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So erhöhen Unternehmen ihre Wachstumschancen beträchtlich

Wer seine Wachstumschancen umfänglich vergrößern will, benötigt eine Wissenscommunity weit über die Grenzen des Unternehmens hinaus.
Anne M. Schüller | 12.09.2024
So erhöhen Unternehmen ihre Wachstumschancen beträchtlich © Freepik / chalkboard
 

In einer vernetzten Welt entsteht Prosperität am ehesten dann, wenn sich Perspektiven, Gewerke, Kulturen und Kompetenzen miteinander verknüpfen. Transsektionale Schnittstellen sind die dynamischsten Orte für Fortschritt und Wandel. Sie gestatten einen Ausbruch aus vorherrschenden Denkmustern und etablierten Vorgehensweisen. Sie bieten beste Gelegenheiten für die Neuverknüpfung von Möglichkeiten.

Schnittstellen erweitern, wie bei einer Straßenkreuzung, den Horizont. Sie lassen neue Blickwinkel entstehen. Und man kann in neue Richtungen gehen. An Schnittstellen treten überraschende, faszinierende, außergewöhnliche, bahnbrechende Ideen zutage. Sie ermöglichen das Andocken von Initiativen im gesamten System und zugleich die Fortentwicklung an den einzelnen Strängen.

Co-Creativity schafft neuartige Handlungsweisen

Längst gibt es Innovationszentren und Technologieparks auf der ganzen Welt, in denen sich Universitäten, Forschungseinrichtungen, Gründer und Investoren mit Corporates zusammentun. In vielen Unternehmen fehlt vor allem die nötige Digitalkompetenz. Dies wurde oft zu spät erkannt. So wird digitales Wissen und Können, das kurzfristig verfügbar sein muss, vielerorts in hohem Maße über Helfer von außen vorangetrieben.

Auch auf den existenziell wichtigen und zugleich zukunftsträchtigen Feldern von Klimaschutz, Circularity und Nachhaltigkeit ist eine Bereicherung durch externe Profis fundamental, um mentale Modelle zu adjustieren, den Status quo zu überprüfen und neue Handlungsweisen zu integrieren. Im co-kreativen Austausch gelingt es zudem am besten, Ideen zu entwickeln, auf die man allein nicht gekommen wäre.

Crowdsourcing gewinnt noch mehr an Bedeutung

Das Crowdsourcing wird in den kommenden Jahren massiv an Bedeutung gewinnen. Geprägt wurde dieser Begriff bereits 2006 vom US-amerikanischen Technologie-Journalisten Jeff Howe. Crowdsourcing setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern Crowd (Menge, Menschenmasse) und Outsourcing (Auslagerung). Es umfasst somit die Auslagerung von Ideenfindung und Kreativprozessen an die externe Crowd, eine meist heterogene Menschenmenge außerhalb des Unternehmens.

Eine Aufgabenübertragung an die Crowd kann dazu beitragen, dass Unternehmen wettbewerbsfähiger werden, weil die Crowd als Innovationstreiber agiert. Hierbei können sowohl Spezialisten (Expert Crowd) von außerhalb als auch „Jedermann“ (Free Crowd) zu freiwilligen Partnern werden. Infrage kommen zum Beispiel Kunden, Geschäftspartner, Branchenexperten und Internetnutzer, die an Innovationen und Weiterentwicklungen sehr interessiert sind.

Zum Beispiel hat die Digitalwirtschaft uns längst zu freien Mitarbeitern gemacht. Meist sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Und fast nie werden wir dafür bezahlt. Zum Beispiel? Jedes Mal, wenn wir mit Chatbots kommunizieren oder uns über einen CAPTCHA-Code als menschlicher Nutzer identifizieren, trainieren wir eine künstliche Intelligenz. Kaufen wir in einem Online-Shop ein, werden wir zu Versuchspersonen eines A/B-Tests, um die performantere von zwei geplanten Versionen zu ermitteln.

Crowdsourcing gibt es in vielerlei Varianten

Crowdsourcing finden wir zum Beispiel im Produktdesign und der Produktentwicklung, bei der Ideengenerierung für zeitgemäße Dienstleistungen oder bei der Lösung fachspezifischer Probleme. Crowdsourcing-Projekte können auf Crowdsourcing-Plattformen ausgeschrieben oder mithilfe von Crowdsourcing-Partnern entwickelt werden. Oft wird eine bereits im Vorfeld geschaffene eigene Community involviert.

So nutzt der Bauklötzchenhersteller Lego das Crowdsourcing in der Entwicklung. Über deren Ideas-Website können User ihre Vorschläge einreichen und für die Ideen anderer Nutzer voten. Wenn Externe so bei der Gestaltung mitwirken, reduziert das nicht nur Flops, es hinterlässt auch positive Spuren im Web. Zudem erschließt sich Lego damit ein reichhaltiges zusätzliches Innovationspotenzial für die Zukunft.

Beim Crowdtesting werden Software, Spiele und Anwendungen von freiwilligen Online-Usern vorab getestet. Hierdurch ist es möglich, die Programme schon vor ihrer offiziellen Markteinführung auf verschiedenen Systemen auf Fehler zu prüfen und ihre Usability zu verbessern. Apple hat dafür Public-Beta-Versionen. Als Teilnehmender an diesem Programm kann jeder dazu beitragen, die Apple-Software zu optimieren, indem er dem Hersteller von seinen Erfahrungen berichtet. Dabei können die Probanden Features und Funktionen nutzen, die „normalen“ Nutzern (noch) verwehrt sind.

Open Innovation: Öffnung in ganz großem Stil

Für Innovationsprozesse öffnen sich Unternehmen bisweilen in ganz großem Stil. Dieses Vorgehen ist unter dem Begriff „Open Innovation“ bekannt. „Open“ bedeutet dabei nicht zwangsläufig völlige Transparenz und den kompletten Blick hinter die Kulissen, sondern einen Durchlass der bis dahin ausschließlich internen Entwicklungsprozesse zwecks Bereicherung und Optimierung.

Für Großprojekte gibt es weltweite Innovationsplattformen. Hier treffen Lösungssuchende auf ein Netzwerk von „Solvern“. In einem Fall wollte die NASA mit deren Hilfe die Prognosefähigkeit von Sonneneruptionen verbessern. Kein Astrophysiker, sondern ein Hochfrequenztechniker im Ruhestand löste das Problem und ergatterte die 30.000 US-Dollar Preisgeld.

Leider scheitert Open Innovation oft an internen Hürden. Da sind zum einen die Hausjuristen, die vielerlei rechtliche Bedenken haben. Noch destruktiver ist das Not invented here-Syndrom (NIH-Syndrom). Es führt dazu, dass Lösungen von außerhalb abgelehnt werden – aus der Überzeugung heraus, dass Externe „keine Ahnung haben, wie das bei uns läuft.“ Schon allein deshalb könnten sie nicht zu besseren Ergebnissen kommen als die Experten im eigenen Haus. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.

Externe sorgen für mehr Handlungsoptionen

Betriebsblindheit, unternehmenskulturelle Gegebenheiten und allerlei menschentypische Wahrnehmungsverzerrungen schränken den eigenen Horizont ein. Insofern sind Externe sehr gute Sparringspartner. Sie brauchen auf interne Tabus keine Rücksicht zu nehmen. Sie müssen nicht mit Repressalien rechnen. Bei Beharrungstendenzen können sie Klartext reden und knallhart die Konsequenzen eines Nichthandelns beleuchten.

So werden die maßgeblichen Manager - denen intern kaum jemand widerspricht - nun inhaltlich herausgefordert von Menschen, die komplett andere Sichtweisen haben oder sich auf völlig andere Art an eine Aufgabe machen. Dies führt zu einer Horizonterweiterung, zu mehr Variantenreichtum und zu neuen Handlungsoptionen. Genau das macht Wettbewerbsvorsprünge dann sehr wahrscheinlich.