print logo

Bundeshaushalt 2024: Mehr Geld für Bildung und Wissenschaft sowie Digitales, Verteidigung und Verkehr

Das 43. Ökonomenpanel von ifo und FAZ widmete sich dem Bundeshaushalt 2024
ifo Institut | 04.07.2023
Bundeshaushalt 2024: Mehr Geld für Bildung und Wissenschaft sowie Digitales, Verteidigung und Verkehr © freepik
 

Im Rahmen der Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2024 hat das Finanzministerium erklärt, dass die Steuereinnahmen im Jahr 2024 nicht ausreichen werden, um alle Ausgabenwünsche zu decken. Es muss ernsthaft gespart und priorisiert werden. Das 43. Ökonomenpanel von ifo und FAZ widmet sich daher dem Bundeshaushalt 2024. Die Umfrage, an der 177 VWL-Professorinnen und Professoren teilnahmen, wurde vom 20. Juni bis zum 27. Juni 2023 durchgeführt.

Handlungsbedarfe für öffentliche Investitionen bei Infrastruktur, Bildung und Verteidigung

Die größten Handlungsbedarfe für öffentliche Investitionen in Deutschland bestehen nach Ansicht der Ökonominnen und Ökonomen bei der Infrastruktur für Energie, Verkehr und Digitales. Rund 81% der Befragten gaben an, dass sie in diesem Bereich einen besonders großen Handlungsbedarf sehen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer weist zudem auf öffentliche Investitionsbedarfe in Bildung und Wissenschaft (69%) sowie in äußere Sicherheit und Verteidigung (62%) hin. Mit Blick auf den Bereich Klima und Umwelt ist die Profession geteilt. Etwa die Hälfte sieht besonders große Bedarfe für öffentliche Investitionen. Die andere Hälfte teilt diese Einschätzung nicht. Für die Bereiche Familie, Wirtschaftsförderung und internationale Kooperation äußern nur wenige Ökonominnen und Ökonomen, dass dort besonders große Bedarfe für öffentliche Investitionen bestünden. Mehrfachnennungen waren möglich.

Forderung nach Erfüllen des 2%-Ziels der NATO

Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat für den NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 die Erwartung geäußert, Ausgaben von 2% des Bruttoinlandprodukts (BIPs) für Verteidigung nicht weiter als Ambition, sondern als Mindestmaß anzusehen. Deutschland gibt im Jahr 2023 etwa 1,6% des BIPs für Verteidigung aus (Dorn et al., 2023). Eine Festlegung auf 2% des BIP als Mindestmaß für Verteidigungsausgaben hätte merkliche Auswirkungen auf den deutschen Staatshaushalt. Vor dem Hintergrund des NATO-Gipfels und der anhaltenden Debatte um den Verteidigungsetat haben wir die Ökonominnen und Ökonomen daher gesondert zu Ihrer Ansicht hinsichtlich der Verteidigungsausgaben befragt.

Insgesamt sprechen sich mehr als drei Viertel der VWL-Professorinnen und VWL-Professoren für Verteidigungsausgaben von 2% des BIPs oder mehr aus. Als Begründung wird primär angeführt, dass es sich dabei um den innerhalb der NATO vereinbarten Betrag handelt und internationale Absprachen eingehalten werden sollten. Zudem wird darauf verwiesen, dass das aktuelle geopolitische Umfeld eine moderne und funktionsfähige Bundeswehr erfordert. Mit Blick auf die deutschen Verteidigungsausgaben unterstützen 33% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sogar Steigerungen auf mehr als 2% des BIPs. Sie führen an, dass aufgrund von jahrelangen Investitionsdefiziten große Nachholbedarfe bestünden, um die äußere Sicherheit gewährleisten zu können. Auf der anderen Seite sprechen sich 16% der Ökonominnen und Ökonomen für Verteidigungsausgaben von unter 2% des BIPs aus und lehnen die Einhaltung des 2%-Ziels ab. Sie führen an, dass die Mittel in anderen Bereichen eher benötigt würden, eine höhere Verteidigungsfähigkeit über Reformen statt über mehr Geld erreicht werden solle und Aufrüstung grundsätzlich skeptisch zu sehen sei. Knapp 6% antworten mit „Weiß nicht“.

Anstieg der Verteidigungsausgaben auch im Kernhaushalt

Während das „Sondervermögen Bundeswehr“ mit einem Umfang von 100 Mrd. Euro als Extrahaushalt eingerichtet wurde, waren die Mittel für das Verteidigungsministerium im Kernhaushalt zwischen 2022 und 2023 leicht rückläufig. Für das Jahr 2024 unterstützen 71% der Ökonominnen und Ökonomen einen Anstieg der Mittel für Verteidigung im Kernhaushalt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen wird eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Sondervermögen deutlich. Dies sei schuldenfinanziert, intransparent und verschleiere im Gegensatz zum Kernhaushalt, dass es sich bei der Landesverteidigung um eine Kernaufgabe des Staates handele, die dauerhaft finanziert werden müsse. Entsprechend würde eine Anhebung des Kernhaushalts als wichtiges politisches Signal gewertet, dass eine dauerhaft bessere Finanzierung der Bundeswehr angestrebt werde. Zum anderen wird auch auf die praktischen Schwächen des Sondervermögens verwiesen. Da dies nur Beschaffungsausgaben tätigen dürfe, müsse auch der Kernhaushalt aufwachsen, um die steigenden Ausgaben für Betriebskosten wie Gehälter und Pensionen finanzieren zu können. Kombiniert mit einem steigenden Kernhaushalt könne das Sondervermögen dafür genutzt werden, den Investitionsstau der Vergangenheit zu beheben. Auf der anderen Seite sprechen sich 17% der Ökonominnen und Ökonomen gegen einen Anstieg der Mittel für Verteidigung im Kernhaushalt aus. Sie betrachten die Mittel aus dem Sondervermögen als ausreichend und fordern, dass die Beschaffung und die Bundeswehr zunächst reformiert werden sollten, bevor weitere Mittel fließen. Insgesamt 12% antworten mit „Weiß nicht“.

Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben durch Konsolidierung in anderen Bereichen

Im Jahr 2023 beträgt die Lücke zwischen den tatsächlichen Verteidigungsausgaben und dem 2%-Ziel in Deutschland etwa 17 Mrd. Euro (Dorn et al., 2023). Das sind 0,4% des BIPs und 3,6% des Bundeshaushaltes. Die überwiegende Mehrheit der befragten Ökonominnen und Ökonomen spricht sich dafür aus, diese Lücke in Teilen oder vollständig zu schließen – oder sogar darüber hinaus Mittel zur Verfügung zu stellen. Die dafür notwendigen Finanzmittel wollen 71% der Ökonominnen und Ökonomen über Konsolidierungen in andere Bereichen generieren. Zudem unterstützen 33% der Teilnehmenden Steuererhöhungen und 16% neue Schulden zum Schließen der Lücke. Dagegen wollen 7% der Ökonominnen und Ökonomen die Lücke nicht schließen. 3% antworten mit „Weiß nicht“ und 4% mit „Andere“. Mehrfachnennungen waren möglich.

Keine Ausnahmen für Verteidigungsausgaben bei EU-Schuldenregeln

Ausnahmen für Verteidigungsausgaben bei den EU-Schuldenregeln lehnen 73% der Ökonominnen und Ökonomen ab. Sie argumentieren, dass es sich bei Verteidigung um eine dauerhaft zu erfüllende Kernaufgabe des Staates handele. Sie sorgen sich zudem um die Folgen einer solchen Ausnahme, da diese zu weiteren Ausnahmen und damit zu einer Verwässerung der Regeln führen würde. Auf der anderen Seite sprechen sich 20% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine Ausnahmeregelung bei Verteidigungsausgaben mit Blick auf die EU-Schuldenregeln aus. Sie führen an, dass in der aktuellen geopolitischen Lage auch kurzfristig ausreichend Gelder zur Verfügung stehen müssen, um die Verteidigungsfähigkeit in Europa zu verbessern. 7% antworten mit „Weiß nicht“.

Unterstützung für Erhöhung der Eigenkapitalquoten und Ausweitung auf Staatsanleihen

Nach dem Ende der aktuellen Turbulenzen sollten die Eigenkapitalquoten für europäische Banken laut 72% der teilnehmenden Professorinnen und Professoren erhöht werden. Zum einen führen sie aus, dass so weiteres Risko vom Staat bzw. von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern auf Banken übertragen wird und dies die Banken zu einem risikobewussteren Handeln bewegt. Zum anderen sehen sie darin eine vertrauensbildende Maßnahme, die das System als Ganzes resilienter macht und damit auch einzelne Banken vor einem Bankansturm besser schützt. Sie sehen im hohen Eigenkapital eine zuverlässige und effektive Form der Bankenregulierung, die künftige Finanzkrisen verhindern kann. Nur 16% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprechen sich gegen höhere Eigenkapitalquoten aus. Sie bewerten die Quoten als ausreichend hoch und sehen bei einer Erhöhung die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken gefährdet. 

Zudem unterstützen 76% der deutschen Ökonominnen und Ökonomen die Forderung, in Zukunft auch Staatsanleihenportfolios verpflichtend mit Eigenkapital zu unterlegen. Sie geben an, dass auch Staatsanleihen Kredit- und Zinsänderungsrisiken haben und entsprechend abgesichert werden sollten. Zudem gäbe es wegen der aktuellen Sonderregelung für Staatsanleihen einen Finanzierungsvorteil für Regierungen und entsprechende Marktverzerrungen. 9% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lehnen die Forderung nach einer Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihenportfolios ab.