Wirtschaftsprüfung: Nicht nur die Big Four, auch die Verfolger legen zu
Die 25 nach Umsatz größten deutschen Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften (WP) haben im Geschäftsjahr 2019 im Durchschnitt zwar um 6,5 Prozent zugelegt, sich indes recht unterschiedlich entwickelt. So steht einem Umsatzplus von 30,5 Prozent bei Warth & Klein Grant Thornton (WKGT) ein Rückgang von - 10,4 Prozent bei PKF Fasselt Schlage entgegen. Die Marktkonsolidierung hat auch im zurückliegenden Geschäftsjahr zugelegt, die Big Four steigerten im Mittel den Deutschlandumsatz um 9,1 Prozent. Deloitte schaffte mit +17,5 Prozent erneut das stärkste Wachstum innerhalb der Spitzengruppe. Aber auch die unmittelbaren Verfolger setzen sich ab – und aus den sogenannten Next Ten kristallisiert sich in Deutschland aktuell eine Next Six heraus. Zu dieser Gruppe zählen Rödl & Partner – erstmals auf Rang fünf der Lünendonk®-Liste –, BDO, Ebner Stolz, Baker Tilly, Mazars und WKGT. Die genannten WP-Gesellschaften weisen jede für sich dreistellige Millionenumsätze aus und legten im Geschäftsjahr 2019 im Mittel um 14,8 Prozent zu.
Das sind erste Ergebnisse der Lünendonk®-Liste und -Studie 2020 „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“, die das Marktforschungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder, Mindelheim, in Frankfurt am Main veröffentlichte. Das Ranking steht unter www.luenendonk.de zum Download bereit, die korrespondierende Studie erscheint im August 2020.
Top 25 erzielen zusammen an die 10 Milliarden Euro
Bereinigt um Ausreißer sind die 25 führenden WP-Gesellschaften im Geschäftsjahr 2019 im Mittel um 6,5 Prozent gewachsen (2018: 7,8%). „Die Entwicklungen der einzelnen Prüfer verliefen indes recht unterschiedlich, auch innerhalb der Big Four“, sagt Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk & Hossenfelder. Deloitte zeigte erneut das stärkste Wachstum mit +17,5 Prozent und schließt immer mehr auf PwC (+6,8%), EY (+7,3%) und KPMG (+4,9%) auf.
In Summe erzielten die Top 25 im Jahr 2019 einen Umsatz in Höhe von 9,95 Milliarden Euro. Das entspricht einem Wachstum von 816 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr (2018: 9,13 Mrd. Euro). Bei einem Marktvolumen von 16,2 Milliarden Euro decken die Top 25 rund 61,4 Prozent des deutschen WP-Markts ab (Marktanteil Big Four: 49,7%).
„Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist die Dominanz der Big Four in Deutschland nicht so stark ausgeprägt“, so Hossenfelder. „Dies liegt zum einen an der Wirtschaftsstruktur mit dem starken deutschen Mittelstand, zum anderen an professionellen, ambitionierten WP-Gesellschaften, die landesweit oder regional aufgestellt sind, einem internationalen Netzwerk angehören oder selbst über eigene Auslandsgesellschaften verfügen.“
Lünendonk-Liste im Überblick:
PwC weiterhin Marktführer, EY nimmt 2-Milliarden-Euro-Marke
PricewaterhouseCoopers (PwC) ist weiterhin die größte WP-Gesellschaft Deutschlands. Mit einem Wachstum von 6,8 Prozent steigerte das Unternehmen den Inlandsumsatz auf 2.303,4 Millionen Euro. Im Vorjahr legte PwC um 4,1 Prozent zu. Im Rahmen der Prüferrotation konnte PwC einige neue Prüfungsmandate gewinnen, zum Beispiel Allianz, BMW, Fresenius, Fresenius Medical Care, Henkel und Linde. Auch bei PwC dominieren inzwischen die Advisory-Umsätze: 900 Millionen Euro stehen für 39,1 Prozent des Deutschlandumsatzes.
Auf Position zwei folgt Ernst & Young (EY) mit 2.113,0 Millionen Euro (+7,3%). In 2018 und 2019 machte das Big-Four-Unternehmen auf sich aufmerksam aufgrund der Gewinne namhafter Prüfungsmandate wie Deutsche Bank, Lufthansa, Munich Re und Volkswagen. Das Zahlenwerk des Zahlungsabwicklers Wirecard prüft EY seit dem Jahr 2009.
KPMG blieb 2019 knapp unterhalb der 2-Milliarden-Euro-Marke. Mit einem Wachstum von 4,9 Prozent auf 1.920,0 Millionen Euro belegt KPMG Rang drei der Lünendonk®-Liste. Im Geschäftsjahr 2018 legte das Unternehmen noch zweistellig zu (+10,2%). Mit Covestro und E.ON gewann KPMG zwei Prüfungsmandate hinzu.
Deloitte verdoppelt Umsatz innerhalb von vier Jahren
Deloitte wartet erneut innerhalb der Big Four mit dem höchsten Wachstum im Geschäftsjahr 2019 auf: Das Unternehmen kommt bei einer Umsatzsteigerung von 17,5 Prozent auf nunmehr 1.708,0 Millionen Euro. So hat Deloitte das Deutschlandgeschäft innerhalb von vier Jahren verdoppelt. Auch diesmal baute das Unternehmen das Audit-Geschäft aus. Im Advisory erzielte Deloitte fast 1 Milliarde Euro (993 Mio. €).
Next Ten entwickeln sich zur Next Six
Fachkreise nennen das Verfolgerfeld der Big Four Next Ten. Beim Blick auf die aktuelle Lünendonk®-Liste 2020 setzen sich sechs Unternehmen ab. Diese WP-Gesellschaften weisen jede für sich dreistellige Millionenumsätze aus und legten im Geschäftsjahr 2019 im Mittel um 14,8 Prozent zu.
Angeführt wird diese Gruppe von Rödl & Partner. Erstmals seit Herausgabe der Lünendonk®-Liste „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“ (2006) belegt das Nürnberger Unternehmen mit 264 Millionen Euro Umsatz Platz fünf des Rankings (+11,8%). Zudem hat Rödl & Partner sich von einer Personengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewandelt.
BDO investiert im Jubiläumsjahr kräftig
BDO rangiert mit 262,1 Millionen Euro auf Position sechs (+8,6%). Im 100. Jahr seines Bestehens hat das Hamburger Unternehmen stark die Digitalisierung gefördert – so etwa mit dem BDO Prüfungstool APT NG, das als weltweite Lösung Prüfungen auch von Konzernen ermöglicht. Darüber hinaus hat BDO in ein weltweit nutzbares Kollaborationstool, das BDO Global Portal, investiert.
Erneut zweistellig gewachsen ist Ebner Stolz (+18,6%). Mit 252,8 Millionen Euro Umsatz belegt die Stuttgarter WP-Gesellschaft weiterhin Rang sieben, gefolgt von Baker Tilly. Das Düsseldorfer Unternehmen kam im Jahr 2019 auf 165,0 Millionen Euro Umsatz (8,7%).
Mazars wächst zweistellig – und WKGT sogar um 30 Prozent
Mazars legt mit einem Wachstum von 10,5 Prozent zweistellig zu und nimmt mit 158,0 Millionen Euro Umsatz Platz neun des Rankings ein. In 2019 fällt die Hamburger WP-Gesellschaft durch ihren organischen Wachstumskurs auf. Ausschlaggebend hierfür sind beispielsweise neue Prüfungs- und Beratungsmandate bei international tätigen mittelständischen Unternehmen und Konzernen wie A.T.U und Opel. Weltweit setzt sich Mazars für Joint Audit ein, also der Jahresabschlussprüfung durch zwei WP-Gesellschaften.
Warth & Klein Grant Thornton wuchs im zurückliegenden Geschäftsjahr 2019 um 30,5 Prozent und schließt mit 136,6 Millionen Euro zum Verfolgerfeld auf. Das organische Wachstum trägt mit rund 12 Prozent zu dieser Entwicklung bei. Zudem hat der Zusammenschluss mit der Berliner WP-Gesellschaft Trinavis einen wichtigen Beitrag zum Wachstum geleistet. Zusätzlich wurde die Umsatzentwicklung durch Full-Year-Effekte aus den Investitionen in Advisory und Legal positiv beeinflusst.
RSM setzt Rekordwachstum fort
RSM arbeitet sich weiter nach oben und nimmt im aktuellen Ranking Platz elf ein. In 2019 erzielte die Düsseldorfer WP-Gesellschaft 77,9 Millionen Euro Umsatz (+29,0%). Das starke Wachstum ist unter anderem bedingt durch die Übernahme des Frankfurter Standortes von PKF Fasselt Schlage zum Jahresbeginn 2019. Sollte der Wachstumskurs beibehalten werden, wird auch RSM in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenumsatz in Deutschland generieren. Weltweit belegt RSM den sechsten Rang.
Sowohl das RSM-Wachstum als auch der Umsatzrückgang von PKF Fasselt Schlage um -10,4 Prozent auf 58,8 Millionen Euro zeichnen für das Abrutschen auf Rang zwölf verantwortlich. Knapp dahinter folgt mit 56,0 Millionen Euro Dornbach aus Koblenz (-3,4%). ETL rangiert hingegen mit einem Umsatzplus von 7,9 Prozent mit 53,7 Millionen Euro auf Platz 14. Die Berliner WP-Gesellschaft hat in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich an Umsatz zugelegt und Standorte erweitert.
DHPG erstmals über 50 Millionen Euro Umsatz
Die Bonner WP-Gesellschaft DHPG wuchs in 2019 um 7,8 Prozent auf 52,8 Millionen Euro Umsatz. Erstmals überspringt das Unternehmen die 50 Millionen-Euro-Marke. Die Münchener WP-Gesellschaft LKC nimmt mit 44,0 Millionen Euro Rang 16 ein (+4,0%).
Falk & Co. verbessert sich um einen Platz auf Rang 17 (41,5 Mio. €; +6,7%) und liegt nun vor Möhrle Happ Luther (40,0 Mio. €; +2,8%). Weil Curacon in 2019 mit einem Anstieg von 7,8 Prozent sich besser entwickelte als Bansbach (-1,3%), belegt die Münsteraner WP-Gesellschaft Platz 19. Solidaris folgt mit 36,2 Millionen Euro Umsatz auf Rang 21.
Dr. Kleeberg macht erneut eine Position gut
Aufgrund eines überproportionalen Wachstums von 22,2 Prozent steigt Moore BRL mit 33,0 Millionen Euro Umsatz neu ins Ranking ein. Die Hamburger WP-Gesellschaft rangiert auf Platz 22, gefolgt vom Neueinsteiger der vergangenen Lünendonk®-Liste Dr. Kleeberg. Das Münchener Unternehmen macht mit einem Plus von 10,9 Prozent eine Position gut. Fides rutscht auf Platz 24 ab (31,9 Mio. €; -0,3%). RWT aus Reutlingen schließt mit 30,6 Millionen Euro das Top-25-Ranking ab (-2,5%).
Marktvolumen 2019 steigt auf über 16 Milliarden Euro
Hinsichtlich des Marktvolumens erzielte die WP-Branche in 2019 laut Lünendonk ein Wachstum von +5,6 Prozent (16,2 Mrd. €). Die Big Four steuern 634 Millionen Euro zu dieser Entwicklung bei, die Positionen fünf bis 25 der Lünendonk®-Liste 182 Millionen Euro. „Eine Prognose für das aktuelle Geschäftsjahr ist aufgrund der Covid-19-Pandemie nur wenigen Studienteilnehmern möglich“, sagt Hossenfelder. „Da die Feldphase der Studie in den Lockdown fiel, haben nur sehr wenige WP-Gesellschaften eine belastbare Planzahl herausgeben können.“
Next Six sehen organische Wachstumsfelder im Audit
Die 25 größten WP-Gesellschaften sehen weiterhin die höchsten Wachstumspotenziale außerhalb der Wirtschaftsprüfung. Vor allem Steuerberatung, Corporate Finance, Consulting und Rechtsberatung stehen im Fokus. Interessant ist hingegen der Blick auf die Next Six: Auf einer Skala von -2 (geringe Wachstumschancen) bis +2 (hohe Wachstumschancen) votieren die sechs WP-Gesellschaften im Mittel mit 1,2.
Aufnahmekriterien des Rankings
Die jährlich erscheinende Lünendonk®-Liste ist ein Ranking der 25 nach Inlandsumsatz führenden WP-Gesellschaften in Deutschland. Wegen des heterogenen Anbieterfeldes unterliegt das Ranking folgenden Aufnahmekriterien: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes resultieren aus Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung (ohne Steuerdeklaration und Buchhaltung), Corporate Finance und/oder Rechtsberatung. Davon müssen mindestens 15 Prozent auf Wirtschaftsprüfung entfallen (reine Abschlussprüfung, ohne wirtschaftsprüfungsnahe Beratung). Zudem finden nur selbstständig organisierte WP-Gesellschaften Berücksichtigung – Netzwerke respektive Allianzen werden separat aufgeführt.
Studienbezug
Die detaillierte Lünendonk®-Studie 2020 „Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“ auf Basis der Befragung über Strukturen, Strategien, Planungen und Restriktionen der 25 führenden sowie 50 weiterer mittelgroßer und kleinerer WP-Gesellschaften sowie Netzwerke/Allianzen wird im August 2020 zum Preis von 2.200,- Euro (zzgl. MwSt.) bei Lünendonk vorliegen.