Konzeption einer fundierten Analytics-Strategie
Business-Intelligence-Strategie, Datenstrategie, Digitalisierungsstrategie, IT-Strategie, Big-Data-Strategie und jetzt noch eine Analytics-Strategie - wie viele Strategien braucht eine wettbewerbsfähige Organisation? Man darf diese Frage nicht pauschal beantworten, sondern sollte sich fragen, wann eine Analytics-Strategie gebraucht wird.
Best-Practice Anlässe für die Ausgestaltung einer Analytics-Strategie
Organisationen nehmen das Thema Analytics-Strategie zu unterschiedlichen Zeitpunkten und folglich aus unterschiedlichen Gründen auf die eigene Agenda. Dazu gehören: - Potenzialanalyse, um erste Aktivitäten zu planen, - Unterstützung bei dem Start erster Projektumsetzungen und bei der - Zusammenführung bereits realisierter Projekte und Analytics-Aktivitäten. Der erste Anlass zur Gestaltung einer Analytics-Strategie ist der Wunsch, Möglichkeiten von Analytics für die Organisation auszuloten und Prozesse zu optimieren, um Defizite aufzulösen oder Wettbewerbsvorteile zu generieren. Dazu gehören ebenfalls geplante Maßnahmen zur Digitalisierung und Prozessneukonzeption, in deren Rahmen auch Analytics-Aspekte zu berücksichtigen sind oder zumindest deren Sinnhaftigkeit zu prüfen ist. Auch die Existenz einer Datensammlung wie beispielsweise eines Data Lake, deren Nutzung für die Organisation noch nicht oder nicht umfassend erfolgt, bietet einen Anlass. Viele Unternehmen sammeln und speichern aus einem empfundenen Technologiedruck oder rein auf Grund der Verfügbarkeit von Daten inzwischen große Datenmengen, nutzen diese jedoch noch nicht zielorientiert und damit gewinnbringend. So sollte die Verknüpfung mit Business Cases erfolgen, um die Nutzung und damit den Nutzen der verfügbaren Daten zu steigern. Ein weiterer Anlass bildet die Herausforderung für Projektverantwortliche, über die konkrete Ausgestaltung von Projekten zu entscheiden. Dahinter stehen Fragestellungen, ob Leistungen extern einzukaufen sind oder internes Know-how besteht, ob geschäftskritische Daten in der vorliegenden Art und Weise an externe Dienstleister gegeben werden dürfen, ob das Ergebnis den Anforderungen des Datenschutzes genügt und ob später die Projektergebnisse wieder in die Organisation integrierbar sind. Damit hier nicht immer individuelle Antworten in jedem Projekt gefunden werden müssen, sollte eine gemeinsame Ausrichtung an einer Analytics-Strategie erfolgen. In einigen Fällen ist eine Analytics-Strategie immer dann wichtig, wenn einzelne Fachbereiche für sich bereits eigene Analytics-Projektthemen umgesetzt haben und/oder weiter(e) angehen. Diese folgen technologisch und organisatorisch jedoch zumeist keiner gemeinsamen Ausrichtung, so dass Unsicherheiten zur Überführung in den Betrieb und zu Verantwortlichkeiten entstehen. Zudem entscheiden sich Fachbereiche oft aus einem gefühlten Projektdruck heraus für ein Werkzeug oder folgen dem Vorschlag eines externen Partners und lassen dabei jedoch die Nachhaltigkeit der Lösung außer Acht. Aspekte wie Wartbarkeit, Einbindung in bestehende IT-Landschaften, Support, Weiterentwicklung und Kosten der Lizensierung des Werkzeugs werden zu spät berücksichtigt. Als Konsequenz lässt sich die Lösung eventuell nicht oder nur mit großem Aufwand in den Regelbetrieb übertragen. Auch hier bietet eine Analytics-Strategie die Möglichkeit der gemeinsamen Ausrichtung und Integration in gemeinsame Strukturen, so dass Synergieeffekte realisierbar sind.
Bestandteile einer Analytics-Strategie
Definition und strategische Analytics-Vision Ausgangspunkt einer Analytics-Strategie sollte die Formulierung einer strategischen Zielstellung und damit einhergehend eine organisationsweit akzeptierte Definition von Analytics bilden, die auch eine Abgrenzung zu anderen Projekten und Initiativen ermöglicht. Dabei ist der Bezug zur Geschäftsstrategie der Organisation herzustellen, indem beispielsweise effizienz- oder marktausschöpfungsbezogene Ziele aus der Geschäftsstrategie bzw. deren Realisierung als elementare Grundlage des Analytics-Einsatzes angesehen werden.
Themen und Innovation
In einem zweiten Schritt sind bestehende Analytics-Themen zu sammeln und neue Projektideen zu entwickeln. Diese Themen sind es, die den Wettbewerbsvorteil für eine Organisation generieren und bilden im Sinne eines „Business Case“ den zentralen Treiber für eine Analytics-Strategie. Wenn sich organisationsweit keinerlei Themen ergeben, ist auch die detaillierte Ausgestaltung einer Analytics-Strategie mindestens in Frage zu stellen. Natürlich müssen den Fachbereichen technische Potenziale und Einsatzmöglichkeiten von Analytics bekannt sein oder bekannt gemacht werden, um Innovationen zu schaffen. Ein hilfreiches Werkzeug in dieser Phase ist das Periodensystem der Künstlichen Intelligenz des Branchenverbands Bitkom (siehe Abbildung 1). Das System kann technische Potenziale leichter verständlich und folglich auf das eigene Arbeitsfeld übertragbar machen. Dadurch vereinfacht sich der Dialog mit dem Fachbereich, da nur dieser genau beurteilen kann, welche Prozesse durch Analytics optimiert oder welche neuen Geschäftsmodelle interessant sein könnten. Natürlich kann auch die IT-Abteilung die Rolle des Inspirierenden übernehmen, was jedoch erforderlich macht, dass die IT-Abteilung in dieser Rolle akzeptiert ist. Es bieten sich ergänzende Themenfindungsworkshops mit der Kreativitätstechnik des „System Thinking“ an. Gute Ideen für zukunftsweisende Veränderungen, neue Prozesse oder neue Geschäftsmodelle entstehen nicht immer auf Bestellung und lassen sich mit dieser Methode unterstützen. Innerhalb des System Thinking lassen sich Ideen gemeinsam soweit ausarbeiten, dass Einsatz und Nutzen von Analytics bewertbar werden und sogar die Prototypentwicklung beginnen kann. Eine Analytics-Themenlandkarte, als Ergebnis eines solchen Workshops, ermöglicht zu einem späteren Zeitpunkt einerseits die Identifikation von Leuchtturmprojekten, andererseits auch die Einbindung zentraler Themenlieferanten und künftiger Nachfrager von Serviceleistungen. Hier sind Berührungspunkte zu einer gegebenenfalls vorhandenen Digitalisierungsstrategie beachtenswert.
Dimensionen der Analytics-Strategie
Es ist grundsätzlich möglich, aus Best Practices eine Strategie auf dem Reißbrett zu entwerfen. Um auf die Organisation zugeschnittene und nachhaltige Strukturen zu implementieren, sollten jedoch bereits existierende (angrenzende) Prozesse und Strukturen in einem ersten Schritt betrachtet und ggf. integriert werden. In einem nächsten Schritt werden die Dimensionen einer Analytics-Strategie inhaltlich ausgestaltet (siehe Abbildung 2). In den Dimensionen „Organisation“ und „Prozesse“ werden die Organisationseinheiten und deren Zusammenspiel in Prozessen erarbeitet. Damit einher gehen Verantwortlichkeiten und die Definition notwendiger Kompetenzen. Auch müssen in der Dimension „Personen“ entsprechende Rollenzuordnungen vorgenommen werden, um Verantwortlichkeiten konkreten Personen zuzuweisen, notwendige Personalkapazitäten zu bemessen und auch um Weiterbildungskonzepte mit konkreten Schulungen zu konzeptionieren. Eine häufige Fragestellung ist dabei, ob es eine zentral angesiedelte Organisationseinheit mit analytischer Kompetenz, oder eher dezentrale Analytics-Einheiten in den Fachbereichen geben soll. Gartner hat verschiedene Möglichkeiten definiert, um Analytics-Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Unterstützungsleistungen zu organisieren: – Zentrale Ansiedlung der kompletten Analytics-Ressourcen, um dann projektbezogen allen Fach- und Funktionsbereichen Zugriff auf Analytics-Ressourcen zu ermöglichen, aber dann auch mit direkter Verantwortlichkeit. – Als Center of Excellence, bei dem zentrale und in allen Fachbereichen auch dezentrale Ressourcen existieren. – Je nach Bedarf mit vollständiger Projektumsetzung oder Unterstützung einzelner Aufgaben für Fachbereiche mit und ohne eigene Analytics-Ressourcen. – Funktional, beispielsweise als Bestandteil der Ressourcen der IT, um Projekte für die Fachbereiche und eigene Projekte davon getrennt zu realisieren. – Dezentralisiert, also in jedem Fachbereich für eigene Aufgaben beheimatet. Damit ist Analytics nicht verfügbar für Fachbereiche ohne dauerhafte Analytics-Aufgaben (oft bei rein operativen Bereichen wie z. B. einem Call Center). Auch hier ist für jede Organisation eine individuelle Wahl zu treffen, um Synergieeffekte zu heben und allen Fachbereichen Zugriff auf Ressourcen zu ermöglichen, sodass Innovation überall entstehen und wachsen kann. Jede Analytics-Strategie braucht eine Governance anhand von Leitlinien zur Projektbearbeitung und Priorisierung. Dies hilft insbesondere bei Ressourcenknappheit. Neben der beispielsweise als Analytics Lab definierten zentralen Ressource bedarf es weiterer Organisationseinheiten, wie einem Governance-Gremium, und einer Analytics-Arbeitsgruppe, die durch regelmäßige Treffen Transparenz über Themen und Ideen schafft und damit einen Schlüssel für eine erfolgreiche und effiziente Umsetzung der Themen darstellt. Die Dimension „Architektur“, betrachtet die Architekturgestaltung in enger Verknüpfung mit der angrenzenden Dimension „Werkzeuge“. Hier werden die grundsätzlich nutzbaren Werkzeuge als Standards definiert, damit ein späterer Support durch die IT gewährleistet ist. Die Dimension „Kultur“ adressiert das erforderliche Change-Management, um die definierten Strukturen effizient in der Organisation zu etablieren. Dazu gehören agile Methoden, aber auch eine Bewusstseinsschaffung, dass eine Kultur des positiven Scheiterns notwendig ist („fail fast“). Auch ein Scheitern ermöglicht Lerneffekte: Welche Datenführten nicht zum gewünschten Ergebnis? Welche Daten haben wir nicht, oder nicht in ausreichender Qualität?
Analytics- & BI-Strategie
Sie kennen viele dieser Aspekte schon aus Ihren Bemühungen rund um Business Intelligence? Selbstverständlich gibt es Überscheidungen zwischen Analytics-Strategie und Business-Intelligence-Strategie. Beide sind auf Entscheidungs-unterstützung durch die Anwendung von IT auf Daten gerichtet, aber eben mit zum Teil ganz unterschiedlichen Methoden und Vorgehensweisen. Es kann sinnvoll sein beide Strategien gemeinsam zu überdenken oder zumindest bei gemeinsamen Themen integriert zu agieren. Überschneidungen sind beispielsweise bei Themen wie: - Data Governance inklusive Datenschutzkonzept, - Datenqualitätsmanagement oder auch - Datenversorgung und Datenspeicherorten zu erwarten. Es müssen folglich existierende Teilstrategien und die Fach- und Funktionsbereiche in Bezug auf Informationen und Prozesse verknüpft werden. Diese beiden Aspekte - Verknüpfung von Strategien und Verbindung der Bereiche - stellen zentrale Herausforderungen im Kontext des Change-Managements dar, mit denen man sich frühzeitig befassen muss, um Strategien erfolgreich und lebensfähig zu machen.
Roadmap
Als letzter Schritt der Strategie ist ein Projektplan bzw. eine Roadmap zu definieren, um die neu konzeptionierten Sollzustände zu erreichen. Dafür muss der Ist-Zustand bekannt sein und kann beispielsweise als Analytics-Reifegrad gemessen werden. Einfacher gestaltet sich der Prozess, wenn noch keine Strukturen definiert sind, da es naturgemäß schwieriger ist, vorhandene Strukturen aufzubrechen und Mitarbeiter mit neuen Prozessen vertraut zu machen.
Fazit
Es zeigt sich, dass jedes Unternehmen eine individuelle Analytics-Strategie braucht, die mit anderen strategischen Unternehmenszielen und weiteren Teilstrategien abzustimmen ist. Gelingt es, alle Stakeholder zu involvieren und gemeinschaftliche Spielregeln und Themen zu definieren, ist die Basis für ein erfolgreiches Change-Management gelegt. Initiieren Sie das Thema mit der Frage nach dem Warum – die Antwort sollten Business Cases sein. Diese Fachlichkeit ist der Treiber, denn es geht letztlich darum, dass Unternehmen erfolgreich im Markt zu platzieren.