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Auch nach 25 Jahren noch viele Unterschiede zwischen Ost und West

Am Anfang stand ein politischer Willensakt. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vor 25 Jahren ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte.
Doch die Jahre der Teilung und die Umbrüche der Nachwendezeit haben Spuren hinterlassen. In vielen Bereichen bestehen nach wie vor Unterschiede zwischen Ost und West. Bis die beiden einst getrennten Teile wirklich zusammengewachsen sind, wird es wohl mindestens eine weitere Generation dauern.

Fast die Hälfte der Deutschen ist auch ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung der Ansicht, dass es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen gibt. So nimmt gut ein Drittel derjenigen Ostdeutschen, die generelle Unterschiede nicht abstreiten, Westdeutsche als arrogant wahr. Diese wiederum empfinden ihre Mitbürger im Osten teilweise als unzufrieden und anspruchsvoll. Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sowohl Ost- als auch Westdeutsche ihre Landsleute im jeweils anderen Teil Deutschlands für besserwisserisch halten.

Zu diesem Befund kommt eine Befragung, die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung eigens für seine neue Studie „So geht Einheit“ vom GfK Verein hat durchführen lassen. Welches Bild Ost- und Westdeutsche voneinander und von sich selbst haben, ist dabei nur eines von 25 Themenfeldern, in denen diese Studie der Frage nachgeht, wie weit das einst geteilte Deutschland in den vergangenen 25 Jahren zusammengewachsen ist.

„Das Ergebnis hat uns selbst erstaunt“, sagt Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts. „Ob bei der Bevölkerungsentwicklung, der Wirtschaftskraft, den Vermögen, den Erbschaften oder der Größe der landwirtschaftlichen Betriebe – überall zeichnet sich ziemlich exakt die alte Grenze ab.“

Nicht immer schneidet dabei der Osten schlechter ab. Zwar verdienen Ostdeutsche nach wie vor nur drei Viertel des Durchschnittseinkommens Westdeutscher, sie arbeiten im Jahresdurchschnitt länger und weisen dennoch eine geringere Produktivität aus – eine Folge der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur, die nach dem Zusammenbruch der DDR-Industrie entstanden ist. Aber bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen und bei der Kinderbetreuung liegt der Westen noch weit unter dem Ostniveau. Auch die Vorstellung, dass Kinder Schaden davontrügen, wenn sie schon im zarten Alter zeitweilig außerhalb des eigenen Zuhauses betreut werden, ist im Osten deutlich schwächer ausgeprägt.

In manchen Bereichen entstehen anstelle der alten Ost-West-Unterschiede auch Differenzen entlang anderer Dimensionen. So haben die fünf Flächenländer im Osten seit der Einheit massiv Bevölkerung verloren, vor allem durch Abwanderung junger Menschen, während der Westen weiterhin wächst. Bundesweit legen jedoch vor allem die wirtschaftsstarken Städte zu, die entlegenen ländlichen Gebiete hingegen verlieren überall Bevölkerung.

Weitgehend angenähert haben sich Ost und West bei den Konsumgewohnheiten und den Bildungsabschlüssen, der Lebenserwartung und den Kinderzahlen. Nach dem „Geburtenloch“, dem massiven Einbruch der Kinderzahl je Frau in den neuen Bundesländern zu Beginn der 1990er Jahre, hat sich dieser Wert inzwischen bundesweit bei rund 1,4 eingependelt. In einigen Teilen Ostdeutschlands liegt er heute sogar über dem Durchschnitt, was vor allem an dem geringeren Anteil Kinderloser liegt.

Viele der Unterschiede, die sich 25 Jahre nach der deutschen Einheit noch immer finden, gehen darauf
zurück, dass die Jahre der Teilung unter gänzlich unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen
Systemen nachwirken. Auch die gewaltigen Umbrüche, die vor allem die Ostdeutschen nach dem Fall
der Mauer erlebten, hinterlassen nach wie vor ihre Spuren.

In der Einschätzung von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, den das Berlin-Institut für die Studie interviewt hat, macht sich bis heute bemerkbar, dass die Löhne und Preise in der DDR von einem Tag auf den anderen im Verhältnis 1:1 auf die D-Mark umgestellt wurden. Hingegen lobt Schmidt, dass der damalige Kanzler Helmut Kohl mit seinem Zehn-Punkte-Plan die Vereinigung der beiden deutschen Staaten so entschlossen vorantrieb.

„Einheit ist eben kein politischer Willensakt“, so lautet das Fazit von Reiner Klingholz, „sondern ein langsamer Prozess, der mindestens noch eine Generation dauert.“

Die Studie erhalten Sie als PDF kostenlos unter:
http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/so-geht-einheit.html