Beschäftigung von Scheinpraktikanten
Beschäftigung von Scheinpraktikanten: Das Kultusministerium Baden-Württemberg hat nun einen Rückzieher aus einer peinlichen Angelegenheit gemacht: Nachdem man jüngst lautstark den Mindestlohn für Beschäftigte gefordert hat, kam nun heraus, dass das Ministerium Praktikanten ohne Gehalt beschäftig. Diese erhalten jetzt abhängig von ihrer Qualifikation und Tätigkeit zumindest ein Praktikantengehalt. In vielen Branchen, auch in der Veranstaltungsbranche, ist der „Praktikant“ ein gern gesehener Arbeiter: Er kostet nichts oder wenig und arbeitet dafür viel. Es gibt Betriebe, die gezielt mit Praktikanten und Auszubildenden arbeiten, um sich dadurch (vermeintlich) viel Geld zu sparen. Die Sache hat nur einen Haken:
Das Bundesarbeitsgericht hatte vor kurzem einem Praktikanten den Lohn eines normalen Vollzeit-Angestellten zuerkannt: Der Praktikant hatte einen Praktikantenvertrag und lediglich wenige Euro Gehalt bekommen. Er hatte aber genau das gemacht, was andere Vollzeitangestellte mit vollem Gehalt auch getan hatten. Seine Arbeit fiel gar nicht als Praktikantenarbeit auf.
Das Bundesarbeitsgericht hat dabei folgende Unterscheidung festgelegt:
• Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation. Seine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass er einem Weisungsrecht unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann.
• Demgegenüber ist ein Praktikant in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb praktisch tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen – meist akademischen -Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Allerdings findet in einem Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung statt. Vielmehr wird eine darauf beruhende Tätigkeit häufig Teil einer Gesamtausbildung sein und beispielsweise für die Zulassung zu Studium oder Beruf benötigt. Demnach steht bei einem Praktikantenverhältnis ein Ausbildungszweck im Vordergrund.
Das heißt: Es darf keine Verwechslung des Praktikanten mit einem ausgelernten normalen Arbeitnehmer geben. Sobald er die identischen Tätigkeiten übernimmt und gar keinem auffällt, dass er “nur” Praktikant ist, spricht dies für einen Scheinpraktikanten: Dies gilt sowohl für Kunden, Besucher als auch für andere Mitarbeiter. Der Praktikant soll in verschiedene Geschäftsbereiche hineinschnuppern dürfen; die Anforderungen an ihn müssen gering sein und er soll nicht längere Zeit unbeaufsichtigt alleine vor sich hin arbeiten. Zumindest der Arbeitgeber, eventuell auch andere Vorgesetzte oder andere Beschäftigte sollen ihm auch mal etwas erklären, was über den Tellerrand hinausgeht. Der Praktikant darf mal ungestraft später kommen oder früher gehen, von ihm darf nicht dasselbe erwartet werden wie von einer ausgelernten Kraft.
Ähnlich wie einem „Scheinselbständigen“ kann es auch „Scheinpraktikanten“ geben: Diese sind nur zum Schein „Praktikant“, in Wahrheit aber eigentlich ganz normale vollwertige Arbeitnehmer – bzw. sie erbringen ganz normale vollwertige Arbeit, der Arbeitgeber ist nur zu faul und zu geizig, sie auch voll zu entlohnen. Diese Scheinpraktikanten können sodann einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden vollwertigen Arbeitnehmergehalts haben.
Dann spielt es auch keine Rolle, was Arbeitgeber und Praktikant in den Vertrag geschrieben haben. Maßgeblich ist:
• zunächst das Gewollte, das sich aus dem Vertrag oder seiner Auslegung ergibt.
• Ergibt sich nichts aus dem Vertrag, gilt das Tatsächliche.
• Widersprechen sich Vertrag/Gewolltes und Tatsächliches, gilt das Tatsächliche.
Dies soll heißen: Wenn die Vertragspartner “Praktikum” wollten und vereinbart haben, sie sich aber tatsächlich wie in einem 40-Stunden vollwertigen Arbeitsverhältnis verhalten, dann ist das auch maßgeblich. Es liegt nämlich dann “tatsächlich” ein normales Arbeitsverhältnis vor.
Würde dagegen der Vertrag Vorrang vor dem Tatsächlichen haben, könnten die Vertragspartner entweder einvernehmlich das Gesetz umgehen (Beispiel: “A und B vereinbaren, dass die Leistungen steuerfrei sind”), oder der stärkere Vertragspartner könnte den schwächeren Vertragspartner ausbooten und unter Druck setzen: Wenn du das nicht unterschreibst… Also unterschreibt der Mitarbeiter, dass er “frei” ist – in Wahrheit ist er aber scheinselbständig. Um dies zu verhindern, ist letztlich das maßgeblich, was Tatsache ist: Ist der Beschäftigte nur zum Schein selbständig und bei genauem Hinsehen – egal ob gewollt oder nicht gewollt – Arbeitnehmer, dann ist er scheinselbständig.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)
Das Bundesarbeitsgericht hatte vor kurzem einem Praktikanten den Lohn eines normalen Vollzeit-Angestellten zuerkannt: Der Praktikant hatte einen Praktikantenvertrag und lediglich wenige Euro Gehalt bekommen. Er hatte aber genau das gemacht, was andere Vollzeitangestellte mit vollem Gehalt auch getan hatten. Seine Arbeit fiel gar nicht als Praktikantenarbeit auf.
Das Bundesarbeitsgericht hat dabei folgende Unterscheidung festgelegt:
• Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation. Seine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass er einem Weisungsrecht unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann.
• Demgegenüber ist ein Praktikant in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb praktisch tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen – meist akademischen -Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Allerdings findet in einem Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung statt. Vielmehr wird eine darauf beruhende Tätigkeit häufig Teil einer Gesamtausbildung sein und beispielsweise für die Zulassung zu Studium oder Beruf benötigt. Demnach steht bei einem Praktikantenverhältnis ein Ausbildungszweck im Vordergrund.
Das heißt: Es darf keine Verwechslung des Praktikanten mit einem ausgelernten normalen Arbeitnehmer geben. Sobald er die identischen Tätigkeiten übernimmt und gar keinem auffällt, dass er “nur” Praktikant ist, spricht dies für einen Scheinpraktikanten: Dies gilt sowohl für Kunden, Besucher als auch für andere Mitarbeiter. Der Praktikant soll in verschiedene Geschäftsbereiche hineinschnuppern dürfen; die Anforderungen an ihn müssen gering sein und er soll nicht längere Zeit unbeaufsichtigt alleine vor sich hin arbeiten. Zumindest der Arbeitgeber, eventuell auch andere Vorgesetzte oder andere Beschäftigte sollen ihm auch mal etwas erklären, was über den Tellerrand hinausgeht. Der Praktikant darf mal ungestraft später kommen oder früher gehen, von ihm darf nicht dasselbe erwartet werden wie von einer ausgelernten Kraft.
Ähnlich wie einem „Scheinselbständigen“ kann es auch „Scheinpraktikanten“ geben: Diese sind nur zum Schein „Praktikant“, in Wahrheit aber eigentlich ganz normale vollwertige Arbeitnehmer – bzw. sie erbringen ganz normale vollwertige Arbeit, der Arbeitgeber ist nur zu faul und zu geizig, sie auch voll zu entlohnen. Diese Scheinpraktikanten können sodann einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden vollwertigen Arbeitnehmergehalts haben.
Dann spielt es auch keine Rolle, was Arbeitgeber und Praktikant in den Vertrag geschrieben haben. Maßgeblich ist:
• zunächst das Gewollte, das sich aus dem Vertrag oder seiner Auslegung ergibt.
• Ergibt sich nichts aus dem Vertrag, gilt das Tatsächliche.
• Widersprechen sich Vertrag/Gewolltes und Tatsächliches, gilt das Tatsächliche.
Dies soll heißen: Wenn die Vertragspartner “Praktikum” wollten und vereinbart haben, sie sich aber tatsächlich wie in einem 40-Stunden vollwertigen Arbeitsverhältnis verhalten, dann ist das auch maßgeblich. Es liegt nämlich dann “tatsächlich” ein normales Arbeitsverhältnis vor.
Würde dagegen der Vertrag Vorrang vor dem Tatsächlichen haben, könnten die Vertragspartner entweder einvernehmlich das Gesetz umgehen (Beispiel: “A und B vereinbaren, dass die Leistungen steuerfrei sind”), oder der stärkere Vertragspartner könnte den schwächeren Vertragspartner ausbooten und unter Druck setzen: Wenn du das nicht unterschreibst… Also unterschreibt der Mitarbeiter, dass er “frei” ist – in Wahrheit ist er aber scheinselbständig. Um dies zu verhindern, ist letztlich das maßgeblich, was Tatsache ist: Ist der Beschäftigte nur zum Schein selbständig und bei genauem Hinsehen – egal ob gewollt oder nicht gewollt – Arbeitnehmer, dann ist er scheinselbständig.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)