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Neue Seidenstraße: China muss immer häufiger seine Schuldner retten

Laut Studie sind mittlerweile 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht (Stand 2022).
IfW Kiel | 28.03.2023
Bilaterale Rettungskredite Chinas © IfW Kiel
 

Immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländer, die von China für den Bau von Infrastruktur im Rahmen der Neuen Seidenstraße Kredite aufgenommen haben, können diese nicht mehr planmäßig bedienen. In der Folge hat Peking die Vergabe von Rettungskrediten in den letzten Jahren drastisch ausgeweitet. Eine Analyse von Forscherinnen und Forschern von AidData, der Harvard Kennedy School, dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und der Weltbank macht die Dimension nun erstmals öffentlich.

Laut Studie sind mittlerweile 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht (Stand 2022). 2010 lag dieser Anteil noch bei gerade einmal 5 Prozent. Um die Ausfälle zu verhindern, vergibt Peking Rettungskredite im großen Stil. Bis Ende 2021 zählen die Autoren 128 Rettungsdarlehen an 22 Schuldnerländer im Gesamtwert von 240 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil davon – 170 Mrd. US-Dollar – wird über Zentralbankkredite vergeben, die für internationale Organisationen und Ratingagenturen besonders schwer nachzuvollziehen sind.

Dabei handelt es sich zumeist um Refinanzierungskredite, also die Verlängerung von Laufzeiten oder Zahlungszielen bzw. um die Vergabe neuer Kredite zur Finanzierung fälliger Schulden. Der Erlass von Schulden findet nur äußerst selten statt. Die reguläre Kreditvergabe für neue Infrastruktur- und Energieprojekte haben chinesische Banken als Folge der umfangreichen Rettungskredite drastisch reduziert, was laut Analyse Fragen zur Zukunft der Neuen Seidenstraße aufwirft.

Die Studie "China as an International Lender of Last Resort" wurde von Sebastian Horn (Weltbank), Brad Parks (AidData, William & Mary University), Carmen Reinhart (Harvard Kennedy School, ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank) und Christoph Trebesch (Kiel Institut für Weltwirtschaft) verfasst. Für den zugrundeliegenden Datensatz zu Rettungskrediten, der frei zugänglich ist, haben die Autoren unter anderem systematisch die Bilanzen von Zentralbanken ausgewertet.

Den Autoren zufolge behandelt Peking Schuldnerländer mit Zahlungsschwierigkeiten sehr unterschiedlich. Länder mit mittlerem Einkommen stellen große Bilanzrisiken für die chinesischen Banken dar, weil auf sie 80 Prozent bzw. mehr als 500 Mrd. US-Dollar der gesamten chinesischen Auslandskredite entfallen. Chinas Führung hat daher große Anreize, einen Zahlungsausfall dieser Länder auf jeden Fall zu verhindern. Sie bietet ihnen im Fall von Zahlungsschwierigkeiten in der Regel neue Kredite an, um damit die alten Schulden zu tilgen. Da viele dieser Länder eine schwache Bonität und geringe Devisenreserven haben, ist das Ausfallrisiko für die neuen Kredite also entsprechend hoch.

Auf Länder mit niedrigem Einkommen entfallen nur 20 Prozent der chinesischen Auslandskredite. Diese Kredite sind für die Stabilität des chinesischen Bankensektors daher weniger wichtig. Niedrigeinkommensländer erhalten deswegen selten neue Gelder. Bei Zahlungsschwierigkeiten steht ihnen in der Regel nur die Option eines Staatsbankrotts oder einer Umschuldung, etwa durch eine Streckung der Fälligkeiten, zur Verfügung.

„Peking versucht, eigene Banken zu retten“

„Chinesische Banken haben ein Interesse daran sicherzustellen, dass ihre größten ausländischen Kreditnehmer ausreichend liquide sind, um die ausstehenden Schulden für Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraße weiter zu bedienen. Peking versucht letztlich, seine eigenen Banken zu retten. Deshalb hat es sich auf das riskante Geschäft der internationalen Rettungskredite eingelassen", sagt Carmen Reinhart. "Aber wenn man einen Schuldner retten will, der in Verzug ist oder kurz davor steht, muss man sich im Klaren darüber sein, ob man versucht, ein kurzfristiges Liquiditätsproblem oder ein langfristiges Solvenzproblem zu lösen.“

Die Autoren der Studie sehen Parallelen zu den europäischen Rettungskrediten an Griechenland und andere südeuropäische Länder während der Eurozonenkrise. Auch damals spielte die Rettung von einheimischen Banken eine wesentliche Rolle bei der Vergabe von Rettungskrediten.

Bislang hat China Rettungskredite an 22 Länder vergeben, darunter Ägypten, Argentinien, Ecuador, Laos, die Mongolei, Pakistan, Surinam, Sri Lanka, die Türkei, die Ukraine, Venezuela und Weißrussland. Dabei liegt der durchschnittliche Kreditzins mit 5 Prozent sehr hoch. Ein typischer Rettungskredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird mit nur 2 Prozent verzinst.

„Dank unserer Daten können wir Chinas wachsenden Einfluss auf die internationale Finanzordnung verstehen. Bisher war nicht bekannt, dass China ein System zur Rettung von Krisenstaaten aufgebaut hat, geschweige denn das große Ausmaß und die Empfänger der Rettungskredite“, so Trebesch.

„Chinas entschlossenes Handeln in Finanzkrisen des globalen Südens könnte ein Vorbote eines neuen, fragmentierten globalen Finanzsystems sein, in dem Rettungspakete nicht mehr allein aus Washington DC vergeben werden. Ehemalige Schwellenländer wie China oder Indien, die früher vom Westen abhängig waren und Notkredite erhielten, werden heute immer häufiger selbst zu aktiven Gläubigern.“

„Peking hat ein neues globales System für grenzüberschreitende Rettungsdarlehen geschaffen, aber auf undurchsichtige und unkoordinierte Weise", so Parks. „Sein strikt bilateraler Ansatz hat die Koordinierung der Aktivitäten aller wichtigen Kreditgeber erschwert, was bedenklich ist, da die Lösung von Staatsschuldenkrisen in der Regel ein gewisses Maß an Koordination zwischen den Gläubigern erfordert.“