print logo

Deutschland kommt bei der Korruptionsbekämpfung nicht voran

Korruptionswahrnehmungsindex 2022: Wachsende Gefahr durch Autokratien, die Korruption als strategische Waffe einsetzen.
Deutschland kommt bei der Korruptionsbekämpfung nicht voran © freepik / rawpixel
 

Transparency International hat heute den Korruptionswahrnehmungsindex 2022 (Corruption Perceptions Index, CPI) veröffentlicht. Der jährlich erscheinende Index ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Er umfasst 180 Staaten und Gebiete und bewertet den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption. Der Index beruht auf der Einschätzung von Expert:innen sowie Führungskräften.

Auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) erreicht Dänemark im CPI 2022 als Spitzenreiter 90 Punkte. Den letzten Platz belegt Somalia mit 12 Punkten. An der Spitze des Rankings finden sich insbesondere Staaten mit starken rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen wie Finnland, Norwegen und die Schweiz. Am Ende des Rankings stehen insbesondere Staaten, in denen staatliche Institutionen zerfallen und die von gewaltsamen Konflikten geprägt sind, wie Syrien, Südsudan, Jemen und Libyen.

Zu den Ländern, die im internationalen Vergleich in den vergangenen zehn Jahren am meisten Punkte eingebüßt haben, zählen die Türkei und Ungarn. Beide Länder erhalten 13 Punkte weniger als im CPI 2012. Dies steht im Zusammenhang mit der Beschneidung der Unabhängigkeit der Justiz, Medien und Zivilgesellschaft, die für die Korruptionsbekämpfung und Eindämmung von Machtmissbrauch entscheidend sind.

Gefahren durch strategische Korruption

In den vergangenen Jahren wurde mehr und mehr sichtbar, welche Gefahren von Korruption als strategischem Instrument der Außenpolitik autokratischer Regime ausgehen. Die Auswirkungen der jahrelangen Bemühungen Russlands, die europäische Demokratie zu untergraben, sind im vergangenen Jahr im Zuge des Angriffs auf die Ukraine deutlich zu Tage getreten. Dazu erklärt Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency Deutschland:

„Weltweit setzen autokratische Staaten Korruption als Waffe ein, um ihre Interessen durchzusetzen und die politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität in demokratischen Ländern auszuhöhlen. Das Ziel sind insbesondere Europa und Deutschland, wie zuletzt auch „Katargate“ sowie die Aserbaidschan-Affäre gezeigt haben. Wir müssen dem entschlossen entgegentreten. Die G7-Staaten haben 2022 Korruption endlich als Gefahr für die nationale Sicherheit benannt. Die Bundesregierung muss folgen und Korruptionsbekämpfung zur Priorität machen. Ein erster Schritt wäre es, die Bekämpfung von Korruption in der Nationalen Sicherheitsstrategie zu verankern. Außerdem muss Deutschland deutlich stärker gegen Geldwäsche und verdeckte transnationale Geldströme vorgehen.“

Strategische Korruption findet in unterschiedlichen Formen und über alle politischen Ebenen hinweg statt: Aserbaidschan ließ einer Reihe von Delegierten im Europarat, u.a. aus Deutschland, Geld und Vorteile im Gegenzug für wohlwollendes Verhalten und positive Statements zukommen. Katar und Marokko erkauften sich laut Medienberichten die Unterstützung prominenter Europaabgeordneter. Welche langfristigen Folgen das Phänomen haben kann, zeigt sich im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine: Russland baute über Jahre mit Hilfe massiver finanzieller Mittel ein Einflussnetzwerk auf Bundes- und Landesebene auf. Beispiele hierfür sind nicht zuletzt lukrative Posten für den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Unterstützung von AfD-Politikern, die Finanzierung der landeseigenen „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ und Desinformationskampagnen. So konnte Russland politische Entscheidungen zum Beispiel in der Energiepolitik beeinflussen und seine geostrategische Position stärken.

Situation in Deutschland

Deutschland verliert im Vergleich zum Vorjahr leicht und erhält 79 Punkte – die niedrigste Punktzahl seit 2014. Damit erreicht Deutschland im internationalen Vergleich den neunten Rang. Dazu erklärt Margarete Bause, stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland:

„Der Korruptionswahrnehmungsindex zeigt, dass Deutschland seit zehn Jahren bei der Korruptionsbekämpfung nicht entscheidend vorankommt. Zwar stehen wir im internationalen Vergleich relativ gut da, weil zum Beispiel Alltagskorruption in Polizei oder Verwaltung hierzulande kaum eine Rolle spielt. Doch Skandale wie die Maskenaffäre oder Cum-Ex haben zuletzt das Vertrauen in die Integrität von Politik und Wirtschaft geschwächt. Trotz wichtiger Reformen wie der Einführung des Lobbyregisters hat Deutschland weiterhin viele Baustellen: Als Lehre aus dem Maskenskandal und der Aserbaidschanaffäre ist eine Verschärfung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung überfällig. Außerdem warten wir weiterhin auf die Einführung des legislativen Fußabdrucks und einer unabhängigen Lobbykontrolle. Zur Prävention und Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität müssen die Behörden deutlich schlagkräftiger werden.“

Transparency Deutschland fordert unter anderem, die Strafverfolgungsbehörden und Justiz besser auszustatten, die Geldwäscheaufsicht zu verbessern und zügig ein Unternehmensstrafrecht einzuführen.

Methodik

Der CPI ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator und misst die in Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption. Er fasst 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen zusammen und beruht auf Daten aus Einschätzungen von Expert:innen und Befragungen von Führungskräften. Er bezieht sich auf den öffentlichen Sektor und erfasst keine Aktivitäten wie Steuerbetrug, Geldwäsche, illegale Finanzströme oder andere Formen der Korruption im privaten Sektor.