Du oder Sie? Die richtige Kundenansprache
Ein Beitrag von der Redaktion der marketing-BÖRSE - Gabriele Braun und Vivian Steidle
Im Februar 2016 machte die Otto Group große Schlagzeilen. Der Vorstandschef Hans-Otto Schrader bot seinen weltweit 53.000 Mitarbeitern nicht nur das Du an, sondern verlangte von ihnen ebenfalls bei seinem Spitznamen „Hos“ genannt zu werden [1].
Was vor einigen Jahren noch für Furore gesorgt hat, wird heute zunehmend zur Normalität. In den letzten Jahren hat sich ein Trend abgezeichnet, der es nicht nur erlaubt die Chefs zu duzen, sondern ebenfalls den Kunden locker gegenüberzutreten. Immer mehr Unternehmen setzen daher auch in Mails, in Newslettern und vor allem auf Social Media auf das „Du“.
Soll ich meine Kunden siezen oder duzen? Dies ist nicht nur eine Frage der Branche, sondern kommt ebenfalls auf die Zielgruppe und den gewählten Kommunikationskanal an.
Social Media
Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook und Twitter sind in jedem Fall eines: persönlich, individuell und kreativ. Dies zeigt sich zum einen durch die recht junge Zielgruppe, zum anderen bei den Beiträgen der Unternehmen. Die Unternehmen lassen ihre Follower hinter die Kulissen blicken, geben ihnen Einblicke in den Unternehmensalltag und vieles mehr.
Der Aufbau der Plattformen ermöglicht ein persönliches Verhältnis aufzubauen und die Vorgänge innerhalb des Unternehmens für den Kunden transparent zu machen. Diese Offenheit verlangt einen anderen Umgangston, weshalb sich viele Unternehmen dem Stil der Plattformen angepasst haben und auf das „Du“ umgestiegen sind. Im Gegensatz zu Business-Plattformen wie Xing oder LinkedIn ist der Auftritt weniger seriös und viel persönlicher. Die Kunden bestehen förmlich darauf, geduzt zu werden.
Dies wird ebenfalls durch die Ergebnisse der Studie von Appinio verdeutlicht. Insgesamt wurden 4533 Deutsche im Alter zwischen 16 und 54 Jahren im April 2019 zum Themen Duzen und Siezen befragt. Dabei wurden die Social-Media-Kanäle, die Websites der Unternehmen und die Interaktion mit dem Personal in den Ladengeschäften untersucht.
Vor allem auf Instagram wollen ca. 80 Prozent der Nutzer mit „Du“ angesprochen werden. Bei Facebook bevorzugen drei Viertel der Befragten die persönliche Anrede. Ähnliche Werte zeigen sich bei Twitter, wobei die Älteren mit nur 69 Prozent im Vergleich zu Instagram und Facebook weniger geworden sind.
Auf Business-Netzwerken wie LinkedIn und Xing will der Großteil hingegen lieber gesiezt werden. Vor allem die ältere Altersgruppe setzt dort auf eine formelle Ansprache. Nur knapp ein Drittel möchte lieber geduzt werden. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass die Ansprache sowohl in engem Zusammenhang mit der Branche, als auch mit der Zielgruppe steht [2].
Unternehmens-Websites
Soll ich meine Kunden auf der Website siezen oder duzen? Die Antwort der Frage liegt wieder bei der Zielgruppe des Unternehmens und der Branche, in der es tätig ist und der Unternehmensphilosophie.
Beispiel
Das Schwedische Möbelhaus IKEA duzt ihre Kunden in erster Linie. Dabei bezieht es sich auf sein Herkunftsland, denn in Schweden ist man es gewohnt, sein Gegenüber zu duzen.
Die Unternehmensabteilung IKEA Business spricht hauptsächlich Unternehmen an. Aus diesem Grund sind sie in dieser Abteilung bei dem „Sie“ geblieben.
Je nach Zielgruppe passt IKEA seine Ansprache an.
Die Bedeutung der Branche zeigt sich ebenfalls in der Studie „E-Mail-Marketing-Benchmarks 2020“ von Torsten Schwarz, in der die 5000 deutschsprachigen Top-Unternehmen untersucht wurden. Vor allem wird bei den Branchen Handel (16 Prozent) und Markenhersteller (12 Prozent) auf das „Du“ auf den Websites gesetzt. Unternehmen der Beratung und IT (4 Prozent) und Finanzen und Versicherungen (2 Prozent) bleiben hingegen hauptsächlich beim „Sie“ [3].
Beispiel
Der Paketversand Hermes ist vor zwei Jahren ebenfalls auf eine persönlichere Ebene umgestiegen und duzt seither seine Kunden.
Damit zieht Hermes mit anderen Unternehmen aus dem E-Commerce gleich. Zalando, Amazon und IKEA duzen ihre Kunden bereits auf den Websites. Das „Du“ passt zur Branche.
Die Du-Form benutzt Hermes jedoch lediglich bei der allgemeinen Ansprache, auf der Website oder in Werbung. Im persönlichen Kontakt siezen sie ihre Kunden weiterhin. Sie wollen nicht polarisieren, sondern sich lediglich ihrer Zielgruppe anpassen [4].
Was sagen die Kunden zu der persönlichen Ansprache auf Websites?
Die Studie von Appinio macht eines deutlich: Wenn es um das Duzen auf Unternehmens-Websites geht, sind sich die verschiedenen Altersgruppen größtenteils einig. Sie weisen nur geringfügige Unterschiede auf.
Allgemein lässt sich sagen, dass es nur eine Minderheit der Befragten, ca. ein Zehntel, stört, wenn sie auf den Websites geduzt werden. Ein Großteil der Befragten fühlt sich davon nicht gestört. Vor allem die junge Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen (30 Prozent) scheint damit keine Probleme zu haben. Die 45- bis 54-Jährigen sind mit 29 Prozent gleicher Meinung mit der jüngeren Generation [2].
Restaurants und stationärer Handel
Wie kann ich dir helfen? Suchst du etwas Bestimmtes? Was möchtest du trinken?
Zunehmend verwenden ebenfalls Restaurants oder Läden im stationären Handel das „Du“. Im Gegensatz zu den Websites zeigt sich hier ein Unterschied zwischen den Generationen. Während 35 Prozent der 16- bis 24-Jährigen das Duzen nicht zu stören scheint und es 33 Prozent sympathisch finden, wenn es zum Geschäft passt, sieht es bei der älteren Generation anders aus. Mit zunehmendem Alter fühlen sich die Kunden von der Ansprache gestört. Bei den 45- bis 54-Jährigen fühlen sich davon lediglich 22 Prozent nicht gestört. 19 Prozent sind davon regelrecht genervt. Bei der jüngsten Altersklasse sind dies nur 7 Prozent.
In zwei Punkten sind sich jedoch alle Altersklassen einig: Sie finden es sympathisch, wenn es zum Geschäft passt (ca. 33 Prozent) oder wenn sie das Personal kennen (ca. 22 Prozent) [2].
Fazit
Der Trend vom „Sie“ zum „Du“ wird immer deutlicher. Neue Medien und Plattformen wie Instagram bringen neuen Schwung in den Wandel.
Trotz allem ist es stets eine Frage der Zielgruppe, Branche und Unternehmensphilosophie. Während die jüngere Generation dem Ganzen deutlich offener gegenübertritt, scheinen die älteren Kunden an den alten Normen festzuhalten.
Jedes Unternehmen muss somit individuell entscheiden, ob es zu seiner Zielgruppe und Branche passt und ob es auf den „Du“-Zug mit aufspringen kann.
Quelle
[2] Appinio Studie Duzen vs. Siezen, Marketingkommunikation: https://www.appinio.com/de/blog/studie-markenkommunikation-siezen-duzen
[3] E-Mail Marketing Benchmarks 2020, absolit https://www.absolit.de/studien/e-mail-marketing-benchmarks