Weiter daheim!? Wie Remote Work auch nach Corona funktioniert
Heute Büro, morgen zu Hause? Nach Monaten der Telearbeit sehen viele Beschäftigte einer Rückkehr an den Schreibtisch im Unternehmen mit gemischten Gefühlen entgegen. Laut einer weltweiten Studie des Unternehmensberaters EY erwägt sogar mehr als die Hälfte der Belegschaft einen Jobwechsel, sollte das Ende der sogenannten Homeoffice-Pflicht ein Zurück zu traditionell starren Arbeitsmodellen bedeuten. Trotzdem ziehen Arbeitgebende nach und nach ihre Mitarbeiter von zu Hause ab. „Rechtlich gesehen dürfen sie das auch – insbesondere, wenn im Arbeitsvertrag der Betrieb als Arbeitsort verankert ist“, erklärt Paul-Benjamin Gashon, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Korten Rechtsanwälte AG. Gibt es trotzdem eine Möglichkeit für Arbeitnehmende, die Telearbeit in den eigenen vier Wänden oder am mobilen Arbeitsplatz auch nach dem Ende der sogenannten Homeoffice-Pflicht durchzusetzen?
Weiterhin kein Anspruch
Anders als beispielsweise in den Niederlanden gibt es in Deutschland keinen gesetzlich verankerten Anspruch auf Homeoffice. „Ohne Berücksichtigung des § 28b Abs. 7 des Infektionsschutzgesetzes liegt hierzulande die Entscheidung, ob Telearbeit möglich ist, grundsätzlich auf Arbeitgeberseite“, fügt Paul-Benjamin Gashon hinzu. Sofern keine Neufassung der Regelung erfolgt, tritt diese jedoch Ende Juni 2021 außer Kraft. Für die Zeit nach der Pandemie bedeutet das: Berufen Chefs ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice ab, können Beschäftige nicht verlangen, weiterhin zu Hause tätig zu sein. „Für Angestellte besteht die Option, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Allerdings dürfen Vorgesetzte diesen, zumindest in der Privatwirtschaft, auch ohne Begründung ablehnen“, betont Paul-Benjamin Gashon. „Wer sich dann der Aufforderung zur sofortigen Rückkehr ins Büro widersetzt, dem drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung.“ Über Änderungen dieser Regelung und einen neuen juristischen Rahmen wird schon seit einiger Zeit diskutiert – bisher jedoch ohne konkretes Ergebnis.
Old Work works?
Im Zuge von New Work und einer immer schneller fortschreitenden Digitalisierung gehört Telearbeit, also ein implementierter Bildschirmarbeitsplatz in den privaten Räumlichkeiten der Angestellten (§ 2 VII ArbStättV), für viele Beschäftigte bereits jetzt zur Realität. Schließlich birgt ortsunabhängiges, flexibles und vernetztes Arbeiten eine Reihe positiver Potenziale. Insbesondere die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weniger Zeitverlust und CO2-Ausstoß durch morgendliches und abendliches Pendeln sowie ein Auffangen von regionalem Fachkräftemangel werden in diesem Zusammenhang häufig genannt. Damit diese Vorteile allerdings zum Tragen kommen, gilt es die genauen Bedingungen für ein Arbeiten in den eigenen vier Wänden festzuhalten. „Stehen Chefs und Arbeitnehmer dem Thema Homeoffice offen gegenüber, ist es sinnvoll, die Implementierung im Arbeitsvertrag zu regeln“, ergänzt Paul-Benjamin Gashon. Im Idealfall werden hier neben dem zeitlichen Umfang auch die Erreichbarkeit oder die Übertragung der Dokumentationspflicht von Überstunden an den Mitarbeiter festgehalten.
Ein Stuhl macht längst kein Büro
„Wie und ab wann ein Arbeitsplatz im Homeoffice den Arbeitsschutzbestimmungen unterliegt, ist juristisch nicht genau definiert“, weiß Paul-Benjamin Gashon. In der Arbeitsstättenverordnung gibt es ausdrücklich nur einen Bezug zu Telearbeitsplätzen. „In diesem Fall muss der Arbeitgeber bestimme Vorgaben beachten“, gibt Paul-Benjamin Gashon zu Bedenken. Was das für die Beteiligten konkret bedeutet, findet sich in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten, kurz ASR. „Sie geben Auskunft über die Anforderungen an einen Arbeitsplatz im eigenen Zuhause und legen fest, dass den Mitarbeitern beispielsweise augenschonende Bildschirme sowie rückenfreundliche Bürostühle zur Verfügung stehen müssen“, so der Experte. Außerdem sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, die vorgegebenen Standards auf ihre Einhaltung zu überprüfen. „Gerade im Homeoffice ist das nicht immer leicht umzusetzen – sei es aufgrund einer zu großen räumlichen Entfernung oder der Tatsache, dass Angestellte ihrem Vorgesetzten den Zutritt ins Eigenheim verwehren können“, fügt der Jurist an. „Ist hier keine praktikable Lösung in Sicht, erlaubt der Gesetzgeber Unternehmen, Bilder vom entsprechenden Arbeitsplatz
einzufordern.“
Eine kleine Geschichte über die Zeit
Ähnlich sieht es bei der Arbeitszeit auf. „Nur weil Mitarbeiter von zu Hause arbeiten, bedeutet das nicht, dass sie in ihrer Freizeit erreichbar sein müssen“, unterstreicht Paul-Benjamin Gashon. „Grundsätzlich greift das Arbeitszeitgesetz.“ Demnach dürfen Angestellte nicht länger als acht Stunden täglich arbeiten. „Unter der Bedingung, dass mehr geleistete Stunden innerhalb der kommenden sechs Monate ausgeglichen werden, können einzelne Tage auf zehn Stunden erweitert werden“, erläutert Paul-Benjamin Gashon. Ruhezeiten sind ebenfalls klar geregelt. „Arbeiten Angestellte mehr als sechs Stunden am Tag, steht ihnen eine Pause von mindestens 30 Minuten zu. Bei mehr als neun Stunden sind es 45 Minuten – ohne die Option einer Kürzung“, so der Anwalt.