Frauen auf der Überholspur
Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln und mich fragen, ob wir wirklich im 21. Jahrhundert leben. Vor kurzem riet Walther Tröger, seines Zeichens Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees, den Verantwortlichen für die Hamburger Olympia-Bewerbung dazu, auch die Ehefrauen der Mitglieder des IOC im Blick zu behalten. So weit, so gut – es heißt schließlich nicht umsonst, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht. Doch als ich seine Begründung las, war ich erst mal einige Sekunden sprachlos. Tröger verkündete, dass Hamburg "eine Shopping-Stadt par excellence" sei - schließlich würden sich die Frauen der IOC-Mitglieder ja während der Spiele amüsieren wollen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, wenn Sie solche Zeilen lesen. Für mich zeigt es in erster Linie, dass noch viel zu tun ist, bis Frauen wirklich als die starke Wirtschaftsmacht wahrgenommen werden, die sie sind. Denn Trögers Aussage steht sinnbildlich für die Sicht, die viele Unternehmen auf die Zielgruppe der Zukunft – die Frauen – haben.
Klein, bunt und mit extra Schminkspiegel
Internationale Studien belegen, dass nur rund 20 Prozent aller Kaufentscheidungen von Männern getroffen werden. Folglich kann jedes Unternehmen, welches sich die restlichen 80 Prozent, nämlich die Frauen, als Kundinnen erschließt, seinen Kundenstamm verfünffachen. Doch gerade in der Finanz- und Automotive-Branche scheint diese einfache Rechnung bisher den wenigsten aufgegangen zu sein. Was fällt Ihnen zum Stichwort „Autos für Frauen“ ein? Traditionell zeichnen sich Fahrzeuge für die weibliche Klientel durch Attribute wie bunt, klein und vor allem günstig aus. Der Haken an der Sache: Das wollen die Frauen von heute nicht mehr! Eine Bekannte erzählte mir neulich von ihrem letzten Besuch in einem Autohaus. Sie wollte sich einen neuen Wagen zulegen und hatte bereits recht konkrete Vorstellungen bezüglich des Modells und der Ausstattung.
Das schien dem zuständigen Vertriebsmitarbeiter jedoch so gar nicht in den Kram zu passen, denn er wurde nicht müde, ihr immer wieder die Vorteile eines Kleinwagens anzupreisen. Denn dieser wäre besonders leicht zu handhaben, in mehreren attraktiven Farben erhältlich und würde auch nicht so viel verbrauchen. Dumm nur, dass meine Bekannte einen eher sportlichen Wagen mit ordentlich PS unter der Haube haben wollte. Ein Einzelfall? Sicherlich nicht: Autobild.de führt jedes Jahr die Wahl zum Frauenauto des Jahres durch. Was meinen Sie, für welches Modell hat sich die ausschließlich aus Frauen bestehende Jury bei der letzten Wahl entschieden? Ganz oben in der Gunst der weiblichen Autofans landete die Mercedes S-Klasse! Jawohl, ein richtiges Auto – und kein Schnucki-Kulleraugen-Wägelchen mit gefühlten 40 PS. Passend dazu verkündete Daimler-Chef Dieter Zetsche vor einigen Monaten im Rahmen einer Investorenkonferenz, dass er ein Käuferpotenzial ausgemacht habe, dass noch vielversprechender sei als der größte Automarkt der Welt. Seine Erkenntnis: „Frauen sind das nächste China!“ Als ich das las, habe ich nur gedacht „Schön, dass es endlich einer bemerkt“. Herr Zetsche hat festgestellt, dass Mercedes aktuell noch viel zu wenige Käuferinnen hat. Das liegt nicht an den Autos selbst – sonst hätte die S-Klasse ja kaum die eben angesprochene Wahl gewonnen.
Der Grund dafür ist vor allem im Marketing und im Vertrieb zu suchen. Fakt ist: Frauen machen heute Karriere, sie haben Geld – und sie investieren es gerne in teure Autos. Zumindest im Prinzip, wenn der Klischee-gesteuerte Verkäufer nicht dazwischen grätscht. Frauen haben eine enorme Relevanz in den Märkten, und die gilt es zu nutzen. Unternehmen sollten sich daher nicht mehr länger die Frage stellen, ob sie diese Zielgruppe wollen, sondern wie es ihnen gelingt, die Nase vorn zu haben im Kampf um die Zielgruppe der Zukunft.
Der Kunde der Zukunft ist weiblich
An dieser Stelle ist es dringend nötig, mit zwei leider weit verbreiteten Kundinnen-Irrtümern aufzuräumen. Irrtum Nummer eins: Frauen wollen „Sachen für Frauen“. Nein, wollen sie nicht! Ganz ehrlich, eigentlich muss ich mich bei so einer Bezeichnung wie „Frauenauto“ schon schütteln. Das wir bei der Bekleidung in Produkte für Männer und Frauen unterscheiden, ist natürlich aus rein anatomischer Sicht keine schlechte Sache. Doch brauchen wir wirklich spezielle Autos, Handys, Geldanlagen für Frauen? Ich habe noch nie einen Verkäufer sagen hören, dass das Modell XY ein echter Männerwagen wäre und gerne von Männern gekauft wird. Uns Frauen werden solche Verallgemeinerungen jedoch ohne Weiteres zugemutet.
Hinzu kommt auch die Bezeichnung an sich. Den Zusatz „Frauen-“ sollten Sie unter allem Umständen aus Ihrem Repertoire streichen, denn bei Ihren potenziellen Kundinnen wird er nicht als Kompliment, sondern vielmehr als Abwertung verstanden. Das führt mich direkt zu Irrtum Nummer zwei: Es gibt nicht „diese“ Frauen. Es gibt kaum eine, wenn nicht sogar keine inhomogenere Zielgruppe als Frauen. Denken Sie hier nur an die Interessen einer alleinerziehenden Mutter im Vergleich zur berufstätigen kinderlosen Businessfrau. Das ist Diversity pur. Und genauso vielschichtig sind auch beispielsweise die Anforderungen, die Frauen an ein neues Auto stellen. Sorry liebe Männer, aber bei Euch geht es meist immer um eins: Technik. Welche Leistung hat der Motor, wie gut ist die Beschleunigung und welche Fahrwerkeinstellungen können manuell gemacht werden? Natürlich gibt es auch Frauen, die sich dafür interessieren. Sie ahnen sicher schon, worauf ich hinaus will. Die Mutter mit zwei Kindern möchte einen SUV, in dem diese bequem und sicher transportiert werden können und auch der Kinderwagen untergebracht werden kann – ohne das frau ihn erst in alle Bestandteile zerlegen muss. Die Businessfrau hingegen legt Wert auf ein Statussymbol, das ihr Luxus, Komfort und Sicherheit für lange Reisen bietet. Da können Sie ihr nicht mit einem SMART kommen.
Schluss mit „pink it and shrink it“!
Diese so unterschiedlichen Frauentypen haben eines gemeinsam: Sie sind es leid, immer wieder in Schubladen gepresst und auf ein Frauenbild reduziert zu werden, das längst nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Um attraktiv für diese so vielschichtige Zielgruppe zu werden, gilt es alte Zöpfe abzuschneiden und sich voll und ganz auf diese Vielfalt einzulassen:
• Begegnen Sie Ihren potenziellen Kundinnen wertschätzend und signalisieren Sie, dass Ihnen bewusst ist, dass sie (im Falle eines Paares) die „Entscheidungsträgerin“ hinter ihrem Mann ist. Es gibt nichts Schlimmeres als Verkäufer, die die Dame bestenfalls begrüßen und dann das gesamte Verkaufsgespräch über kein einziges Wort mehr an sie, sondern nur noch an ihren Mann richten. Glauben Sie mir – so wird das nichts!
• „One size fits all“ war gestern: Zeigen Sie echtes Interesse an den unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen Ihrer Kundinnen und bemühen Sie sich, gemeinsam eine passende Lösung zu finden.
• Zeigen Sie Flagge und setzen Sie auf weibliche Role-Models in Ihren Angeboten, in der Werbung etc. Zeigen Sie, wie ernst Sie Ihre Zielgruppe und das Thema nehmen!
• Schluss mit Klischees: Mit Schuhen, Shoppen und der Farbe Rosa locken Sie keine Frau mehr hinter dem Ofen hervor. Setzen Sie stattdessen auf Fallbeispiele, die Ihre neue Zielgruppe in ihrer ganzen Heterogenität abholen.
• Beständigkeit: Mit einer Aktion à la „was für Frauen“ ist es nicht getan. Um Vertrauen aufzubauen und langfristig Kundinnen an Ihr Unternehmen zu binden, braucht es ehrliche, individuelle und vor allem kontinuierliche Impulse.
• Wir leben in einer Empfehlungsgesellschaft! Statistiken belegen, dass eine persönliche Empfehlung für die große Mehrheit der Frauen die wichtigste Informationsquelle ist. Jede Frau ist somit ein personifizierter Multiplikator! Das sollten Sie bei jedem Kundengespräch im Hinterkopf haben – gerade in unseren heutigen Businesszeiten, in denen Bewertungen von anderen Kunden mehr vertraut wird als der Werbung.