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Blogmonitoring

Im Klinikum am Rande der Stadt herrscht Aufregung. Die Lokalzeitung berichtet von unhaltbaren Zuständen in der Notaufnahme. (Buchbeitrag)
Bernd Pitz | 11.12.2007
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Im Klinikum am Rande der Stadt herrscht Aufregung. Die Lokalzeitung berichtet von unhaltbaren Zuständen in der Notaufnahme. Patienten müssten stundenlang auf dem Flur ausharren, bis sie einen Arzt zu Gesicht bekommen. Die Auswertungen von Laboruntersuchungen kommen oft sehr spät. Der Umgangston ist alles andere als höflich, werden Angehörige von Patienten im Blatt zitiert. Doch dem findigen Lokalreporter blieb aufwendige Recherche erspart. Er fand die drei Beispiele in einem privaten Weblog: Ein Beitrag und eine Handvoll Kommentare. Bestens gelistet in den Suchmaschinen. Das Beispiel ist nicht fiktiv, nur leicht verfremdet. Bleiben wir also bei diesem Großkrankenhaus und schauen uns genauer an, was da passiert ist.


Pressebeobachtung erschöpfte sich in Zeitung, Radio und TV

Der Pressesprecher der Einrichtung sammelte für seinen Pressespiegel nur die Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften, schnitt Radiobeiträge und die Nachrichten im Lokalfernsehen mit. Aber Weblogs? Weblogs waren für ihn bislang uninteressante und belanglose private Tagebucheinträge. Wer soll das denn alles lesen?

Hin und wieder gab es einen Hinweis auf einen Beitrag oder Kommentar auf einer Website, aber das hatte man bislang nicht ernst genommen. Der Pressesprecher holt sich jetzt aber Unterstützung aus der EDV-Abteilung. Da gibt es einen jungen Mann, der immer online ist. Ja, der hat sogar ein eigenes Weblog.


Blogmonitoring ist Pflichtprogramm

Zusammen durchforsten die beiden das Internet, googlen nach dem Klinikum und nach den Chefärzten. Es stellt sich heraus: Da draußen gibt es abseits der eigentlichen konventionellen Medien auch noch weitere Meinungen. Einer bloggt über seine Krebserkrankung, der andere über einen Hungerstreik und der Dritte über technische Details der Klimaanlage in den OP-Sälen. Schon bei der ersten Recherche über die ganz gewöhnliche Google-Recherche fällt auf: Diese Blogbeiträge haben für die Suchmaschine offensichtlich einen großen Wert, sie tauchen oft schon auf den ersten beiden Seiten auf.


Tipp 1: Googeln

Noch spannender wird es für die beiden, als sie in die Blogsuche von Google (http://blogsearch.google.de) gehen. Da gibt es noch viel mehr Ergebnisse zu ihren Begriffen, manche wurden erst vor wenigen Stunden veröffentlicht. Die Suchergebnisse werden nicht nur nach Relevanz sortiert, sondern auch nach Zeitintervallen. So kann man sich auch nur Blogeinträge der letzten zwölf Stunden anzeigen lassen. Damit man diese Suchabfragen nicht ständig wiederholen muss, lassen sich die Suchanfragen auch als RSS-Feed speichern und man sieht dann auf einen Blick, ob es neue Suchergebnisse gibt. „Aber dazu kommen wir später noch“, sagt der junge Mann.

Googlen Sie mal nach den wichtigsten Begriffen und Personen Ihres Unternehmens? Welche Ergebnisse kommen bereits aus Blogbeiträgen? Verwenden Sie erst die normale Suche, dann Googles Blogsearch.


Tipp 2: Technorati

Wichtigste Station für die Recherche in und über Weblogs bleibt der amerikanische Dienst Technorati (www.technorati.com). Im Gegensatz zu gewöhnlichen Suchmaschinen muss man nicht abwarten, bis Technorati die eigene Site entdeckt, in den Suchindex aufgenommen und Aktualisierungen übernommen hat. Bei Technorati melden die Blogs automatisch, wenn sie einen neuen Beitrag online haben. Dazu wird der sogenannte „Ping“ gesandt. Der kurze Impuls teilt Technorati und anderen Diensten mit, dass die Site aktualisiert wurde. Solche Ping-Dienste gehören bei Programmen wie Wordpress zum Standard.

Technorati belässt es aber nicht nur beim Anzeigen von aktuellen Beiträgen. Zu Technorati können auch die sogenannten Tags, die den Blogs eine thematische Struktur geben, weiter geleitet werden. Verwenden auch andere Blogs Stichworte wie „Klinikum“ oder „Krankenhaus“, dann werden sie über Technorati miteinander verknüpft. Man kann also über mehrere Blogs anhand der Tags recherchieren. Jetzt können Sie in Technorati wieder nach Ihren Begriffen recherchieren. Klicken Sie sich durch die verschiedenen Tags. Welche Zusammenhänge sehen Sie jetzt?

Technorati ist ein sehr mächtiges Tool. Sie können sich dort ein kostenloses Konto anlegen und Favoriten einrichten, die Sie ständig beobachten. Technorati bietet auch Unterstützung in der Analyse. Denn viele Blogger haben auch ein Konto eingerichtet und beschreiben sich und ihr Blog näher. Die sogenannte „Authority“ hinter den jeweiligen Namen der Blogs, sagt wie oft das Blog von anderen verlinkt ist. Technorati erfasst zwar wie andere Suchmaschinen auch nicht das gesamte Web, aber es ist zumindest ein sehr guter Anhaltspunkt für die Beurteilung. Für die Analyse können auch weitere Features von Technorati interessant sein: etwa die Darstellung, wie oft das Stichwort in einem bestimmten Zeitraum aufgetaucht ist. Vieles lässt sich wieder ganz einfach über RSS verfolgen.

Machen Sie sich mit Technorati und seinen verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten vertraut. Es ist ihr wichtigstes Analyse-Tool.


Tipp 3: Blogpulse

Technorati ist zwar für den Einstieg das wichtigste Tool, aber nicht das einzige. Gerade für die Beobachtung und Bewertung von Themen-Wellen sind Dienste wie Blogpulse (http://www.blogpulse.com) sehr gut geeignet. Diese Dienste sind aber oft für deutschsprachige Analysen nur sehr beschränkt verwendbar.


Tipp 4: RSS-Feeds

Was hat es jetzt mit diesem RSS auf sich? Die Abkürzung RSS steht für ein einfaches XML-Datenformat, das im Gegensatz zu HTML wirklich zwischen Layout und Inhalt trennt. Damit lassen sich Inhalte verschiedenster Quellen in sogenannten RSS-Readern oder auf den persönlichen Startseiten bei Google, Microsoft Live oder Yahoo zusammenfassen und anzeigen. Etwa die verschiedenen Abfragen bei Googles Blogsearch, Technorati und Blogpulse. Und alles nur mit wenigen Klicks und ohne Programmierkenntnisse.

Nutzen Sie die Vorteile von RSS-Feeds. Richten Sie sich bei Google, Microsoft Live oder Yahoo damit eine persönliche Seite für Ihr Blogmonitoring ein. Das erspart Ihnen später Stunden wertvoller Recherchezeit.

Wer einmal den Vorteilen der Feeds verfallen ist, der will bald mehr ausprobieren. Dazu gibt es verschiedenste kostenlose Dienste, die aus Feeds zum Beispiel E-Mails oder gar SMS machen. Eine der interessantesten Entwicklungen ist Yahoo! Pipes. „Ein Meilenstein in der Entwicklung des Internets”, jubelte Tim O’Reilly, der den Begriff „Web 2.0“ geprägt hat.


Tipp 5: Pipes

Was ist Yahoo! Pipes? Über die Browseroberfläche lassen sich ohne Programmier-kenntnisse einfach per Mausklick mehrere RSS-Feeds zusammenfassen, nach bestimmten Kriterien filtern und wieder als neue Feeds ausgeben. Wozu ist das nützlich? Wer etwa Blogs rund um das Thema Automobil beobachtet, der kann mit Hilfe dieses Tools die RSS-Feeds aller Auto-Blogs zusammenführen und dann wieder nach einzelnen Marken wie BMW, Audi oder Mercedes trennen. Für jede Marke lässt sich so wiederum ein eigener Feed generieren und weiter verwenden.

Wer nur die Familienpolitik in Deutschland verfolgen will, nimmt die RSS-Feeds der wichtigsten Nachrichten-Sites und filtert nur Stichworte wie etwa Kinderkrippen, Kindergarten und Kindergeld heraus. Oder man „baut“ sich einfach aus mehreren Feeds die Datenbasis für seine individuelle Suche (siehe Literatur).

Das Tool ist auch für Anfänger geeignet, im Netz gibt es neben der offiziellen Dokumentation von Yahoo auch eine ganze Reihe von vorbildlichen Tutorials (siehe Literatur). Wie es sich für eine echte Web 2.0-Anwendung gehört, kann man seine Programmierung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Mittlerweile gibt es schon sehr viele ausgefallene Arbeiten, die man gerne kopieren und für eigene Zwecke wie etwa deutsche statt US-Nachrichten-Feeds als Quellen einfach umbauen kann. Gerade für Anfänger lohnt es sich, sich zuerst mit den Pipes anderer zu beschäftigen, um Erfahrung mit dem System und seinen verschiedenen Modulen zu bekommen.

Dienste wie Yahoo! Pipes sind natürlich auch Möglichkeiten, Copyright zu umgehen. Deshalb hat Yahoo auch eine eigene Sektion für Publisher eingerichtet, die ihre Feeds für die Verwendung und Zerstückelung in Pipes sperrt.

Wer selbst eigene Pipes konstruieren will, der sollte das am Vormittag tun. Ab dem Nachmittag ist der Dienst oft überlastet und die Programmieroberfläche oft nicht erreichbar. Trotz dieser Überlastung funktionieren aber die Anwendungen selbst auch dann sehr zuverlässig.


Die Arbeit des Pressesprechers

So, der Pressesprecher hat jetzt auf einer persönlichen Seite bei Google einen Überblick, was in dieser Blogosphäre über sein Klinikum und die Ärzte berichtet wird.

Aber jetzt beginnt erst seine eigentliche Arbeit, die ihm kaum ein Internet-Dienst abnehmen kann. Er muss analysieren. Welches Blog schreibt wie oft „über uns“? Mit welcher Intention? Muss man darauf reagieren? Wer ist wie in der Blogosphäre vernetzt? Wer setzt Themen und wer trägt sie weiter? Wessen Blog ist so bekannt, dass es auch von Mainstream-Medien wahrgenommen wird.

Je nach Umfang des „Rauschens im Netz“ kann man sich da auf seine Erfahrung und das Bauchgefühl verlassen oder man nutzt Tools der Risikobewertung, wie man sie aus dem Projekt- oder Qualitätsmanagement kennt. Eigene Tools dazu bieten mittlerweile große PR-Agenturen als weitere Dienstleistung an. Ganz auf dieses Thema hat sich die Hamburger ethority mit ihrer Buzz-Analyse konzentriert.

Das Unternehmen beobachtet für Unternehmen und Behörden seit Jahren das Geschehen in Foren, Diskussionslisten und Blogs. Mit einer speziellen Monitoring-Technologie und einem internationalen Analysten-Team werden Blogs und Foren so ausgewertet, dass Agenturen und Unternehmen eine Entscheidungsgrundlage für die Konzeption respektive Revision ihrer Kommunikationsstrategien erhalten. Erst die Buzz-Analyse ermöglicht eine passgenaue Ansprache der Zielgruppen. Ermittelt werden Befindlichkeit und Interessen der Verbraucher – Voraussetzung für jede erfolgreiche Kampagne, besonders beim Word-of-Mouth-Marketing.

Der Klinik-Pressesprecher hat jetzt auch einen Überblick über die Weblog-Szene, schaut sich jeden Morgen an, ob Blogger über das Krankenhaus schreiben, und nimmt diese Beiträge in den Pressespiegel mit auf. Unerwartet spricht ihn der Chefarzt der 1. Chirurgischen Klink an. Es gäbe da Kollegen in den USA und Skandinavien, die in ihren Blogs über neuesten wissenschaftliche Erkenntnisse berichten. Monate bevor sie das auf Kongressen ud in Fachzeitschriften tun. Könnte man das für ihn nicht auch auf so einer Seite zusammen fassen?

Der Pressesprecher nickt verständnisvoll. Er kann das jetzt…


Literatur

Technorati: www.technorati.com
Google Blogsearch: http://blogsearch.google.de
Nielsen BuzzMetrics: BlogPulse: www.blogpulse.com
Brand Online Buzz Index (Bobi): Online-Markenmonitor, der Verbrauchermeinungen im Internet (CGM - Consumer Generated Media) in Bezug auf Markenimage
http://www.ethority.de/Markenmonitor-bobi.86.0.html
Studie Euroblog2007: Social Software - A Revolution for Communication? Implications and Challenges for Communication Management and PR
http://www.euroblog2007.org/
Yahoo Pipes: http://pipes.yahoo.com/pipes/
Yahoo Pipes - Beispiel für Nachrichten-Aggregation:
http://pipes.yahoo.com/pipes/pipe.info?_id=lBsliNjd2xG8lvxYlfXiAA
Yahoo Pipes – Tutorial - Brady Forrest: Yahoo! Pipes: Some Tips
http://radar.oreilly.com/archives/2007/02/yahoo_pipes_som_1.html
Yahoo! Pipes: Deconstructing a Pipe
http://radar.oreilly.com/archives/2007/02/yahoo_pipes_dec.html
Yahoo! Pipes: The Modules For Building Pipes
http://radar.oreilly.com/archives/2007/02/yahoo_pipes_the_1.html
Grundsatzartikel von Tim O’Reilly zu Yahoo Pipes: Pipes and Filters for the Internet
http://radar.oreilly.com/archives/2007/02/pipes_and_filte.html