print logo

Datenjournalismus: Potenziale werden nicht ausgeschöpft

Aktuelle Studie des Zentrums für Journalismus und Kommunikationsmanagement (JoKom) der Donau-Universität Krems veröffentlicht.
Die Onlinestudie "Datenjournalismus im Realitätscheck. Die Relevanz des Datenjournalismus in der täglichen journalistischen Arbeit" beschäftigte sich mit der Häufigkeit und Art der Verwendung komplexer Datenbestände im Journalismus, den dabei entstehenden Vor- und Nachteilen, der Beschaffenheit von Quellen, dem zukünftigen Potenzial von Datenjournalismus und den damit verbundenen Auswirkungen auf die journalistische Arbeit. Die auf 1.022 Interviews basierende Studie wurde von Dr. Michael Roither (Leiter JoKom) und Mag. Thomas Schwabl (Geschäftsführer Marketagent) Anfang Oktober im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) in Wien präsentiert. Dabei orteten die Podiumsgäste Bedarf nach mehr Datentransparenz und professioneller Datenaufbereitung in Österreich.

Ausgewählte Studienergebnisse
60 Prozent der befragten JournalistInnen gaben an, knapp ein Fünftel ihrer Arbeitszeit dem Datenjournalismus zu widmen. 77 Prozent haben bereits Daten von öffentlichen Einrichtungen bezogen und datenjournalistisch verwendet (vor allem Wirtschafts-, Bevölkerungs- und Umfragedaten). Als schwierig wird der Zugang zu Daten der Regierung eingeschätzt.

Als Vorteile des Datenjournalismus insgesamt wurden Fundierung (29 Prozent), Seriosität (26 Prozent), Interesse für RezipientInnen (20 Prozent), und öffentliches Interesse (19 Prozent) genannt, als Nachteile Zeitaufwand (37 Prozent), Anfälligkeit für "gesteuerte" Daten durch eingeengte Zugänge (34 Prozent) und die Notwendigkeit von Spezialwissen bei der Bearbeitung (32 Prozent).

Illegal erlangte Daten sind - sofern sie im Sinne eines investigativen Journalismus dem öffentlichen Interesse dienen - für 54 Prozent in der Verwendung in Ordnung, wenn sie die Quelle nicht Preis geben müssen. Die Befragten halten den Datenjournalismus im Journalismus für wesentlich - heute und in verstärkter Form in Zukunft, besonders in den Ressorts Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Sie schätzen ihn bezüglich des Journalismus überwiegend als insgesamt reputations- und qualitätssteigernd ein. Jeder Vierte, der noch nicht datenjournalistisch arbeitet, ist entsprechend bereit dazu. Ein Drittel verweigert: diese JournalistInnen glauben, dass ihre Zielgruppe keine entsprechenden Inhalte nachfrägt.

Diskussion zur Situation in Österreich
In der Podiumsdiskussion zur Studienpräsentation standen Potenziale und Grenzen des Datenjournalismus in Österreich im Mittelpunkt. Dabei waren sich die Diskutanten einig, dass für die journalistische Recherche heute zwar ungleich mehr komplexe, statistische Daten online verfügbar sind, dass aber deren verständliche inhaltliche wie visuelle Aufbereitung aufgrund knapper Personalressourcen in Redaktionen zur besonderen Herausforderung wird.

Laut Meinung der Experten bedarf es einer noch stärkeren Professionalisierung der JournalistInnen im Umgang mit der Auswertung von Daten. Ein möglicher Lösungsansatz sei unter anderem die Etablierung unabhängiger Institutionen, die in Zusammenarbeit mit der kritischen Öffentlichkeit Daten sammeln, aufbereiten und visualisieren. Auf diese Weise könnten JournalistInnen auf komprimiertes und hochwertiges Datenmaterial zurückgreifen. Darüber hinaus werde auch das Crowdsourcing, das Einbinden der RezipientInnen in die journalistische Arbeit, in Zukunft wesentlich für erfolgreiches datenjournalistisches Arbeiten. Die Bereitschaft dazu zeigt auch die Studie zum Datenjournalismus: Ein Viertel der befragten JournalistInnen ist dafür offen. "Hier gibt es noch viel Arbeit zu tun", resümiert Dr. Michael Roither (Leiter JoKom, Donau-Universität Krems). "Für eine echte Kollaboration mit den Mediennutzern bedarf es weiterer Ideen und Modelle, die teils erst entwickelt werden müssen. Das Treffen zwischen Journalisten und engagierten Bürgern, die den Journalismus aktiv durch ihre Mitarbeit unterstützen wollen, steht derzeit in Mitteleuropa noch am Anfang."

Dr. Christof Tschohl (Grundrechtsexperte des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte) und Dr. Peter Parycek, MAS (Open-Government-Data-Experte, Donau-Universität Krems) betonten die hinsichtlich Datentransparenz völlig unterschiedlichen Kulturen im angloamerikanischen Raum bzw. in Nordeuropa und Österreich. "In den USA wird grundsätzlich alles online gestellt; dort müssen Behörden eher erklären, warum sie bestimmte Daten nicht online gestellt haben. Diese Kultur wurde von den Briten übernommen", berichtet Parycek. "In Österreich ist es gerade umgekehrt, dort veröffentlichen Behörden Daten meist nur, wenn sie dazu verpflichtet sind oder unmittelbaren Nutzen daraus ziehen können", so Parycek weiter.

Nähere Informationen unter www.donau-uni.ac.at/jokom