Negative Kundenerfahrungen in der Schadenregulierung kosten Versicherungen Milliardenbeträge
Bis zu 170 Milliarden Dollar an Versicherungsbeiträgen könnten Versicherungsunternehmen weltweit in den kommenden fünf Jahren verloren gehen. Grund dafür sind negative Erfahrungen der Kund:innen bei der Schadenregulierung. Weitere 160 Milliarden Dollar könnte die Branche im gleichen Zeitraum durch ineffiziente Prozesse bei der Einschätzung von Risiken (Underwriting) einbüßen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Accenture.
Für deutsche Versicherer steht ein jährliches Prämienvolumen von 1,5 Milliarden Euro auf dem Spiel. Auf Fünfjahressicht drohen Verluste von 7,4 Milliarden Euro. Besonders betroffen sind hier Autoversicherungen: 77 Prozent der Verlust entfallen auf die Kfz-Versicherung-Sparte.
Die Studie „Why AI in Insurance Claims and Underwriting?“ basiert auf einer Umfrage unter mehr als 6.700 Versicherungsnehmer:innen aus 25 Ländern sowie unter 120 Schadenexpert:innen aus 12 Ländern und mehr als 900 Underwritern in den USA. Dabei wurde untersucht, wie die Versicherungsbranche auf die aktuelle Marktdynamik, den Druck neuer Wettbewerber, die Herausforderungen für Underwriter und den wachsenden Bedarf an nahtlosen Kundenerlebnissen antwortet. Außerdem wird analysiert, wie KI-Technologien eingesetzt werden können, um die Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern sowie die Underwriting-Funktion zu optimieren.
„KI ist nicht länger eine Zukunftstechnologie, sondern eine etablierte Fähigkeit, die viele innovative Versicherungsunternehmen bereits einsetzen, um bessere Kundenerlebnisse zu schaffen und ihre Mitarbeitenden zu stärken“, erläutert Markus Heyen, Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Versicherungen bei Accenture in DACH. „Da Menschen und KI in der Versicherungsbranche immer enger zusammenarbeiten, können Unternehmen jetzt ihre Arbeitsweise neugestalten und effizienter, flexibler und anpassungsfähiger werden. Versicherer, die KI bereits nutzen, schaffen damit einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.“
Laut der Befragung war ein Drittel der Schadenberechtigen (31 %) mit der Bearbeitung ihrer Sach- und Kfz-Versicherungsansprüche unzufrieden. Von diesen 31 Prozent äußerten sechs von zehn der Versicherten (60 %) Unzufriedenheit mit der Geschwindigkeit der Abwicklung, nahezu jeder Zweite (45 %) hatte Probleme mit dem Schadensabschlussverfahren. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen seitens der Kund:innen.
Einer der Hauptgründe für einen Versicherungswechsel ist die Unzufriedenheit mit der Schadensabwicklung. Fast ein Drittel (30 %) der unzufriedenen Schadenberechtigten gab an, in den letzten zwei Jahren den Versicherer gewechselt zu haben. Weitere 47 Prozent ziehen einen solchen Anbieterwechsel ernsthaft in Betracht. Insgesamt könnten die unzufriedenen Kund:innen jährlich bis zu 34 Milliarden Dollar an Prämien einbringen, was weltweit bis zu 170 Milliarden Dollar in den kommenden fünf Jahren entspricht.
Die Studie macht zudem deutlich, dass KI-Technologien auch den Prozess der Schadenregulierung selbst positiv beeinflussen können. So gaben vier von fünf der befragten Führungskräfte in der Schadenregulierung (79 %) an, dass Automatisierung, KI und Datenanalyse auf der Grundlage von maschinellem Lernen in der gesamten Wertschöpfungskette der Schadenregulierung von Nutzen sein können.
Dies umfasse das Erkennen von Betrugsversuchen bei Schadenfällen über die KI-gestützte Schadensbewertung und -abschätzung, Rückstellung und Regulierung sowie die Optimierung der Bearbeitung und Regressnahme. Allerdings ist die Einführung dieser Technologien bis dato nur langsam vorangeschritten. Nur etwa ein Drittel der Führungskräfte in der Schadenregulierung (35 %) setzen diese Technologien in ihrer Organisation bereits ein. Dies könnte sich jedoch ändern, da fast zwei Drittel der Versicherungsunternehmen (65 %) planen, in den nächsten drei Jahren 10 Millionen Dollar oder mehr in neue Technologien zu investieren, wobei KI-basierten Anwendungen und Automatisierungstechnologien Priorität eingeräumt wird, so die befragten Schadenmanager:innen.
KI im Underwriting führt zu mehr Effizienz
Des Weiteren geht aus der Studie hervor, dass Versicherer durch den Einsatz von KI-Technologien ihre Betriebskosten im Underwriting senken und bis 2027 Effizienzgewinne von weltweit bis zu 160 Milliarden US-Dollar erwirtschaften könnten. Da Underwriter größtenteils noch mit veralteten Systemen und ineffizienten Prozessen konfrontiert sind, ergab die Studie, dass bis zu 40 Prozent ihrer Zeit für nicht zum Kerngeschäft gehörende und administrative Tätigkeiten aufgewendet wird. Dies entspricht einem jährlichen Effizienzverlust zwischen 17 und 32 Milliarden US-Dollar. Mehr als die Hälfte der befragten Underwriter (60 %) sind der Meinung, dass die Qualität der Prozesse und Tools in ihren Unternehmen verbessert werden sollte.
Allein im deutschen Markt hat der Einsatz von KI im Underwriting-Prozess ein Einsparpotenzial von 1,1 Milliarden Euro – über fünf Jahre gesehen, sogar 5,7 Milliarden Euro.
„Die Integration von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung in die Underwriting-Prozesse ist eine hervorragende Möglichkeit, die Zeit und das Know-how der Underwriter gewinnbringender zu nutzen und den weltweit drohenden Effizienzverlust von 160 Milliarden US-Dollar abzuwenden“, führt Heyen weiter aus. „Immerhin verbringen Underwriter fast die Hälfte ihrer Zeit mit administrativen Tätigkeiten, manuellen Prozessen und redundanten Dateneingaben. Auch mit Blick auf die neuen ORSA-Guidelines für Sustainability ist die Integration von KI im Underwriting für Versicherer im Grunde alternativlos.“