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Verpackungsrecycling: Wer haftet für Trittbrettfahrer?

Markenverband und Handel streiten über Auslegung der novellierten Verpackungsverordnung / Prinzip der Produktverantwortung steht auf der Kippe
Gunnar Sohn | 30.05.2008
Köln/Bonn, Mai 2008, www.ne-na.de – Mit der fünften Novelle der Verpackungsverordnung müssen sich Handel und Industrie auf strengere Richtlinien für die Verwertung von Verpackungsabfall einstellen. „Verpackungen, die zu den privaten Endverbrauchern gehen, sind in Zukunft verpflichtend bei Dualen Systemen zu lizenzieren. Das war der Ansatz der Bundesregierung und das ist auch das Ergebnis“, sagte Thomas Rummler, Ministerialdirigent des Bundesumweltministeriums (BMU) http://www.bmu.de bei der Fachkonferenz „Verpackungsgipfel“ des Managementforums http://www.managementforum.com. Die Beteilungspflicht bezieht sich auf den so genannten Erstinverkehrbringer. „Das ist der Abfüller oder Importeur, der das abgefüllte Produkt in Deutschland in Verkehr bringt“, so Rummler. Möglich seien Kooperationen. So könne auch ein Handelsunternehmen für einen Hersteller etwas lizenzieren. „Das ist eine beauftragte Wahrnehmung, sie wirbt immer im Namen des Herstellers“, erläuterte der BMU-Beamte. Über eine Vollständigkeitserklärung müsse die Beteiligung dokumentiert werden.



„Das Ganze ist zu testieren durch einen Wirtschaftsprüfer oder einen anderen qualifizierten Sachverständigen und bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu hinterlegen. Dann wird das beim DIHK in einer Datenbank zusammengefasst und im Internet veröffentlicht, wer eine solche Vollständigkeitserklärung abgegeben hat. Die Obliegenheit sich zu vergewissern, dass die Ware auch lizenziert ist, liegt beim Handel. Die entscheidende Frage ist, welche konkreten Anforderungen fallen jetzt in dieser Obliegenheit an und da ist es zunächst sicherlich notwendig, dass man sich beim Zulieferer erkundigt. Die Erkundigung kann aus meiner Sicht nicht darin bestehen, dass man einmal telefoniert und sagt, hast Du lizenziert? Sie muss schon in einer schriftlichen Bestätigung, in einer Erklärung liegen des Erstinverkehrbringers, also des Abfüllers gegenüber dem Handel. Wenn es Anlass gibt, hier Zweifel zu haben, müsste man möglicherweise noch mehr verlangen als diese Erklärung. Das ist durchaus möglich. Es gibt den Sachverständigen, der eine Vollständigkeitserklärung abgibt. Und diesen Beleg kann man sich zeigen lassen“, so Rummler.



Branchenexperten bezweifeln die Durchschlagskraft dieser Vorgehensweise: „Wir kennen das doch aus der Vergangenheit, dass gerade die Handelsunternehmen auch in ihre AGBs geschrieben haben, dass Verpackungen zu lizenzieren sind bei Dualen Systemen. Dass auch ständig nachgefragt wurde, ob die Verpackungen lizenziert wurden. Trotzdem haben wir 25 bis 30 Prozent Trittbrettfahrer, das heißt wir haben in der Vergangenheit eigentlich ein stumpfes Schwert gehabt. Warum sollte jetzt dieses Schwert schärfer werden. Wenn ich auf die Vollständigkeitserklärung abstelle, die quasi im Folgejahr erst tatsächlich stattfindet und beglaubigt wird, dann weiß ich nicht, ob die Ware, die heute verkauft wird, auch wirklich lizenziert ist. Da muss der Handel bis zum nächsten Jahr auf die Vollständigkeitserklärung waren. Zwischenzeitlich hat sich der Handel schon bußgeldpflichtig gemacht, wenn für die verkaufte Ware keine Lizenzierung erfolgt ist. So wird eine Situation geschaffen, dass hier ein Verpflichteter, der im Schadensfall sogar ein Bußgeld zahlen muss, keine wirksamen Kontrollmöglichkeiten hat“, warnte Thomas Mehl, Geschäftsführer von BellandVision http://www.bellandvision.de.



Ähnlich kritisch beurteilt das Rainhardt Freiherr von Leoprechting, Bereichleiter Public Affairs der Metro AG http://www.metrogroup.de und Umweltausschuss-Vorsitzender vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) http://www.einzelhandel.de: „Das Rücknahmesystem ist bisher dem Prinzip der Herstellerverantwortung gefolgt. Das heißt, dass der Hersteller die Organisation- und Kostenverantwortlichkeit für die Rücknahme und Verwertung übernimmt. Er gibt diese Kosten dann über die Wertschöpfungskette letztlich an den Verbraucher weiter. Thomas Rummler vom BMU hat darauf hingewiesen, dass der Handel bei seinen Eigenmarken die Herstellerverantwortung übernimmt. Ich habe Zweifel, ob die Rechtsauffassung des BMU haltbar ist, dass die Handelslizenzierung nach der Novelle ausgeschlossen ist. Denn es kann aus meiner Sicht nicht im Raum stehen bleiben, dass der Handel bei Pflichtverletzungen mit Bußgeldern belegt wird, aber keine effizienten Möglichkeiten hat, die Lizenzierung auch zu gewährleisten“, sagte von Leoprechting.



Eine Blackbox für den Handel dürfe auf keinen Fall entstehen, forderte Mehl: „Keiner weiß, was tatsächlich bezahlt wird, aber trotzdem bezahlt man im Einkaufspreis die alten DSD-Gebühren und hat so keinerlei Übersicht, ob hier nicht eine Margenerhöhung stattfindet zugunsten der Industrie“. Markenverbands-Geschäftsführer Timothy Glaz http://www.markenverband.de wertete die Kontroverse als unterschiedliche Denkschulen, die zur Zeit aufeinanderprallen. „Ich erkenne aus der Verpackungsverordnung nicht irgendeinen Ansatz oder Anspruch, die Lizenzentgelte als einen durchlaufenden Posten zu behandeln wie eine Steuer. Das ist für mich kein Unterschied zu Strompreisen, zu Wasserkosten und sonstigen Geschichten. Ich erkenne es nicht und ist rechtlich meines Erachtens auch unhaltbar so eine Einstellung oder so eine Position einzunehmen“, erwiderte Glaz. Bei der Verpackungsgestaltung seien die Markenartikelhersteller die Entscheidenden. Das beziehe sich auch auf die Verwertung. „Man kann sich alles mögliche vorstellen, was passiert, wenn der Systemanbieter sagt, wir haben gerade sehr gute Verwertungskapazitäten bei Blech einkauft oder bei Kunststoff oder bei Papier, jetzt stellt doch mal Eure Verpackung um. Da sehen wir ein erhebliches Konfliktpotential“, so Glaz.



Metro-Manager von Leoprechting äußerte sich dankbar für die Offenheit des Markenverbandes: „Sie haben erstmalig gesagt, Lizenzentgelte sind für uns ein Kalkulationsbestandteil, so wie andere Kosten. Insofern erklärt sich für mich auch eine gewisse Hartnäckigkeit des Markenverbandes an diesem Punkt. Wer für etwas hartnäckig kämpft, tut das gemeinhin nicht nur der reinen Lehre wegen, sondern weil es ein wirtschaftliches Interesse gibt. Und das ist auch legitim. Wenn das aber so ist, dann nehme ich das als Botschaft mit und dann werden wir das bei unseren Gesprächen eben auch entsprechend berücksichtigen und zum Gegenstand unserer Verhandlungen machen“. Am Saubersten wäre es, dem Handel die Lizenzierung zu übertragen. „Dann habe ich unmittelbar die Möglichkeit, den Nachweis zu führen“, so das Fazit von Leoprechting.





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Über Gunnar Sohn

Gunnar Sohn ist Freiberufler und u.a. Wirtschaftspublizist, Buchautor, Blogger, Medienberater, Moderator und Kolumnist.