetzt werden können.
Formale Regel oder Norm meint, dass ein genereller Imperativ den Führungsprozeß begleitet. Also die Biophilie etwa. Wie nun konkret biophil geführt wird, ob durch Kooperation oder durch management by objektiv oder gar autoritär, hängt von der Situation ab.
Materiale Regeln schreiben eine konkrete Vorgehensweise in einer konkreten Situation vor. Also zum Beispiel „Wir führen kooperativ“. Nun wissen wir jedoch, dass nicht in jeder Führungssituation Kooperation angebracht ist, manchmal versagt sie halt. Bin ich aber an die materiale Vorgabe gebunden, so kann ich ein mögliches Versagen hinter der Regel verstecken und mich herausreden. Das geht bei formalen Vorgaben nicht.
Wenn Sie sich die Hochglanzbroschüren mancher Unternehmen anschauen, dann strotzen sie nur so von materialen Regeln. Da steht dann „Wir führen kooperativ“ oder „Wir pflegen die Delegation“ oder „Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital, wir beteiligen Sie an Entscheidungsprozessen“ und anderer Blödsinn.
Eine Führungskraft, die sich von materialen Normen führen läßt, wird niemals weise. Für Führungspersönlichkeiten ist es wichtig, formale Normen je nach Situation in materiale Normen zu übersetzen.
Materiale Normen führen zu Verantwortungslosigkeit. Man versteckt sich hinter ihnen. Daher gehören in Unternehmensleitsätze nur formale, keine materiale Normen. Die Führungspersönlichkeit muss selbst entscheiden, wie in der konkreten Situation die formale Norm material erfüllt werden muss. So kann es bei gleicher Aufgabenstellung zu recht unterschiedlichen Lösungen kommen.
So wird deutlich, dass Menschen in Not nur dann weise geholfen werden kann von einem Menschen, der formale Normen in dem jeweiligen Fall material deutet. So kann man sich zum Beispiel fragen, ob die 10 Gebote materiale oder formale Normen darstellen. Oder ein anderes Beispiel für die Unterscheidung von materialen und formalen Normen ist die Forderung des Papstes. Der Papst hat recht, wenn er verantwortete Elternschaft fordert. Wie diese wahrzunehmen ist, müssen die Eltern von Fall zu Fall entscheiden. Er hat Unrecht, wenn er Kondome oder sonstige Empfängnisverhütung verbietet. Die Eltern müssen die Verantwortung übernehmen, wie sie dieser Verantwortung gerecht werden wollen.

Fazit
Weise Führungspersönlichkeiten übernehmen die Verantwortung für ihr Handeln. Sie versuchen formale Regeln zu leben. Sie verstecken sich nicht hinter materialen Normen.
In diesem Sinne gibt es wahrscheinlich sehr wenige Führungspersönlichkeiten, jedoch viele Führungskräfte.
Weise Führungspersönlichkeiten bedenken immer, dass ein Gesprächspartner selbst im Konflikt immer ein Mensch mit einer persönlichen Geschichte voller enttäuschter Hoffnungen, voller Freuden, voller Leiden, geprägt von seinen Erwartungen, seinen Träumen und seiner Trauer ist. Und wenn die Führungspersönlichkeit sich dies immer wieder klar macht und dem Mitarbeiter mit Achtung begegnet, dann ist es sehr schwer unweise zu sein.

Literatur zum Thema: Weisheit für Unweise, Prof. Dr. Rupert Lay, Econ Verlag