Deutscher Handelskongress 2014 - Alles bleibt anders
Mit modernen Konzepten, dem Aufbau eigener Online-Welten und einer personalisierten Ansprache stellt sich der deutsche Einzelhandel auf die fortschreitende Digitalisierung ein. Sorge bereitet der Gesetzgeber, der die unternehmerischen Spielräume zunehmend einengt. In Berlin ermunterten Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die Branche, den Wandel mutiger zu gestalten und die Konsumenten als Innovationspartner einzubinden.
Anhaltender Online-Boom, spürbare Frequenzrückgänge, gesetzliche Mehrauflagen: Der stationäre Handel in Deutschland befindet sich in keiner einfachen Situation. Gleichwohl ist er alles andere als verloren. Entscheidend für künftigen Erfolg sind neben dem tiefgehenden Kundenverständnis vor allem aktives Beziehungsmanagement und offene Innovationskultur. Diese Analyse zogen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf dem Deutschen Handelskongress 2014 im Maritim Hotel Berlin, an dem rund 1.300 Gäste teilnahmen.
Die Leitveranstaltung für die Branche und ihre Partner stand in diesem Jahr unter dem Motto „Handel neu denken“. Anhand erfolgreicher Projekte und mutiger Konzepte illustrierten mehr als 100 Referenten aus dem In- und Ausland, welches Potenzial die Digitalisierung auf Basis veränderter Konsummuster und alternativer Lebensentwürfe für stationäre Anbieter hat. Dafür aber müssten diese auf ihre Kunden zugehen, ihnen genauer zuhören und sie vor allem besser verstehen lernen. „Big Data“ war in diesem Kontext ein Schlagwort auf dem Kongress.
Im Strukturwandel der Branche gäben die Konsumenten den Takt vor und würden damit zu „aktiven Gestaltern der Wertschöpfungskette“, betonte Josef Sanktjohanser als Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE) in seiner Eröffnungsrede: „Der Handel bleibt, aber anders!“ Dabei sei er allerdings auf die Unterstützung durch die Politik angewiesen, etwa in Form investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen. „Die Bundesregierung macht derzeit oft leider das Gegenteil“, kritisierte Sanktjohanser unter dem Eindruck immer neuer Belastungen.
Die Große Koalition konzentriere sich in ihrer Arbeit auf Umverteilung und Regulierung – dies nehme den Händlern entscheidende Spielräume, den tiefgreifenden Umbruch aktiv und erfolgreich zu gestalten, mahnte Sanktjohanser. Als Beispiele für eine wachstumshemmende Politik“ nannte er die Rente mit 63 und den gesetzlichen Mindestlohn. Eindringlich forderte der HDE-Präsident die Regierungskoalition dazu auf, den Strukturwandel der gut 400.000 Betriebe mit ihren 3,1 Millionen Beschäftigten „mit geeigneten Maßnahmen“ zu begleiten.
Ein Regulierungsmoratorium ließ sich Bundesarbeits-und Sozialministerin Andrea Nahles auf dem Deutschen Handelskongress zwar nicht abringen. Dennoch betonte sie in ihrer Rede die Bereitschaft zum konstruktiven Miteinander: „Das gesamte Kabinett hat ein Interesse daran, die erheblichen Herausforderungen, vor denen Ihre Branche steht, positiv zu begleiten.“ Wenn allerdings Selbstregulierung und Selbstverwaltungsstrukturen der Wirtschaft oder einzelner Branchen nicht mehr funktionierten, müsse die Politik eingreifen, mahnte die Ministerin.
Den Appell von Sanktjohanser, weitere Gesetze „mit Maß zu machen und insbesondere die Ausführungsbestimmungen nicht zu bürokratischen Monstern werden zu lassen“, konterte Nahles mit der Aufforderung, „im Gespräch zu bleiben und Ihre Interessen einzubringen; in jedem Fall werde ich diesen Dialog einer weiteren gesetzlichen Tätigkeit vorschalten“. Auch Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, ging auf dem von ZDF-Journalistin Dunja Hayali moderierten zweitägigen Kongress auf die Branche zu.
Selbstkritisch räumte Dobrindt in seiner Rede ein, die Koalition habe „in der Tat den Handel bisher nicht so stark adressiert, wie wir dies im Bereich der Mobilität oder der Industrie getan haben“. Zu den vorrangigsten Aufgaben der Politik zähle, für mehr soziale Marktwirtschaft in der digitalen Ökonomie zu sorgen und den Rahmen für einen flächendeckenden Zugang zu modernen Breitbandtechnologien zu setzen. Als Beispiel nannte Dobrindt die „Netzallianz digitale Wirtschaft“, die 2015 acht Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren will.
Zugleich warb Dobrindt dafür, „Big Data“ als Chance zu begreifen. Komplexe Technologien und große Datenmengen bildeten die Grundlage für neue Wertschöpfung, sagte der Minister: „Wer glaubt, er könne künftiges Wirtschaftswachstum vom Datenwachstum abkoppeln, wird nichts anderes tun als unsere Gesellschaft vom Wohlstand abzukoppeln.“ Auch in den parallel veranstalteten Strategieforen, der erstmals errichteten Speakers’ Corner und auf der kongress-begleitenden Messe mit rund 50 Ausstellungsständen war „Big Data“ eines der Streitthemen.
Die Sammlung immer größerer Datenmengen mache allein Sinn, wenn deren Auswertung für die Wirtschaft mit einem konkreten Nutzen verbunden sei, so der Tenor. Statt des Buzzwords „Big Data“ solle in der Praxis der Begriff „Smart Data“ geprägt werden. Einig waren sich die Teilnehmer des Deutschen Handelskongresses, dass das Wissen um die Bedürfnisse und die Erwartungen der Konsumenten gerade im Wettbewerb mit reinen Online- und Direktanbietern – ungeachtet der Kernkompetenzen des stationären Handels – erfolgsentscheidend sei.
Es sei wesentlich zu verstehen, was für die eigene Klientel wichtig sei – und nicht, was die Technik möglich mache, begründete Dorothea Ern-Stockum, Deutschland-Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Kurt Salmon. Umso überraschter zeigte sie sich angesichts der Ergebnisse einer mit dem HDE durchgeführten Studie, nach der das Thema Personalisierung vom stationären Handel „bisher gar nicht so hoch bewertet“ werde. Der Handel müsse „raus aus seiner reaktiven Rolle und anfangen, seine Konsumentenbeziehungen aktiv zu managen“.
Als Konsequenz sieht Ern-Stockum auf die hiesige Branche einen „maßgeblichen“ Change-Management-Prozess zukommen. Die Herausforderung, vor der insbesondere viele kleinere Händler, aber auch sein eigens Haus stünden, illustrierte Riccardo Sperrle, Chief Information Officer der Tengelmann-Gruppe: „Wir bauen gerade an der Brücke zwischen alter und neuer Welt, auf der wir aber schon stehen müssen.“ Und, könnte man hinzufügen, die unbedingt die Stützpfeiler der Politik benötigt – auch und gerade auf dem Gebiet der Stadtentwicklung.
Ermutigende Signale in diesem Zusammenhang kamen von der zuständigen Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks. In ihrer Rede bekräftigte sie auf dem Deutschen Handelskongress, das Handels- und Dienstleistungsgewerbe sei „wichtiger Kernbestand einer urbanen Mitte, auch in Zeiten des digitalen Wandels“. Das Ziel ihres Ressorts sei, Städte und Dorfkerne gerade im ländlichen Raum zu erhalten. „Wir müssen diese als Kristallisationspunkte für das Umfeld bewahren“, so Hendricks. Die Ministerin nahm aber auch die Branche in die Pflicht.
„Der Handel muss sich die Frage beantworten, wie er in Zukunft die Menschen erreicht, die ihn nicht mehr erreichen“, sagte Hendricks mit Blick auf den demografischen Wandel, „ich ermuntere Sie, eigene Logistikkonzepte aufzubauen.“ Zuvor hatte Prof. Dr. Werner Reinartz, Direktor des Instituts für Handelsforschung (IFH) an der Uni Köln, erste Ergebnisse einer auf drei Jahre angelegten Studie präsentiert. Demnach verbuchten abseits der Ballungsräume fast zwei Drittel der Händler in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Frequenzrückgänge.
In den kommenden sechs Jahren sieht Reinartz bis zu 50.000 stationäre Betriebe gefährdet. Umso leidenschaftlicher warben die Referenten auf dem Deutschen Handelskongress für eine neue Innovationskultur. Eine Schwierigkeit dabei sei, solche Innovationen voranzutreiben, die die Kunden auch wirklich wollten, sagte Dr. Stephan Zoll, Vice President Ebay Deutschland. Das, betonten alle Redner, gelinge nur, indem sich Unternehmen öffneten, ihre Kunden in den Prozess integrierten und diesen auf allen Kanälen einen emotionalen Mehrwert böten.
Béatrice Guillaume-Grabisch, Vice President Zone Europe beim Schweizer Nestlé-Konzern, bedauerte in ihrem Vortrag, in der Handelslandschaft herrsche oft der Denkansatz vor, den bestehenden Kuchen zu verteilen, „statt den Kuchen größer zu machen“. Sie warb für einen Schulterschluss mit der Industrie, skizzierte beispielhaft erfolgreiche Nestlé-Kooperationen mit Google im Internet sowie mit Media Markt in Belgien. Guillaume-Grabisch: „Ohne die Unterstützung durch den Handel hätten wir diese Erfolge niemals erzielen können.“
„Sammeln Sie Erfahrungen“, ermunterte Rick Batye, ehemaliger Vice President & General Manager von Amazon Fresh, auf dem Deutschen Handelskongress, „finden Sie heraus, was funktioniert.“ Das erfordere Mut und eine gründliche Datenanalyse. „Gehen Sie forsch vor“, appellierte Batye, „aber beginnen Sie klein und halten Sie die Dinge einfach – beißen Sie in jedem Fall immer nur so viel vom Ganzen ab, wie Sie schlucken können!“ Auch andere internationale Referenten rieten dem deutschen Handel zu mehr Experimentierfreude.
Traditionell werden auf dem Deutschen Handelskongress herausragende Organisationen und Menschen ausgezeichnet, die ihr Geschäft mit Weitblick, Mut und Leidenschaft betreiben. In diesem Jahr gingen die Handelspreise an das Modehaus Loden-Frey in München (Kategorie „Managementleistung Mittelstand“) und die Otto Group in Hamburg („Managementleistung Großunternehmen“). Peter Pohlmann, Gründer der Poco-Möbelmärkte, erhielt den „Lifetime-Award“. Zum „Gesicht des Handels“ 2014 wurde Edda Scholz gekürt, Verkäuferin bei Au Chérie in Dresden. Au Chérie bietet Kleidung und Accessoires für Frauen und Kinder an.
Anhaltender Online-Boom, spürbare Frequenzrückgänge, gesetzliche Mehrauflagen: Der stationäre Handel in Deutschland befindet sich in keiner einfachen Situation. Gleichwohl ist er alles andere als verloren. Entscheidend für künftigen Erfolg sind neben dem tiefgehenden Kundenverständnis vor allem aktives Beziehungsmanagement und offene Innovationskultur. Diese Analyse zogen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf dem Deutschen Handelskongress 2014 im Maritim Hotel Berlin, an dem rund 1.300 Gäste teilnahmen.
Die Leitveranstaltung für die Branche und ihre Partner stand in diesem Jahr unter dem Motto „Handel neu denken“. Anhand erfolgreicher Projekte und mutiger Konzepte illustrierten mehr als 100 Referenten aus dem In- und Ausland, welches Potenzial die Digitalisierung auf Basis veränderter Konsummuster und alternativer Lebensentwürfe für stationäre Anbieter hat. Dafür aber müssten diese auf ihre Kunden zugehen, ihnen genauer zuhören und sie vor allem besser verstehen lernen. „Big Data“ war in diesem Kontext ein Schlagwort auf dem Kongress.
Im Strukturwandel der Branche gäben die Konsumenten den Takt vor und würden damit zu „aktiven Gestaltern der Wertschöpfungskette“, betonte Josef Sanktjohanser als Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE) in seiner Eröffnungsrede: „Der Handel bleibt, aber anders!“ Dabei sei er allerdings auf die Unterstützung durch die Politik angewiesen, etwa in Form investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen. „Die Bundesregierung macht derzeit oft leider das Gegenteil“, kritisierte Sanktjohanser unter dem Eindruck immer neuer Belastungen.
Die Große Koalition konzentriere sich in ihrer Arbeit auf Umverteilung und Regulierung – dies nehme den Händlern entscheidende Spielräume, den tiefgreifenden Umbruch aktiv und erfolgreich zu gestalten, mahnte Sanktjohanser. Als Beispiele für eine wachstumshemmende Politik“ nannte er die Rente mit 63 und den gesetzlichen Mindestlohn. Eindringlich forderte der HDE-Präsident die Regierungskoalition dazu auf, den Strukturwandel der gut 400.000 Betriebe mit ihren 3,1 Millionen Beschäftigten „mit geeigneten Maßnahmen“ zu begleiten.
Ein Regulierungsmoratorium ließ sich Bundesarbeits-und Sozialministerin Andrea Nahles auf dem Deutschen Handelskongress zwar nicht abringen. Dennoch betonte sie in ihrer Rede die Bereitschaft zum konstruktiven Miteinander: „Das gesamte Kabinett hat ein Interesse daran, die erheblichen Herausforderungen, vor denen Ihre Branche steht, positiv zu begleiten.“ Wenn allerdings Selbstregulierung und Selbstverwaltungsstrukturen der Wirtschaft oder einzelner Branchen nicht mehr funktionierten, müsse die Politik eingreifen, mahnte die Ministerin.
Den Appell von Sanktjohanser, weitere Gesetze „mit Maß zu machen und insbesondere die Ausführungsbestimmungen nicht zu bürokratischen Monstern werden zu lassen“, konterte Nahles mit der Aufforderung, „im Gespräch zu bleiben und Ihre Interessen einzubringen; in jedem Fall werde ich diesen Dialog einer weiteren gesetzlichen Tätigkeit vorschalten“. Auch Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, ging auf dem von ZDF-Journalistin Dunja Hayali moderierten zweitägigen Kongress auf die Branche zu.
Selbstkritisch räumte Dobrindt in seiner Rede ein, die Koalition habe „in der Tat den Handel bisher nicht so stark adressiert, wie wir dies im Bereich der Mobilität oder der Industrie getan haben“. Zu den vorrangigsten Aufgaben der Politik zähle, für mehr soziale Marktwirtschaft in der digitalen Ökonomie zu sorgen und den Rahmen für einen flächendeckenden Zugang zu modernen Breitbandtechnologien zu setzen. Als Beispiel nannte Dobrindt die „Netzallianz digitale Wirtschaft“, die 2015 acht Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren will.
Zugleich warb Dobrindt dafür, „Big Data“ als Chance zu begreifen. Komplexe Technologien und große Datenmengen bildeten die Grundlage für neue Wertschöpfung, sagte der Minister: „Wer glaubt, er könne künftiges Wirtschaftswachstum vom Datenwachstum abkoppeln, wird nichts anderes tun als unsere Gesellschaft vom Wohlstand abzukoppeln.“ Auch in den parallel veranstalteten Strategieforen, der erstmals errichteten Speakers’ Corner und auf der kongress-begleitenden Messe mit rund 50 Ausstellungsständen war „Big Data“ eines der Streitthemen.
Die Sammlung immer größerer Datenmengen mache allein Sinn, wenn deren Auswertung für die Wirtschaft mit einem konkreten Nutzen verbunden sei, so der Tenor. Statt des Buzzwords „Big Data“ solle in der Praxis der Begriff „Smart Data“ geprägt werden. Einig waren sich die Teilnehmer des Deutschen Handelskongresses, dass das Wissen um die Bedürfnisse und die Erwartungen der Konsumenten gerade im Wettbewerb mit reinen Online- und Direktanbietern – ungeachtet der Kernkompetenzen des stationären Handels – erfolgsentscheidend sei.
Es sei wesentlich zu verstehen, was für die eigene Klientel wichtig sei – und nicht, was die Technik möglich mache, begründete Dorothea Ern-Stockum, Deutschland-Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Kurt Salmon. Umso überraschter zeigte sie sich angesichts der Ergebnisse einer mit dem HDE durchgeführten Studie, nach der das Thema Personalisierung vom stationären Handel „bisher gar nicht so hoch bewertet“ werde. Der Handel müsse „raus aus seiner reaktiven Rolle und anfangen, seine Konsumentenbeziehungen aktiv zu managen“.
Als Konsequenz sieht Ern-Stockum auf die hiesige Branche einen „maßgeblichen“ Change-Management-Prozess zukommen. Die Herausforderung, vor der insbesondere viele kleinere Händler, aber auch sein eigens Haus stünden, illustrierte Riccardo Sperrle, Chief Information Officer der Tengelmann-Gruppe: „Wir bauen gerade an der Brücke zwischen alter und neuer Welt, auf der wir aber schon stehen müssen.“ Und, könnte man hinzufügen, die unbedingt die Stützpfeiler der Politik benötigt – auch und gerade auf dem Gebiet der Stadtentwicklung.
Ermutigende Signale in diesem Zusammenhang kamen von der zuständigen Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks. In ihrer Rede bekräftigte sie auf dem Deutschen Handelskongress, das Handels- und Dienstleistungsgewerbe sei „wichtiger Kernbestand einer urbanen Mitte, auch in Zeiten des digitalen Wandels“. Das Ziel ihres Ressorts sei, Städte und Dorfkerne gerade im ländlichen Raum zu erhalten. „Wir müssen diese als Kristallisationspunkte für das Umfeld bewahren“, so Hendricks. Die Ministerin nahm aber auch die Branche in die Pflicht.
„Der Handel muss sich die Frage beantworten, wie er in Zukunft die Menschen erreicht, die ihn nicht mehr erreichen“, sagte Hendricks mit Blick auf den demografischen Wandel, „ich ermuntere Sie, eigene Logistikkonzepte aufzubauen.“ Zuvor hatte Prof. Dr. Werner Reinartz, Direktor des Instituts für Handelsforschung (IFH) an der Uni Köln, erste Ergebnisse einer auf drei Jahre angelegten Studie präsentiert. Demnach verbuchten abseits der Ballungsräume fast zwei Drittel der Händler in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Frequenzrückgänge.
In den kommenden sechs Jahren sieht Reinartz bis zu 50.000 stationäre Betriebe gefährdet. Umso leidenschaftlicher warben die Referenten auf dem Deutschen Handelskongress für eine neue Innovationskultur. Eine Schwierigkeit dabei sei, solche Innovationen voranzutreiben, die die Kunden auch wirklich wollten, sagte Dr. Stephan Zoll, Vice President Ebay Deutschland. Das, betonten alle Redner, gelinge nur, indem sich Unternehmen öffneten, ihre Kunden in den Prozess integrierten und diesen auf allen Kanälen einen emotionalen Mehrwert böten.
Béatrice Guillaume-Grabisch, Vice President Zone Europe beim Schweizer Nestlé-Konzern, bedauerte in ihrem Vortrag, in der Handelslandschaft herrsche oft der Denkansatz vor, den bestehenden Kuchen zu verteilen, „statt den Kuchen größer zu machen“. Sie warb für einen Schulterschluss mit der Industrie, skizzierte beispielhaft erfolgreiche Nestlé-Kooperationen mit Google im Internet sowie mit Media Markt in Belgien. Guillaume-Grabisch: „Ohne die Unterstützung durch den Handel hätten wir diese Erfolge niemals erzielen können.“
„Sammeln Sie Erfahrungen“, ermunterte Rick Batye, ehemaliger Vice President & General Manager von Amazon Fresh, auf dem Deutschen Handelskongress, „finden Sie heraus, was funktioniert.“ Das erfordere Mut und eine gründliche Datenanalyse. „Gehen Sie forsch vor“, appellierte Batye, „aber beginnen Sie klein und halten Sie die Dinge einfach – beißen Sie in jedem Fall immer nur so viel vom Ganzen ab, wie Sie schlucken können!“ Auch andere internationale Referenten rieten dem deutschen Handel zu mehr Experimentierfreude.
Traditionell werden auf dem Deutschen Handelskongress herausragende Organisationen und Menschen ausgezeichnet, die ihr Geschäft mit Weitblick, Mut und Leidenschaft betreiben. In diesem Jahr gingen die Handelspreise an das Modehaus Loden-Frey in München (Kategorie „Managementleistung Mittelstand“) und die Otto Group in Hamburg („Managementleistung Großunternehmen“). Peter Pohlmann, Gründer der Poco-Möbelmärkte, erhielt den „Lifetime-Award“. Zum „Gesicht des Handels“ 2014 wurde Edda Scholz gekürt, Verkäuferin bei Au Chérie in Dresden. Au Chérie bietet Kleidung und Accessoires für Frauen und Kinder an.