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Einspruch: Bürokratieabbau schafft neue Bürokratie

Insbesondere der Mittelstand stöhnt unter der Belastung
marketing-BÖRSE | 20.11.2006
Bonn - In regelmäßigen Abständen wird der Bürokratie der Kampf angesagt. In der EU soll die Wirtschaft bis 2012 um etwa 150 Milliarden Euro entlastet werden. Doch der Bürokratieabbau ist komplizierter, als es sich Otto Normalverbraucher denkt. Die jüngsten Fleischskandale haben bewiesen, dass staatliche Kontrollen nicht immer schlecht sind. Viele derjenigen, die am liebsten alle Beamten abschaffen würden, beharren dennoch auf Umwelt- und Datenschutz sowie Lebensmittelsicherheit. Bürokratieabbau heißt in letzter Konsequenz, dass auch Ämter und Behörden schließen müssen, also Arbeitsplätze verloren gehen. Gesetze und Vorschriften sind ja zunächst auch das Gegenteil von Willkür. Sie sollen Rechtssicherheit schaffen und die Gleichheit aller Bürger garantieren.

Auf der anderen Seite vernichtet der ganze „Formalkram“ Arbeitsplätze oder schreckt Menschen davon ab, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Insbesondere für die Mittelständler ist es ein Problem, wenn sie in den Papierkrieg mit verschiedenen Behörden ziehen müssen und das Ordnungsamt dabei Primus inter pares spielt. Für junge Existenzgründer und kleinere Betriebe wäre es ein Gewinn, wenn sie es nicht mit diversen Ansprechpartnern in der Verwaltung zu tun hätten. Außerdem arbeiten in den Ministerien, aber auch in den Verwaltungen fast ausschließlich Juristen, welche die ökonomischen Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen oft nicht genügend in den Blick nehmen.

Wenn in einer Legislaturperiode auf Bundesebene 2.197 Gesetze mit 46.779 Einzelvorschriften und 3.131 Rechtsverordnungen mit 39.197 Einzelvorschriften in Kraft treten, dann ist etwas faul im Staate. Bürokratieabbau ist eine der wenigen kostengünstigen Maßnahmen für den Staat, Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Verwaltungsvorschriften beispielsweise sollten eigentlich das Verwaltungshandeln erleichtern. Mittlerweile gibt es aber eine Vielzahl von Vorschriften, die für die meisten Menschen nicht mehr überblickbar sind. Es ist deshalb sinnvoll, in Zukunft bei allen Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Befristung von fünf Jahren vorzusehen und zu prüfen, ob diese Vorschriften in Zukunft Bestand haben sollen. Außerdem könnten bestehende Satzungen gebündelt oder auch grundsätzlich könnte mehr mit Generalklauseln als mit vielen Detail- und Einzelfallregelungen gearbeitet werden.

Der Mittelstand ist der Motor unserer Wirtschaft. Es sollte daher zu denken geben, dass gegenüber 1994 der Anteil der Unternehmen, die die Belastung durch Bürokratie als hoch bzw. sehr hoch bezeichnen, von 47 Prozent auf 79 Prozent (2003) zugenommen hat. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) www.ifm-bonn.org hat errechnet, dass der finanzielle Aufwand als Folge bürokratischer Belastungen für Kleinunternehmer mit 1 bis 9 Beschäftigten 4.361 Euro je Beschäftigtem beträgt. 1994 lag der Betrag noch bei 3.496 Euro. In einem Betrieb solcher Größenordnung arbeitet jede Person durchschnittlich jährlich fast 64 Stunden für die Erledigung bürokratiebedingter Aufgaben, bei Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten 5,6 Stunden. 46 Milliarden Euro kostet die Bürokratie pro Jahr – davon haben die Mittelständler 84 Prozent zu verkraften. Entgegen allen hehren Vorsätzen: Nominal sind die Bürokratiekosten der Wirtschaft in den Jahren zwischen 1994 und 2003 um rund 50 Prozent angestiegen.

Interessant ist auch, dass die meisten Unternehmen laut IfM gar nicht so sehr über die Belastungszunahme bei Steuern, Statistikpflichten oder im Umweltschutzbereich klagen. Der Löwenanteil entfällt auf die Sozialversicherungen, gefolgt von den Bereichen Arbeitsrecht und –schutz. Kein Wunder, dass wir weiterhin ein Riesenheer von Arbeitslosen haben! Ob der Bürokratieabbau in Zukunft besser gelingt als bisher, daran haben Experten ihre Zweifel. So sieht es auch Hardy Bouillon von der Denkfabrik Centre for the New Europe www.cne.org in Brüssel: „Eins der aberwitzigen Probleme beim Bürokratieabbau ist, dass dieser selbst bürokratisch abläuft und somit zwangsläufig zusätzliche Bürokratie schafft. Deregulierung bedeutet meist Umregulierung statt Entregulierung, und schon gar nicht Endregulierung. In gewisser Weise versucht man also, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. Bürokratieabbau entsteht nicht durch den Austausch von Bürokraten durch Unternehmer. Das hat bereits Mises in seinem Klassiker ‚Die Bürokratie’ gezeigt: ‚Die Unternehmer-Eigenschaft’, schrieb er, „haftet der Persönlichkeit des Unternehmers nicht an; sie ist ihm eigen in der Stellung, die er in der Marktgesellschaft einnimmt. Ein früherer Unternehmer, der jetzt ein Staatsamt bekleidet, ist in dieser Eigenschaft kein Unternehmer mehr, sondern ein Bürokrat."

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