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Lebensmittel-PR: Das Gespräch am Marktstand lebt - im Internet

Communities wie Facebook und Twitter gewinnen an Einfluss auf die Markenwahrnehmung und Kaufpräferenzen. Zeit, mit den Menschen ins Gespräch zu komme
Tapio Liller | 03.02.2010

von Tapio Liller, Oseon Conversations

Vor Erfindung des Supermarktes, der industriellen Lebensmittelproduktion und lange vor dem Aufkommen von Werbung war der Marktplatz der Ort, an dem Kaufentscheidungen getroffen und Handel getrieben wurde. Man schlenderte von Stand zu Stand und begutachtete die Auslagen. Man prüfte Obst, Gemüse, Wurstwaren und Brot auf Frische – und konnte sich bei Mängeln gleich beim Standbesitzer beschweren. Der merkte es auch gleich in der Kasse, wenn ein Standnachbar bessere Ware zum günstigeren Preis anbot. Schließlich sprach sich das schnell herum, denn der Markt war zugleich der wichtigste Ort für die Kommunikation der Menschen untereinander. Es gab kein Gerücht und keine Nachricht, von der nicht in Windeseile die ganze Stadt wusste.

Märkte waren Gespräche. Die Unterhaltungen der Menschen untereinander entschieden über den Erfolg oder Misserfolg der örtlichen Händler, Bauern und Handwerker. Wer etwas feilbot, musste sich dem Markt der Gespräche stellen und das Vertrauen und die Weiterempfehlungen seiner Kunden verdienen.

--Die Ära der Massenmedien geht zu Ende

Mit der Industrialisierung und den Massenmedien entfremdeten sich die Menschen zunehmend von den Erzeugern der Güter des täglichen Bedarfs. Fortan bestimmten mehrstufige Lieferketten und Reklame das Geschehen. Teure Werbung und aufwändige Marktforschung ersetzten das Gespräch von Mensch zu Mensch. Was zählte waren Reichweite und Lautstärke, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erhaschen.

Doch die Tage solch einfacher Konzepte sind gezählt. Denn die traditionellen Massenmedien haben mächtige Konkurrenz bekommen. Binnen fünfzehn Jahren hat sich das Internet in den Industriestaaten zum Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsmedium Nummer eins gemausert. Wer heute etwas wissen will, ob über die Geschehnisse des Tages oder über die Qualität von Lebensmitteln, sucht als allererstes im Internet. Und wird fündig. Einiges wird er nicht auf seinen Wahrheitsgehalt prüfen können, aber vieles wird ihm glaubwürdig genug erscheinen, um eine Kaufentscheidung zu bestätigen oder zu verwerfen.

--Das Internet hat Einfluss auf Kaufentscheidungen

Für sage und schreibe 97,1% aller Internetnutzer haben die Markenerlebnisse im Internet Einfluss auf ihre Kaufentscheidungen, ergab eine aktuelle Untersuchung der Internetagentur Razorfish. Ob positiv oder negativ war dabei zunächst zweitrangig. Aber angesichts dessen, dass 64,1% in der gleichen Studie angaben, aufgrund eines Onlineerlebnisses bisweilen erstmals ein Produkt einer Marke erstanden zu haben, ist das Potenzial der Internetkommunikation nicht mehr zu leugnen.

Hinzu kommt, dass ein wachsender Anteil der Informationen, die sich über Unternehmen und Produkte im Internet finden, von anderen Menschen veröffentlicht werden. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Technologien und Plattformen zu, die unter den Schlagwörtern „Web 2.0“ oder „Social Media“ subsumiert werden. Ihnen ist gemein, dass sie sehr einfach zu bedienen sind und die Menschen schnell untereinander vernetzen. Soziale Netzwerke wie das auch hierzulande boomende Facebook oder die deutschen „VZ-Netzwerke“ sorgen dafür, dass Menschen mit ähnlichen Interessen unkompliziert zusammenfinden und miteinander reden können.

-- Social Media bringen die Gespräche auf dem Marktplatz zurück

Auch Blogs und der vielbeachtete Kurznachrichtendienst Twitter dienen diesem Zweck: Menschen die Kommunikation zu erleichtern, über die Dinge, die sie interessieren. Das ist nichts weniger als ein digitaler Marktplatz – mit Millionen von Besuchern rund um die Uhr, weltweit. Das „globale Dorf“, von dem Medientheoretiker Marshall McLuhan schon in den 1960er Jahren sprach, ist heute Wirklichkeit. Mit Konsequenzen, auch für Unternehmen der Lebensmittelbranche.
Denn die Gespräche auf dem digitalen Marktplatz sind in aller Regel öffentlich zugänglich. Sie werden von Suchmaschinen indiziert und bleiben so für jeden auffindbar. Das hat unmittelbaren Einfluss auf die Reputation von Marken und Unternehmen. Sie haben längst nicht mehr die Kontrolle darüber, was über sie gesprochen wird, wie meist noch zu Zeiten der Massenmedien. Auf dem digitalen Markt sind Unternehmen – oder im Bild der Einleitung zu bleiben – die Marketender nur noch ein Gesprächsteilnehmer unter vielen.

--Die große Chance: Dialog und Kommunikation auf Augenhöhe

Auf diese neue Medienrealität müssen sich PR- und Marketingmanager einstellen und ihre Strategien überdenken. Das Schaffen von Aufmerksamkeit durch mediale Lautstärke tritt in den Hintergrund und macht Platz für den Dialog. Denn Social Media machen es auch Unternehmen leicht, die Menschen zu identifizieren, die sich gern und oft mit einer Marke auseinandersetzen.

Ein Engagement im sozialen Netz beginnt daher stets mit aufmerksamem Zuhören. Schließlich will man erst erfahren, was und wie über eine Marke gesprochen wird, um dann gegebenenfalls einen hilfreichen und interessanten Beitrag zum Netzgespräch beisteuern zu können.

Zu einem Auftritt im Social Web gehört auch, dass man genauso echt und unverfälscht spricht, wie das Gegenüber. Floskelhaftes und allzu werbliche Sprache werden schnell enttarnt und schaden mehr der Glaubwürdigkeit als dass sie zur Kommunikation auf Augenhöhe beitragen. Authentizität lautet das Stichwort. Und die entsteht nicht am grünen Tisch sondern im direkten Gespräch und in der Auseinandersetzung mit den Themen und Interessen der Fans und der Kritiker im Netz. Der Marktbudenbesitzer von einst und heute spricht schließlich auch wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das macht ihn sympathisch und zugänglich.

Wenn sich Unternehmen bei ihrem Auftreten im Netz ein Beispiel an Marktverkäufern nehmen, offen, menschlich und sprachlich „echt“ auftreten, sind sie schon auf dem besten Weg, die Umgangsformen des Social Web zu verinnerlichen. Sind sie dann nach einiger Zeit als Gesprächspartner auf Augenhöhe etabliert, können sie über Partizipationsangebote die Freunde der Marke noch enger an sich binden. Weiterempfehlungen in deren persönlichem Netzwerk sind dann nicht mehr weit.

Der Autor:
Tapio Liller, 35, ist selbstständiger Kommunikationsberater in Frankfurt am Main. Mit seiner Firma Oseon Conversations (www.oseon.com) begleitet er Unternehmen auf dem Weg ins Social Web und entwickelt PR- und Marketing-Strategien, die dem Medienwandel gerecht werden. Sein Blog www.opensourcepr.de über Kommunikations-, Medien- und Technologietrends gehört zu den meistgelesenen dieses Themenkreises in Deutschland.

(Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 1/2010 der Fachzeitschrift DLG Test Lebensmittel der DLG-Verlags GmbH, Frankfurt am Main)