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Wirtschaft In Teltow verweigert sich fast das komplette O2-Callcenter dem Outsourcing

Die Vorhut der Telefonistenzunft widersetzt sich kollektiv –als ginge es um den Erhalt eines Stahlwerks oder einer Werft.
13.09.11
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Halbliterschalen voller Milchkaffee bringt der Ober des Potsdamer Straßencafés an den Tisch der Rebellen, reicht die Jumbotassen über Köpfe mit Strähnenfrisuren und goldenen Ohrringen. Früher trug man zum Arbeiteraufstand Blaumann, heute Sommerblusen. Die Damen, in der Mehrheit, nippen am Milchschaum. Was sie noch zu sagen hätten, dauert mehrere Zigaretten, ein Espresso wäre ein unzureichender Begleiter. Zu reden gibt es genug. Unter den Sonnenschirmen sitzt die erste Generation deutscher Callcenter-Mitarbeiter, eingestellt zum Höhepunkt des Handy-Hypes von 1999 bis 2002. Nun hat man sie entlassen. Seither schaut die Callcenter-Branche auf Teltow, denn die Vorhut der Telefonistenzunft widersetzt sich kollektiv – als ginge es um den Erhalt eines Stahlwerks oder einer Werft.

Ende 2010 verkaufte das fusionierte Unternehmen O2-Telefonica sein vom Land mit 15,44 Millionen Euro Förderung nach Teltow (Potsdam-Mittelmark) geholtes Callcenter an den Bertelsmann-Konzern, genauer gesagt an dessen Callcenter-Tochter Arvato.

Ein klassischer Fall von Outsourcing und Kostendrückerei, denn Telefonica will auf die bewährten 190 Telefonisten nicht verzichten – nur sollen sie nach Ablauf einer einjährigen Gehaltsgarantie zur Hälfte ihres bisherigen Lohns weiter Kundenbeschwerden entgegennehmen, SIM-Karten sperren, Tarifauskünfte erteilen. Der halbe Monatslohn, das sind 1200 bis 1600 Euro brutto für einen 40-Stunden-Tag. Für 1600 Euro brutto muss man schon Schichtleiter sein bei Arvato.