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Service-Chaos bei der Deutschen Bahn

Verkehrsexperte Hermann: Bei der Wartung wurde gespart, das Krisenmanagement war katastrophal
Klartext Online | 15.07.2010
Hamburg/Hannover, 15. Juli 2010 - Das leidige Thema Service bei der Deutschen Bahn. Bislang ging es meist um horrende Verspätungen und steigende Preise. Jetzt nehmen die Service-Pannen gesundheitliche Dimensionen an. In den vergangenen Tagen war in mehreren ICE-Zügen die Klimaanlage ausgefallen. Die Temperaturen stiegen in einigen Waggons auf über 50 Grad. Zahlreiche Passagiere brachen zusammen und mussten ins Krankenhaus.



„Das Krisenmanagement war katastrophal. Die Passagiere wurden nicht über die Situation informiert, und die Zugbegleiter selbst hatten auch keine ausreichenden Informationen“, so der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann im Interview mit der Tagesschau. Die Zugbegleiter müssten wissen, was sie zu tun haben, Ersatzzüge müssten schneller bereit stehen und es müsste ausreichend für Getränke und Versorgung der Fahrgäste gesorgt werden. Nichts war der Fall.



Auch FDP Fraktionsvize Patrick Döring äußert sich im Gespräch mit der Rheinischen Post unmissverständlich: „Wenn die Klimaanlage ausfällt, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass für Bahnreisende ausreichend gekühlte Getränke an Bord sind oder eisgekühlte Handtücher verteilt werden, wie das in anderen Ländern üblich ist“.



Deutschland ist in der Vergangenheit immer wieder als Servicewüste beschrieben worden. Und obwohl der Allensbach-Dienstleistungsindex – die Summe von Lob und Tadel der Bevölkerung gegenüber 21 Dienstleistungsbereichen –2008 auf einen Höchststand von 735 Punkten anstieg (im Vergleich 2002: 504 Punkte), wurden die Telekom und die Deutsche Bahn immer noch am schlechtesten beurteilt. Ein Blick in die Industrielandschaft genügt, um festzustellen, dass es sich in Zeiten gesättigter Märkte eigentlich kein Unternehmen mehr leisten kann, einen schlechten Service anzubieten. Im guten Service wartet neben dem positiven Imagegewinn auch ein steigender Marktanteil. Beim Technologiehersteller Bizerba zum Beispiel sorgt ein flächendeckendes Servicenetz für kurze Ausfallzeiten der installierten Anlagen. „Wir bieten einen 24-Stunden Reparaturservice für die Störfallbeseitigung rund um die Uhr an, um die Ausfallzeiten der Anlagen minimal zu halten. Unsere Techniker können zudem mittlerweile über das Internet auf die Systeme zugreifen und Soft- und Hardwareprobleme zeitnah analysieren“, erklärt Robert Keller, Director Business Services bei Bizerba.



Doch zurück zur Bahn: Derweil fordert die SPD wegen der Hitzepannen einen Untersuchungsausschuss. „Wir wollen wissen, ob die Bahn zulasten der Sicherheit gespart hat, welchen Zusammenhang es zu den Hitzeproblemen gibt und wer dafür die Verantwortung trägt“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Pronold der Bild-Zeitung. Es kursiert sogar das Gerücht, dass die Klimaanlagen in Fernzügen der Deutschen Bahn nur auf eine Temperatur bis 32 Grad ausgelegt seien. Die Hannoversche Allgemeinen Zeitung zitiert ein Schreiben des Eisenbahnbundesamtes, nach welchem bei höheren Temperaturen „ein Abkühlen grundsätzlich nicht mehr gewährleistet ist“.



Für Hermann kam das Chaos nicht überraschend: „Es ist unter Insidern längst bekannt, dass die ICE-II-Züge inzwischen technisch anfällig sind, dass man bei der Wartung gespart hat, dass man Arbeiten aus Kostengründen hinausgezögert hat. So wurden mangelhafte Klimaanlagen eben nicht ausgetauscht.“ Die Bahn sei in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund des geplanten Börsenganges extrem an den Rand der Verantwortbarkeit gefahren worden. Die Wartungsarbeiten sicherheitsrelevanter Technik seien hinausgezögert worden. „Das war fast acht Jahre lang das Credo – und mit den Folgen kämpft die Bahn bis heute“.





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