Die Vermessung der Aufmerksamkeit: Auf diese Signale kommt es an
Fachbeitrag von Patrick Stoltze, Country Manager, CEE bei IAS
Das Endspiel der letzten Fußball-Europameisterschaft in 2021 wurde weltweit von rekordverdächtigen 328 Millionen Fans im TV verfolgt – davon allein 20,9 Millionen in Deutschland. Marken, die dieses Match zwischen Italien und England präsentiert oder im direkten Vorlauf oder Anschluss der Partie geworben haben, konnten sich der Aufmerksamkeit der TV-Zuschauer*innen ziemlich sicher sein. Doch: Die wenigsten Advertiser verfügen über ein entsprechend hohes Budget, um sich im direkten EM-Umfeld zu platzieren. Sie benötigen eine andere sichere Methode, um die generierte Aufmerksamkeit zu messen. Erst recht in Zeiten wie diesen, in denen die Werbebudgets knapp sind und die Marketer zunehmend unter Druck geraten, den ROI zu maximieren und die effektive Nutzung ihrer Spendings sicherzustellen.
Die Werbebranche tut sich schwer
Klar ist: Die Aufmerksamkeit gewinnt als Metrik immer mehr an Bedeutung, um die Wirkung und Einprägsamkeit von Werbeanzeigen präziser zu messen. 84 Prozent der deutschen Mediaexpert*innen sind laut einer YouGov-Studie ( https://integralads.com/de/insider/studie-the-attention-payoff/ )der festen Überzeugung, dass es für ihr Unternehmen wichtig ist, eine Aufmerksamkeitsstrategie zu haben. Schließlich ermöglicht es die gemessene Aufmerksamkeitsrate, die gesamte Kampagnenplanung und -umsetzung deutlich gezielter und erfolgreicher zu optimieren. Und dennoch tut sich die Werbebranche immer noch schwer mit dem Thema Aufmerksamkeitsmessung. Obwohl es offensichtlich ist, dass die Zukunft der Werbung auf Grundlage dieser Messgröße gehandelt wird, gibt es bisher kaum einen offiziellen branchenweiten Konsens darüber, wie sich die Aufmerksamkeit als KPI definiert.
Was macht Aufmerksamkeit aus?
In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche Messinstrumente heraus, die allesamt versuchen, die komplexe Natur der Aufmerksamkeit in eine messbare Form zu bringen. Mal mehr oder weniger erfolgreich, um ehrlich zu sein. Auf eine branchenweite Definition von Aufmerksamkeit warten wir zwar bis heute vergebens, doch inzwischen hat die Branche auch so einen Konsens erzielt, wie eine effektive Aufmerksamkeitsmessung aussehen sollte. Die große Mehrheit der Expert*innen und Lösungsanbieter sind sich einig darüber, dass vor allem drei Kernsignale für die Aufmerksamkeitsmessung entscheidend sind: die Sichtbarkeit einer Anzeige, die Situation, in der sie zu sehen ist, und die Interaktion, die sie bei der Zielgruppe auslöst.
Sichtbarkeit: Für die meisten Akteure des Werbe-Ökosystems hat die Sichtbarkeit einer Anzeige oberste Priorität bei der Messung der Aufmerksamkeit: 81 Prozent der deutschen Mediaexpert*innen sehen sie der YouGov-Studie zufolge als wichtig an. Die Sichtbarkeitssignale messen die Mediaqualität der Impressions und werden aus drei Schlüsselmetriken erstellt: die Sichtbarkeit, die Time-in-View und das Vollbild. Am Ende ist es wenig überraschend, dass Konsument*innen einer Anzeige keine Aufmerksamkeit schenken, wenn sie nicht sichtbar ist. Der Sweet Spot für die Sichtbarkeitsdauer liegt bei etwa 3 bis 10 Sekunden. Anzeigen, die für diesen Zeitraum im Blickfeld der Zielgruppe bleiben, führen mit größerer Wahrscheinlichkeit zu zusätzlichen Verkäufen und einem höheren ROI.
Situation: Die Situation ist nach Ansicht von 83 Prozent der deutschen Branchenexpert*innen das nächste wichtige Signal. Denn die Umgebung, in der eine Anzeige geschaltet wird, hat direkten Einfluss darauf, ob sie den Konsument*innen ins Auge fällt oder nicht. Anzeigendichte, Seitenausrichtung, Markeneignung und kontextuelle Relevanz sind allesamt Messgrößen, die ein Bild von der Situation einer Anzeige vermitteln. Letztlich beweisen diese Messgrößen, dass Qualitätswerbung – also Werbung, die markensicher ist, eine hohe Relevanz für das Umfeld hat und nicht von anderen Anzeigen verdrängt wird – nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch direkte Ergebnisse fördert. So bleibt Werbung in kontextrelevanten Umfeldern denn auch vier Mal besser im Gedächtnis als kontextlose Werbung und steigerte gleichzeitig die Kaufabsicht um 14 Prozent.
Interaktion: Das letzte Puzzlestück, wenn es um die Aufmerksamkeitsmessung geht, ist die Interaktion. Um ein wahrheitsgetreues Bild der Aufmerksamkeit zu erhalten, können sich Marketer nicht allein auf Klicks verlassen. Stattdessen können ausgefeilte Metriken wie Scrollen, Lautstärke und Videowiedergabe oder Pausen eingesetzt werden. Die Wirksamkeit der Interaktion hängt auch vom verwendeten Format ab - die Interaktion mit Display-Anzeigen korreliert beispielsweise stärker mit den Ergebnissen als die mit Videoanzeigen.
Gezielte Aufmerksamkeitsoptimierung für mehr Mediaqualität und Performance
Angesichts der großen Komplexität der menschlichen Aufmerksamkeit ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass wir eine einzige Kennzahl finden werden, die sie effektiv misst. Entscheidend ist vielmehr der richtige Mix aus relevanten Signalen, mit denen sich Marketer ein Bild von der erreichten Aufmerksamkeit machen können, um ihre Kampagnen gezielt zu optimieren. Neue Technologien wie z. B. das Eyeball-Tracking können die Aufmerksamkeitsmessung dabei unterstützen und das Gesamtbild um organische Informationen über das Nutzerverhalten ergänzen.
Die anschließende Aufmerksamkeitsoptimierung beginnt bereits bei der Gestaltung der Werbemittel: Das Format und die visuelle Attraktivität der Creatives wirken sich direkt auf die Aufmerksamkeitswerte der Konsument*innen aus. Im Fokus stehen zudem der Zeitpunkt und der Kontext, in dem die Anzeigen ausgespielt werden. Auf Basis der gemessenen Aufmerksamkeitsmetriken ist es wichtig sicherzustellen, dass die Kampagnen immer zur richtigen Zeit und in geeigneten, sicheren und relevanten Umfeldern platziert werden. Und natürlich sollten auch die Botschaften besonders aufmerksamkeitsstark und zielgruppengerecht sein, um eine maximale Wirkung zu erzielen.
Fazit: Marken sollten die Potenziale der Aufmerksamkeitsmessung jetzt für sich nutzen
Wir halten fest: Auf Basis der drei Schlüsselsignale Sichtbarkeit, Situation und Interaktion ist es schon heute möglich, die Aufmerksamkeit von Werbung effizient zu messen, um Kampagnen erfolgreich zu optimieren. Wer jetzt noch weiter darauf wartet, dass die Branchenverbände einheitliche Standard definieren, verschenkt wichtige Optimierungspotenziale und droht auf lange Sicht den Anschluss zu verlieren.