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Energiekrise bedroht Schlüsselsektoren der deutschen Industrie

Die deutsche Industrie wird besonders hart von steigenden Gaspreisen getroffen, produziert aber weiterhin günstiger als der EU-Durchschnitt.
Energiekrise bedroht Schlüsselsektoren der deutschen Industrie © freepik / sitthiphong
 

Die globale Energiekrise trifft Europa überdurchschnittlich stark und könnte massive Verschiebungen der europäischen Wirtschaftsstruktur bis hin zu einer Deindustrialisierung auslösen. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Analyse „Business Impact Energy Prices” von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Während Europa am Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt, variieren die Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und Industriezweigen enorm. In Deutschland schlagen sich vor allem deutlich gestiegene Gaspreise nieder und setzen neben der besonders stark betroffenen Metallindustrie auch weitere Schlüsselsektoren wie die Automobilbranche oder den Chemiesektor unter enormen Druck. Obwohl die deutsche Industrie in den meisten Branchen weiterhin günstiger als der EU-Durchschnitt produziert, könnten Unternehmen aus den am stärksten betroffenen Sektoren ihre Produktion in andere Regionen außerhalb Europas verlagern.

Energiekosten bedrohen Wettbewerbsfähigkeit Europas

Insgesamt setzt der europäischen Industrie vor allem die Abhängigkeit von russischem Gas zu, die durch die geopolitische Krise in Folge des Kriegs in der Ukraine zu einem überdurchschnittlich starken Anstieg der Energiepreise im globalen Vergleich beigetragen hat. Am Weltmarkt verliert Europa so als Produktionsstandort an Attraktivität. Allerdings betreffen die gestiegenen Energiepreise die EU-Mitgliedsstaaten aufgrund ihrer individuellen Energiepolitiken unterschiedlich stark: Während die Produktionskosten in Frankreich und südlichen Ländern wie Spanien vergleichsweise moderat steigen, geraten Länder wie Polen unter extremen Druck. Grund dafür ist der höhere Anteil von Atomstrom und erneuerbarer Energien im Energiemix von Ländern wie Frankreich oder Spanien im Vergleich zur starken Abhängigkeit von russischem Öl und Gas in Ländern wie etwa Polen. Langfristig können solche Unterschiede laut Analyse zu Strukturverschiebungen innerhalb der europäischen Industrielandschaft führen.

„Viele Unternehmen könnten sich zukünftig dazu entscheiden, ihre Produktion innerhalb Europas neu aufzustellen oder gänzlich aus Europa abzuziehen. Unternehmen sollten nun analysieren, welche Auswirkungen Energiepreissprünge auf das eigene Geschäftsmodell und auf die Profitabilität haben“, analysiert Andreas Späne, Europachef von Strategy&. „Gleichzeitig besteht für Unternehmen derzeit die Chance, mit der Erhöhung der Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien neben der Energiekrise auch den Klimawandel zu adressieren und die Dekarbonisierung voranzutreiben.“

Deutsche Industrie trotz Gaspreisen – zumindest zum Teil

In Deutschland ist der durchschnittliche Gaspreis zwischen Januar bis August dieses Jahres aufgrund der überproportionalen Abhängigkeit von russischen Importen und der daraus resultierenden Problemen nach Beginn des Kriegs in der Ukraine um mehr als 450 Prozent gegenüber dem Durchschnittspreis zwischen 2016 und 2018 gestiegen. Dennoch liegen die Produktionskosten des Landes aufgrund des vergleichsweise diversifizierten Energiemixes aus erneuerbaren Energien, Kohlekraftwerken sowie Kernenergie nach wie vor unterhalb des EU-Durchschnitts. Die gestiegenen variablen Kosten drücken aber in fast allen deutschen Industriezweigen erheblich auf die Margen. So führte der Anstieg der variablen Produktionskosten um 33 Prozent in der Metallindustrie zu einem Rückgang der Marge von rund 4 Prozent auf < 0 Prozent. In der Automobilindustrie stürzt der Gewinn infolge einer Preissteigerung von 15 Prozent bei den variablen Produktionskosten von 7,5 Prozent auf knapp 2,5 Prozent ab.

„Wir erwarten, dass die Situation für die energieintensiven Industrien auch im kommenden Jahr angespannt bleiben wird. Erst 2024 ist mit einer Entspannung am Energiemarkt zu rechenen. Um wichtige Industrien im Land zu halten, muss die Politik jetzt die richtigen Anreize setzen, um die Inflation zu drücken und die Energietransformation zu beschleunigen“, analysiert Eva Poglitsch, Director bei Strategy& Österreich und Co-Autorin der Studie. „Die Unternehmen sind ebefalls gut beraten, wenn sie neben den ad-hoc-Notfallmaßnahmen die anstehende Energietransformation durch Investitionen in erneuerbare Energien aktiv treiben, um die Widerstandsfähigkeit für zukünftige Krisen auszubauen“.