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Mehr Fokus im Marketing

Viel hilft viel? Nein, im digitalen Zeitalter nicht mehr. Unternehmen wollen nicht mehr von unkonkreten Angeboten überschwemmt werden.
Nicolas Wandschneider | 23.08.2021
Mehr Fokus im Marketing © Freepik
 

Viel hilft viel? Dieses Motto gilt im Marketing nicht mehr so wie früher. Im digitalen Zeitalter wollen Unternehmen nicht mehr von unkonkreten Angebotsfluten überschwemmt, sondern individuell mit Lösungen angesprochen werden, die noch stärker auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Hat Massenmarketing über Jahrzehnte hinweg zu enormen Streuverlusten geführt, erlebt nun ein neuer Ansatz einen Aufschwung, mit dessen Hilfe moderne Kommunikationsmittel genutzt und die Kundenakquise erfolgreicher gestaltet werden können.

Das Account-Based-Marketing, kurz ABM, verspricht, relevante Inhalte zur besten Zeit auf dem bevorzugten Kanal an die richtigen Empfänger zu adressieren. Botschaften, die Unternehmen aussenden, werden damit genau dort platziert, wo sie die größtmögliche Wirkung erzielen.

Der Aufbau von skalierbaren ABM-Prozessen stellt Unternehmen zum Teil vor große Herausforderungen, zumindest auf den ersten Blick. Die Vorstellung, dass theoretisch jeder größere Kunde eine individuelle Botschaft erhält, klingt zunächst nach hohem Aufwand und komplizierten Prozessen. Doch bei genauerem Hinsehen birgt dieses Vorgehen die gewaltige Chance, Kunden ein Erlebnis zu verschaffen, das sie bisher nicht kannten.

Ein Vergleich aus dem privaten Konsumumfeld hilft, diese Vorteile zu verstehen: Wer zum Beispiel auf der Suche nach neuen Schuhen per Katalog immer wieder die gleichen Modelle angeboten bekommt, die auch viele andere tragen, der wird davon bald gelangweilt sein – und der wird umso begeisterter zugreifen, wenn ihm plötzlich jene Schuhe offeriert werden, die genau zu ihm passen, die er sich schon immer gewünscht hat und die er gerade braucht.

Dieser Gedanke ist das Grundprinzip von ABM. Werden im Inbound-Marketing Annahmen darüber getroffen, welche Themen eine möglichst große Zahl an Zielkunden bewegen könnten, werden im ABM ganz konkrete Zielpersonen, aktuelle Unternehmensziele und Herausforderungen recherchiert und Inhalte spezifisch darauf ausgerichtet. An der Stelle also, wo die Effektivität von Inbound Marketing aufhört, nämlich bei der Platzierung von großvolumigen Produkten und Lösungen bei Enterprise-Kunden, zeigt sich eine neue Fokussierung in Richtung ABM von vielen Unternehmen.

Marketing und Vertrieb enger verzahnen

Was vielversprechend klingt, birgt Tücken in der Umsetzung. Die erste Hürde ist zwischen internen Abteilungen aufgebaut: In vielen Organisationen arbeiten Marketing und Vertrieb nicht nur nebeneinander, sondern womöglich auch gegeneinander. Im ABM ist besonders wichtig, Hand in Hand zu arbeiten, weil Kundenprofile mithilfe beider Seiten entwickelt und diese Kunden dann konzentriert gemeinsam über einen kurzen Zeitraum adressiert werden müssen, das Zusammenspiel des ABM Marketing Teams und den jeweiligen Account Manager ist daher ein zentraler Erfolgsfaktor für erfolgreiches ABM. Das Marketing ist hier auf das Wissen und die Kompetenzen des Sales-Teams angewiesen. Um also Zielgruppen gezielt ansprechen zu können, müssen diese beiden häufig als Gegenpole verstandenen Einheiten zusammengeführt werden.

Moderne Technologien wie automatisiertes Marketing unterstützen dabei mithilfe entsprechender Automation Software, Informationen über Kunden mit hohem Potential zu sammeln und zu bündeln, um daraus passgenaue Profile zu entwickeln, die als Grundlage für zielgerichtete Angebote dienen. Sie werden nicht nur von Vertrieb und Marketing gemeinsam erarbeitet, sondern von ihnen auch stetig aktualisiert. Die dafür nötigen Informationen lassen sich aus bereits vorhandenen, internen Quellen, aber auch aus dem Internet und aus sozialen Medien beschaffen. 

Inhalte passgenau auf Profile ausrichten

Wer solche individuellen Accounts datengestützt aufgebaut hat, kann daraus Customer Journeys entwickeln, die eben nicht aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit ins Leere zu laufen drohen, sondern die stattdessen genau jene Herausforderungen adressieren, denen sich Kunden derzeit gegenüber sehen. Es ist der Deckel, der genau auf den Topf passt – oder im oben aufgeführten Beispiel der Schuh, der nicht nur ideal sitzt, sondern auch noch den Geschmack trifft und den Kunden von seinem direkten Umfeld absetzt.

Neben den Inhalten gilt es zudem, die richtigen Kanäle zu definieren: Denn die Account-Analyse widmet sich auch der Frage, wo Kunden am häufigsten unterwegs sind, auf welchen Plattformen sie angesprochen werden wollen. Mithilfe dieser Erkenntnisse können die frisch generierten Inhalte genau dort ausgespielt werden.

Entscheidungsträger kennen und ansprechen

Zudem ist davon auszugehen, dass bei großvolumigen Aufträgen mehrere Personen in Unternehmen an Entscheidungen beteiligt sind. Ein professionelles ABM kennt diese Entscheidungsträger, die an unterschiedlichen Stellen sitzen und damit womöglich ganz unterschiedliche Interessen haben, und es adressiert die Personen auch mit verschiedenen Ansprachen. So hat der Einkäufer vermutlich eher ein Auge auf ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis, während wichtige Entscheider im jeweiligen Fachbereich eher auf den konkreten Nutzen und den Leistungsumfang eines Angebots blicken.

ABM in seiner Komplexität kann auch von der Digitalisierung profitieren. Die Menge von Daten, die sich heute über Kunden generieren lässt, kann nämlich dabei helfen, Marketing noch fokussierter auszurichten. Doch auch ohne große Datenmengen kann ABM funktionieren, weil die Konzentration der Kräfte und ein abgestimmtes Verhalten in Organisationen Marketing effizienter und effektiver machen können.

Um sich diesem Honigtopf zuzuwenden, hat Cloudbridge einen siebenstufigen Prozess entwickelt, der von der Analyse der vorhandenen Kundenaccounts über die Identifikation der geeigneten Zielpersonen dieser Accounts reicht, Herausforderungen der Zielgruppen ausmacht und daraus personalisierte Portfolios entwickelt, die zielgerichtet ausgespielt werden. Dabei geht es nicht primär darum, einzelne Projekte umzusetzen, sondern vielmehr darum, Unternehmen zu befähigen, ABM langfristig und vor allem effizient in die eigenen Prozesse zu implementieren. Gerade weil diese Methode zwar effektiv, aber auch aufwendig ist, braucht es Strukturen, ein abgestimmtes Zusammenspiel von Marketing und Sales Technologien sowie klar definierte Abläufe, die einmal entwickelt werden müssen, um dann dauerhaft zu funktionieren. Der siebenstufige Prozess dient als Leitplanke, der Unternehmen bei der Umsetzung von ABM langfristig als Orientierung und Absicherung dient.


Gerade im Umgang mit vorhandenen oder neuen Großkunden lohnt es sich, genauer hinzuschauen und Angebote maß zu schneidern. Wertvolle und langfristige Kundenbeziehungen basieren auf einem individuellen Kundenmanagement, in dem Vertrauen und Wertschätzung große Bedeutung haben. Wenn Kunden sich in ihren alltäglichen Herausforderungen verstanden fühlen und wenn ihnen dafür personalisierte Angebote vorgeschlagen werden, wird sich das auf die Qualität der Beziehung positiv auswirken.

Studien haben längst nachgewiesen, dass ABM keine nutzlose Modeerscheinung ist, sondern konkreten Nutzen zu erbringen in der Lage ist. So berichten Experten aus der Praxis, dass sie mithilfe dieser Methode höhere Umsätze mit neuen und vorhandenen Kunden erzielt haben. Allerdings melden viele Organisationen auch, dass sie noch wenig Budget in ABM investieren. Das zeigt einerseits, dass auf diesem Feld noch viel Potential liegt; andererseits können sich Unternehmen, die diesen Weg jetzt konsequent zu gehen bereit sind, damit auch vom Wettbewerb absetzen.

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Nicolas Wandschneider ist Geschäftsführer der Cloudbridge Consulting GmbH mit Sitz in München.