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Kein Anspruch auf Datenlöschung in Ärztebewertungsportal

Timo Schutt | 08.10.2014
Kann ein Arzt die Löschung von personenbezogenen Daten in einem Bewertungsportal für Ärzte verlangen?

Am 23.09.2014 hat der BGH diesen Klageantrag eines Arztes abgelehnt.

Was war passiert?

Der Kläger ist ein niedergelassener Arzt. Die Beklagte wiederum betreibt ein Portal zur Arztsuche und Arztbewertung. Internetnutzer können dort kostenfrei Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe abrufen. Zu den abrufbaren Daten gehören auch der Name, die Fachrichtung, die Praxisanschrift, die Kontaktdaten und die Sprechzeiten sowie die Bewertungen des Arztes, die von Nutzern des Portals eingestellt werden können. Die Abgabe einer Bewertung erfordert eine vorherige Registrierung. Hierzu hat der Nutzer nur eine E-Mail-Adresse anzugeben, die im Laufe des Registrierungsvorgangs verifiziert wird.

Der Kläger ist in dem genannten Portal mit seinem akademischen Grad, seinem Namen, seiner Fachrichtung und der Anschrift seiner Praxis verzeichnet. Nutzer haben ihn im Portal mehrfach bewertet. Gestützt auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, die ihn betreffenden Daten – also "Basisdaten" und Bewertungen – auf der Internetseite zu veröffentlichen, und sein Profil vollständig zu löschen.

Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers zurückgewiesen, also gleichfalls den Anspruch auf Löschung verneint.

Wie lautet die Begründung?

Das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiege das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht. Die Beklagte sei deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. Zwar werde ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen könnten – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu erwarten hat. Auch besteht eine gewisse Gefahr des Missbrauchs.

Auf der anderen Seite sei im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich sei und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen könne, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem berührten die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten "Sozialsphäre", also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollziehe. Hier müsse sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren sei der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen könne. Dass Bewertungen anonym abgegeben werden könnten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung sei dem Internet immanent (§ 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes)

(BGH, Urteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13)

Was meinen wir dazu?

Das Urteil reiht sich ein in eine mittlerweile recht ordentliche Zahl an vergleichbaren Entscheidungen, bei welchen in der Regel das Interesse der Öffentlichkeit an bestimmten Informationen und die Meinungsfreiheit höher bewertet werden, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.

Ob es sich um Lehrer, Ärzte oder auch Anwälte handelt. Stets gilt: Personen, die in irgend einer Art und Weise in der Öffentlichkeit stehen oder zumindest einen Bezug zur Außenwelt haben, müssen sich grundsätzlich gefallen lassen, namentlich genannt, aufgelistet und bewertet zu werden. Die Grenze ist erst erreicht, wenn es sich um die Privat- oder Intimsphäre handelt oder, wenn im Rahmen der Bewertung Schmähkritik, also unsachliche, beleidigende oder verleumderische Äußerungen vorgenommen werden bzw. die Behauptungen nachweisbar falsch sind (unwahre Tatsachenbehauptungen). Erst dann kann sich der Betroffene an den Portalbetreiber oder – wenn der Autor bekannt ist – an den Autor wenden.

Einen Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber auf Nennung des Namens bzw. der verfügbaren Daten des Autors wiederum haben die Gerichte einhellig abgelehnt. Nur die Strafverfolgungsbehörden können solche Daten heraus verlangen. Damit ist der Betroffene wiederum gezwungen, will er gegen den Autor selbst vorgehen, eine Strafanzeige zu stellen und den Autor damit zu kriminalisieren. Ob das im Ergebnis eine gute Richtung ist, darüber darf man zumindest streiten.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht