Neuer Onlinewerbetrend aus den USA: Realtime-Bidding
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
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Realtime-Bidding bedeutet das Versteigern von Ad Impressions in Echtzeit. In den USA bereits fester – und stark wachsender – Bestandteil des Onlinewerbemarktes, gewinnt das Verfahren auch hier in Deutschland zunehmend an Bedeutung.
Beim Realtime-Bidding wird der Anzeigenbereich einer Website an den höchstbietenden Werber versteigert – und zwar in genau dem Moment, in dem die Website durch den User aufgerufen wird. So sollen marktgerechte Preise für jede Einblendung und zielgenaues Werben ermöglicht werden. In Deutschland befindet sich der Trend erst seit dem letzten Jahr auf dem Vormarsch.
Ablauf und Beteiligte
Realtime-Bidding läuft im Wesentlichen über den Austausch zwischen den beteiligten Adservern ab – jeweils einer auf Seiten des Publishers oder seines Vermarkters und einer auf Seiten des Advertisers (beziehungsweise seines Dienstleisters). Ruft ein Nutzer eine bestimmte Website auf, sendet der Adserver des Publishers Details über Website und User an die Adserver der Werbekunden. Diese bieten nun auf die Werbeeinblendung, die auf der Werbefläche der Website erscheinen wird. Hierzu sind die Adserver entsprechend ihrer Kriterien für abzugebende Gebote programmiert – ähnlich der Funktion des automatischen Bietens bei eBay. Der Adserver des Publishers sammelt dann die Gebote und der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag, das heißt die Einblendung. All dies geschieht innerhalb weniger Millisekunden.
Das Bidding-Verfahren läuft vom Nutzer gänzlich unbemerkt ab: Sobald der Ladevorgang der Seite abgeschlossen ist, ist auch die Werbung des Höchstbietenden bereits zu sehen – also quasi in Echtzeit. Mit jedem weiteren Aufruf der Website werden die Werbetreibenden erneut via Adserver um ein Gebot gebeten und der Preis für die Ad Impression wird neu ausgehandelt.
Die Besonderheit: Rückgriff auf Targeting-Mechanismen
Damit Advertiser ihre Gebote nicht nur nach der infrage stehenden Website, sondern auch nach dem jeweils zu erreichenden Adressaten ausrichten können, werden auch Informationen über den Nutzer verarbeitet. Hierbei handelt es sich zunächst um die regulären Userdaten, das heißt ihre IP-Adresse (aus der ein Rückschluss auf den Standort, ISP und Bandbreite gezogen werden kann), ihr Betriebssystem, ihren Browser sowie gegebenenfalls weitere Informationen wie Bildschirmauflösung oder Sprache.
Darüber hinaus kann beim Realtime-Bidding allerdings auch ein Abgleich weitergehender Profildaten erfolgen. Während des Ladevorgangs werden dabei natürlich keine neuen Daten seitens des Publishers eingesammelt. Stattdessen erfolgt, der eigentlichen Auktion vorgelagert, ein User-Matching zwischen den beiden Adservern und den dort verfügbaren Profilen. Der Adserver des Publishers meldet den Nutzer bereits vor der Einladung zur Auktion an den Adserver des Advertisers. Dieser prüft, ob er die angegebene ID mit eigenen Kenntnissen über den entsprechenden Nutzer anreichern kann. Wenn ja, kann er seine Entscheidung über Teilnahme an der Auktion und Höhe der Gebote auf eine fundierte Grundlage stellen.
Eigene Informationen über den User kann der Advertiser zum Beispiel mit Hilfe von Cookies oder aus einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung generiert haben. Auch gibt es Data-Supply-Plattformen, bei denen sowohl Advertiser als auch Publisher derartige Datensätze einkaufen können. Diese enthalten individuelle Informationen, die der Nutzer freigegeben hat, wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder Interessen. Es obliegt hierbei dem Anbieter der Daten, dafür zu sorgen, dass deren Erhebung in rechtlich einwandfreiem Verfahren erfolgt ist. Hat der Publisher selbst solche Datensätze gekauft, kann er den potenziellen Bietern vor der Auktion nähere Angaben zum Nutzerprofil machen.
Das Wissen um das Profil des Users kann die Entscheidung über den genauen Wert der Impression für den Advertiser – und damit die Höhe seines Gebots – entscheidend beeinflussen. Eine erfolgversprechende Impression bei einem als Gelegenheitskunde oder früherer Interessent bekannten User mag ihm einen hohen Preis wert sein. Für eine Einblendung bei einem unbekannten User, auf dessen Interessen sich nur aufgrund des inhaltlichen Profils der Website schließen lässt, zahlt er hingegen sicherlich weniger.
Je mehr über den User bekannt ist, desto weniger Bedeutung kommt letztlich dem inhaltlichen Profil der Website zu, da sich die Konzentration auf den Adressaten selbst verlagern kann.
Publisher profitieren
Für den Publisher bietet das Realtime-Bidding-Verfahren einen erheblichen Vorteil: Die Echtzeit-Auktion ermöglicht den Verkauf jeder einzelnen Ad Impression genau zum jeweils aktuellen Marktwert. Im Normalfall, das heißt im Rahmen einer pauschal gebuchten Kampagne, werden die Einblendungen zu einem vorher ausgehandelten Festpreis bespielt. Ob und wie viel ein anderer Advertiser für dieselbe Einblendung mehr bezahlen würde, wird weder ermittelt noch lässt sich im entscheidenden Moment darauf reagieren. Die Einzelversteigerung ihrer Einblendungen bringt Publishern demgegenüber einen höheren Profit. Für jede Einblendung erhalten sie garantiert den höchsten Preis, den die Advertiser am Markt bereit sind zu zahlen.
Vorteile für Advertiser
Für Advertiser ist Realtime-Bidding grundsätzlich nicht mehr als ein anderes Buchungsverfahren für Ad Impressions. Statt den Preis für ein bestimmtes Kontingent an Einblendungen im Vorhinein festzulegen, wird dieser nun eben für jede Werbefläche separat ausgehandelt. Indem die Advertiser ihre Kriterien und preislichen Vorgaben via Adserver in das Versteigerungsverfahren einfließen lassen, unterscheidet sich im Ergebnis für sie zunächst einmal nichts. Lediglich die preisliche Variabilität ist neu – sie kann ihnen im Einzelfall sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil gereichen.
Allerdings entfaltet das Realtime-Bidding besondere Effektivität in der Kombination aus Auktion und Nutzer-Targeting-Mechanismen. Denn so kann der aktuelle Preis in Abhängigkeit vom Profil des Nutzers ausgehandelt werden. Das erlaubt den Werbungtreibenden ihre Werbemaßnahmen gezielt zu platzieren und so die Streuverluste ihrer Werbemaßnahmen gering zu halten.
Für Advertiser bietet sich durch Realtime-Bidding die Gelegenheit zum „Cherry-Picking“: Sie bieten nur auf die Rosinen aus dem Kuchen, das heißt auf die Einblendungen bei Usern, die sie explizit für sich als hochrelevant erkannt haben. Statt pauschal Werbeflächen in einem Umfeld zu buchen, in dem sie ihre Zielgruppe im Vorhinein vermuten, können sie mit Hilfe des Realtime-Bidding gezielt Werbung nur dort platzieren, wo sich tatsächlich ein geeigneter Adressat aufhält. Passt beispielsweise die Website zum anvisierten Nutzerprofil, der betreffende User, der die Website aufruft, aber nicht, kann der Werbungtreibende ein geringeres Gebot abgeben oder ganz darauf verzichten. Durch diese zielgenaue Platzierung der Onlinewerbung lässt sich das Preis-Leistungsverhältnis auch für den Werber im Verhältnis zur üblichen Buchung erheblich verbessern. Hinzu kommt der finanzielle Vorteil durch die Reduzierung von Streuverlusten.
Realtime-Bidding gewährt damit sowohl Publishern als auch Werbern eine sinnvolle Aussteuerung der Einblendungen. Zielgenauigkeit und Effizienz der Onlinewerbung erhöhen sich.
Hindernisse und Risiken
Trotz vielversprechender Aussichten und dem Rückenwind aus Amerika hat sich Realtime-Bidding in Deutschland noch nicht vollständig etabliert. Dies liegt zum einen daran, dass die technischen Voraussetzungen, die zur Auktionsabwicklung benötigt werden, noch nicht überall geschaffen sind. Gerade die Anreicherung der Nutzerprofile mit weiteren Daten im Rahmen der Auktionsvorbereitung ist eine sehr junge Entwicklung. Diese ist weit davon entfernt, flächendeckend implementiert zu sein: In den USA ist sie seit circa einem Jahr verfügbar, in Deutschland steckt ihre Anwendung noch in den Kinderschuhen.
Die hohen Anforderungen in puncto Rechenleistung stellen zum anderen einen nicht unerheblichen Kostenfaktor dar. Nicht für alle Anbieter zahlt sich der technische Aufwand auch aus, denn um effizient zu arbeiten, benötigt der Adserver eine gleichbleibend hohe Auslastung. Dies kann aber nicht jeder Vermarkter zu jedem Zeitpunkt garantieren – weswegen die Preise unter Umständen auch höher ausfallen können als im normalen Buchungsverfahren.
Ein weiteres Hindernis für die Etablierung von Realtime-Bidding ist eine spezifische Eigenheit des deutschen Werbemarktes. Während in den USA die werbungtreibenden Unternehmen meist direkt mit den Publishern in Verbindung stehen, wird die Abwicklung des Werbegeschäfts in Deutschland von Seiten der Advertiser eher in die Hände einer Agentur gegeben. Als Zwischeninstanz zwischen Publisher und Advertiser handelt sie innerhalb eines festgesetzten Budgets die Kosten der Werbekampagne aus.
Durch Realtime-Bidding reduziert sich die Planungssicherheit der Agenturen erheblich, bezogen sowohl auf das Werbevolumen als auch auf den Preis. Dabei ist es für Agenturen noch nicht einmal zwingend erstrebenswert, die Werbung zu einem niedrigeren als dem erwarteten Preis zu buchen. Denn wird das verfügbare Budget nicht ausgeschöpft, wird der Etat beim nächsten Mal möglicherweise von Beginn an gekürzt. So ist noch nicht klar, inwiefern die Agenturen den Realtime-Bidding-Trend aus Amerika aufgreifen oder ob sie sich vielleicht sogar gegen ihn positionieren werden.
Keine Probleme mit Datenschutz
Weniger ausschlaggebend im Falle des Realtime-Bidding sind Datenschutzerwägungen. Denn der Adserver auf Publisherseite nutzt nur die allgemein zugänglichen Daten aus IP und Browserinformationen und erhebt selbst keine Daten. Das zielgenaue Targeting wird möglich durch den Abgleich mit bereits beim Advertiser angelegten Nutzerprofilen, die beim User-Matching mit dem anonymen Profil des Adservers zusammengeführt werden.
Die rechtlich einwandfreie Erhebung der Daten liegt – wie bei allen anderen Interaktionen mit vorhandenen oder potenziellen Kunden auch – in der Verantwortung des Advertisers beziehungsweise der Data-Supply-Plattform, von der die Daten bezogen werden. Legt ein Publisher selbst ebenfalls eine Profildatenbank an und speichert entsprechende Nutzerdaten, gilt dieser Grundsatz natürlich auch für ihn. Vorbehalte gegen Dienste, die auf einer derartigen Datenverarbeitung fußen, mögen zwar allgemein in Europa die Implementierung von Realtime-Bidding erschweren. In jedem Fall entstehen aber keine unbekannten beziehungsweise neuen rechtlichen Risiken durch das Buchungsverfahren.
Fazit: Auch bei uns der nächste Onlinewerbetrend?
Realtime-Bidding ist derzeit in aller Munde und wird als die neue Sensation am Onlinewerbemarkt gehandelt. Allerdings wird die Adaption des Echtzeit-Auktionsverfahrens auf dem deutschen Markt mit Sicherheit kein rascher Siegeszug werden. Zu komplex ist das Verfahren samt seiner technischen Voraussetzungen. Dennoch besteht gerade auf Seiten der Publisher ein sehr hohes Interesse an der Implementierung des für sie profitablen Buchungsverfahrens.
Mit der Möglichkeit zum Abgleich der persönlichen Nutzerdaten steigt der Wert des Realtime-Biddings schließlich auch in den Augen der Advertiser erheblich. Mit der nötigen technischen Infrastruktur steht einer flächendeckenden Einführung des Bietverfahrens im Prinzip nichts mehr im Weg. So wird sich Realtime-Bidding auf lange Sicht einen festen Platz im Leistungsportfolio der Vermarkter sichern – wie hoch der Anteil innerhalb des Marketing-Mix sein wird, lässt sich allerdings nur schwer prophezeien. Dies wird zu einem nicht unwesentlichen Teil auch von der Bereitschaft der (Media-)Agenturen und/oder einem etwaigen Abnabelungsprozess der Werbungtreibenden abhängen.
Literatur
Schutzmann, I.: Optimieren für’s höchste Gebot. – In: Internet World Business, S. 18 f., 03/2011, 7. Februar 2011.
Schutzmann, I.: Per Auktion zum Nutzer. – In: Internet World Business, S. 8 f., 05/2011, 17. März 2011.
Schmidt, Holger: Die nächste Revolution: Werbung in Echtzeit. – F.A.Z. Blog Netzökonom (http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/archive/2010/09/28/werbung-inechtzeit.aspx), 28. September 2010.
http://TopOnlineExperten.de
Realtime-Bidding bedeutet das Versteigern von Ad Impressions in Echtzeit. In den USA bereits fester – und stark wachsender – Bestandteil des Onlinewerbemarktes, gewinnt das Verfahren auch hier in Deutschland zunehmend an Bedeutung.
Beim Realtime-Bidding wird der Anzeigenbereich einer Website an den höchstbietenden Werber versteigert – und zwar in genau dem Moment, in dem die Website durch den User aufgerufen wird. So sollen marktgerechte Preise für jede Einblendung und zielgenaues Werben ermöglicht werden. In Deutschland befindet sich der Trend erst seit dem letzten Jahr auf dem Vormarsch.
Ablauf und Beteiligte
Realtime-Bidding läuft im Wesentlichen über den Austausch zwischen den beteiligten Adservern ab – jeweils einer auf Seiten des Publishers oder seines Vermarkters und einer auf Seiten des Advertisers (beziehungsweise seines Dienstleisters). Ruft ein Nutzer eine bestimmte Website auf, sendet der Adserver des Publishers Details über Website und User an die Adserver der Werbekunden. Diese bieten nun auf die Werbeeinblendung, die auf der Werbefläche der Website erscheinen wird. Hierzu sind die Adserver entsprechend ihrer Kriterien für abzugebende Gebote programmiert – ähnlich der Funktion des automatischen Bietens bei eBay. Der Adserver des Publishers sammelt dann die Gebote und der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag, das heißt die Einblendung. All dies geschieht innerhalb weniger Millisekunden.
Das Bidding-Verfahren läuft vom Nutzer gänzlich unbemerkt ab: Sobald der Ladevorgang der Seite abgeschlossen ist, ist auch die Werbung des Höchstbietenden bereits zu sehen – also quasi in Echtzeit. Mit jedem weiteren Aufruf der Website werden die Werbetreibenden erneut via Adserver um ein Gebot gebeten und der Preis für die Ad Impression wird neu ausgehandelt.
Die Besonderheit: Rückgriff auf Targeting-Mechanismen
Damit Advertiser ihre Gebote nicht nur nach der infrage stehenden Website, sondern auch nach dem jeweils zu erreichenden Adressaten ausrichten können, werden auch Informationen über den Nutzer verarbeitet. Hierbei handelt es sich zunächst um die regulären Userdaten, das heißt ihre IP-Adresse (aus der ein Rückschluss auf den Standort, ISP und Bandbreite gezogen werden kann), ihr Betriebssystem, ihren Browser sowie gegebenenfalls weitere Informationen wie Bildschirmauflösung oder Sprache.
Darüber hinaus kann beim Realtime-Bidding allerdings auch ein Abgleich weitergehender Profildaten erfolgen. Während des Ladevorgangs werden dabei natürlich keine neuen Daten seitens des Publishers eingesammelt. Stattdessen erfolgt, der eigentlichen Auktion vorgelagert, ein User-Matching zwischen den beiden Adservern und den dort verfügbaren Profilen. Der Adserver des Publishers meldet den Nutzer bereits vor der Einladung zur Auktion an den Adserver des Advertisers. Dieser prüft, ob er die angegebene ID mit eigenen Kenntnissen über den entsprechenden Nutzer anreichern kann. Wenn ja, kann er seine Entscheidung über Teilnahme an der Auktion und Höhe der Gebote auf eine fundierte Grundlage stellen.
Eigene Informationen über den User kann der Advertiser zum Beispiel mit Hilfe von Cookies oder aus einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung generiert haben. Auch gibt es Data-Supply-Plattformen, bei denen sowohl Advertiser als auch Publisher derartige Datensätze einkaufen können. Diese enthalten individuelle Informationen, die der Nutzer freigegeben hat, wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder Interessen. Es obliegt hierbei dem Anbieter der Daten, dafür zu sorgen, dass deren Erhebung in rechtlich einwandfreiem Verfahren erfolgt ist. Hat der Publisher selbst solche Datensätze gekauft, kann er den potenziellen Bietern vor der Auktion nähere Angaben zum Nutzerprofil machen.
Das Wissen um das Profil des Users kann die Entscheidung über den genauen Wert der Impression für den Advertiser – und damit die Höhe seines Gebots – entscheidend beeinflussen. Eine erfolgversprechende Impression bei einem als Gelegenheitskunde oder früherer Interessent bekannten User mag ihm einen hohen Preis wert sein. Für eine Einblendung bei einem unbekannten User, auf dessen Interessen sich nur aufgrund des inhaltlichen Profils der Website schließen lässt, zahlt er hingegen sicherlich weniger.
Je mehr über den User bekannt ist, desto weniger Bedeutung kommt letztlich dem inhaltlichen Profil der Website zu, da sich die Konzentration auf den Adressaten selbst verlagern kann.
Publisher profitieren
Für den Publisher bietet das Realtime-Bidding-Verfahren einen erheblichen Vorteil: Die Echtzeit-Auktion ermöglicht den Verkauf jeder einzelnen Ad Impression genau zum jeweils aktuellen Marktwert. Im Normalfall, das heißt im Rahmen einer pauschal gebuchten Kampagne, werden die Einblendungen zu einem vorher ausgehandelten Festpreis bespielt. Ob und wie viel ein anderer Advertiser für dieselbe Einblendung mehr bezahlen würde, wird weder ermittelt noch lässt sich im entscheidenden Moment darauf reagieren. Die Einzelversteigerung ihrer Einblendungen bringt Publishern demgegenüber einen höheren Profit. Für jede Einblendung erhalten sie garantiert den höchsten Preis, den die Advertiser am Markt bereit sind zu zahlen.
Vorteile für Advertiser
Für Advertiser ist Realtime-Bidding grundsätzlich nicht mehr als ein anderes Buchungsverfahren für Ad Impressions. Statt den Preis für ein bestimmtes Kontingent an Einblendungen im Vorhinein festzulegen, wird dieser nun eben für jede Werbefläche separat ausgehandelt. Indem die Advertiser ihre Kriterien und preislichen Vorgaben via Adserver in das Versteigerungsverfahren einfließen lassen, unterscheidet sich im Ergebnis für sie zunächst einmal nichts. Lediglich die preisliche Variabilität ist neu – sie kann ihnen im Einzelfall sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil gereichen.
Allerdings entfaltet das Realtime-Bidding besondere Effektivität in der Kombination aus Auktion und Nutzer-Targeting-Mechanismen. Denn so kann der aktuelle Preis in Abhängigkeit vom Profil des Nutzers ausgehandelt werden. Das erlaubt den Werbungtreibenden ihre Werbemaßnahmen gezielt zu platzieren und so die Streuverluste ihrer Werbemaßnahmen gering zu halten.
Für Advertiser bietet sich durch Realtime-Bidding die Gelegenheit zum „Cherry-Picking“: Sie bieten nur auf die Rosinen aus dem Kuchen, das heißt auf die Einblendungen bei Usern, die sie explizit für sich als hochrelevant erkannt haben. Statt pauschal Werbeflächen in einem Umfeld zu buchen, in dem sie ihre Zielgruppe im Vorhinein vermuten, können sie mit Hilfe des Realtime-Bidding gezielt Werbung nur dort platzieren, wo sich tatsächlich ein geeigneter Adressat aufhält. Passt beispielsweise die Website zum anvisierten Nutzerprofil, der betreffende User, der die Website aufruft, aber nicht, kann der Werbungtreibende ein geringeres Gebot abgeben oder ganz darauf verzichten. Durch diese zielgenaue Platzierung der Onlinewerbung lässt sich das Preis-Leistungsverhältnis auch für den Werber im Verhältnis zur üblichen Buchung erheblich verbessern. Hinzu kommt der finanzielle Vorteil durch die Reduzierung von Streuverlusten.
Realtime-Bidding gewährt damit sowohl Publishern als auch Werbern eine sinnvolle Aussteuerung der Einblendungen. Zielgenauigkeit und Effizienz der Onlinewerbung erhöhen sich.
Hindernisse und Risiken
Trotz vielversprechender Aussichten und dem Rückenwind aus Amerika hat sich Realtime-Bidding in Deutschland noch nicht vollständig etabliert. Dies liegt zum einen daran, dass die technischen Voraussetzungen, die zur Auktionsabwicklung benötigt werden, noch nicht überall geschaffen sind. Gerade die Anreicherung der Nutzerprofile mit weiteren Daten im Rahmen der Auktionsvorbereitung ist eine sehr junge Entwicklung. Diese ist weit davon entfernt, flächendeckend implementiert zu sein: In den USA ist sie seit circa einem Jahr verfügbar, in Deutschland steckt ihre Anwendung noch in den Kinderschuhen.
Die hohen Anforderungen in puncto Rechenleistung stellen zum anderen einen nicht unerheblichen Kostenfaktor dar. Nicht für alle Anbieter zahlt sich der technische Aufwand auch aus, denn um effizient zu arbeiten, benötigt der Adserver eine gleichbleibend hohe Auslastung. Dies kann aber nicht jeder Vermarkter zu jedem Zeitpunkt garantieren – weswegen die Preise unter Umständen auch höher ausfallen können als im normalen Buchungsverfahren.
Ein weiteres Hindernis für die Etablierung von Realtime-Bidding ist eine spezifische Eigenheit des deutschen Werbemarktes. Während in den USA die werbungtreibenden Unternehmen meist direkt mit den Publishern in Verbindung stehen, wird die Abwicklung des Werbegeschäfts in Deutschland von Seiten der Advertiser eher in die Hände einer Agentur gegeben. Als Zwischeninstanz zwischen Publisher und Advertiser handelt sie innerhalb eines festgesetzten Budgets die Kosten der Werbekampagne aus.
Durch Realtime-Bidding reduziert sich die Planungssicherheit der Agenturen erheblich, bezogen sowohl auf das Werbevolumen als auch auf den Preis. Dabei ist es für Agenturen noch nicht einmal zwingend erstrebenswert, die Werbung zu einem niedrigeren als dem erwarteten Preis zu buchen. Denn wird das verfügbare Budget nicht ausgeschöpft, wird der Etat beim nächsten Mal möglicherweise von Beginn an gekürzt. So ist noch nicht klar, inwiefern die Agenturen den Realtime-Bidding-Trend aus Amerika aufgreifen oder ob sie sich vielleicht sogar gegen ihn positionieren werden.
Keine Probleme mit Datenschutz
Weniger ausschlaggebend im Falle des Realtime-Bidding sind Datenschutzerwägungen. Denn der Adserver auf Publisherseite nutzt nur die allgemein zugänglichen Daten aus IP und Browserinformationen und erhebt selbst keine Daten. Das zielgenaue Targeting wird möglich durch den Abgleich mit bereits beim Advertiser angelegten Nutzerprofilen, die beim User-Matching mit dem anonymen Profil des Adservers zusammengeführt werden.
Die rechtlich einwandfreie Erhebung der Daten liegt – wie bei allen anderen Interaktionen mit vorhandenen oder potenziellen Kunden auch – in der Verantwortung des Advertisers beziehungsweise der Data-Supply-Plattform, von der die Daten bezogen werden. Legt ein Publisher selbst ebenfalls eine Profildatenbank an und speichert entsprechende Nutzerdaten, gilt dieser Grundsatz natürlich auch für ihn. Vorbehalte gegen Dienste, die auf einer derartigen Datenverarbeitung fußen, mögen zwar allgemein in Europa die Implementierung von Realtime-Bidding erschweren. In jedem Fall entstehen aber keine unbekannten beziehungsweise neuen rechtlichen Risiken durch das Buchungsverfahren.
Fazit: Auch bei uns der nächste Onlinewerbetrend?
Realtime-Bidding ist derzeit in aller Munde und wird als die neue Sensation am Onlinewerbemarkt gehandelt. Allerdings wird die Adaption des Echtzeit-Auktionsverfahrens auf dem deutschen Markt mit Sicherheit kein rascher Siegeszug werden. Zu komplex ist das Verfahren samt seiner technischen Voraussetzungen. Dennoch besteht gerade auf Seiten der Publisher ein sehr hohes Interesse an der Implementierung des für sie profitablen Buchungsverfahrens.
Mit der Möglichkeit zum Abgleich der persönlichen Nutzerdaten steigt der Wert des Realtime-Biddings schließlich auch in den Augen der Advertiser erheblich. Mit der nötigen technischen Infrastruktur steht einer flächendeckenden Einführung des Bietverfahrens im Prinzip nichts mehr im Weg. So wird sich Realtime-Bidding auf lange Sicht einen festen Platz im Leistungsportfolio der Vermarkter sichern – wie hoch der Anteil innerhalb des Marketing-Mix sein wird, lässt sich allerdings nur schwer prophezeien. Dies wird zu einem nicht unwesentlichen Teil auch von der Bereitschaft der (Media-)Agenturen und/oder einem etwaigen Abnabelungsprozess der Werbungtreibenden abhängen.
Literatur
Schutzmann, I.: Optimieren für’s höchste Gebot. – In: Internet World Business, S. 18 f., 03/2011, 7. Februar 2011.
Schutzmann, I.: Per Auktion zum Nutzer. – In: Internet World Business, S. 8 f., 05/2011, 17. März 2011.
Schmidt, Holger: Die nächste Revolution: Werbung in Echtzeit. – F.A.Z. Blog Netzökonom (http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/archive/2010/09/28/werbung-inechtzeit.aspx), 28. September 2010.