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Wandel in der Übersetzungsbranche

Interview mit Hans Pich (Document Service Center GmbH)
Daniel Brockmann | 02.08.2010
SDL Language Technologies (SLT): Welche Veränderungen haben Sie bisher in den letzten 14 Jahren in der Branche erlebt – positive und negative?

Hans Pich: In so einer langen Zeit verändert sich natürlich sehr viel. Wenn ich die großen Entwicklungen betrachte, sehe ich vor allem eine sehr große Steigerung der Effizienz im Übersetzungsprozess durch einen immer stärkeren Technologie-Einsatz. Das bringt vor allem für Übersetzer sehr hohe Anforderungen mit sich. Ein Übersetzer muss heutzutage nicht nur die Sprachen sehr gut beherrschen, er muss auch ein sehr fundiertes Wissen über die Inhalte haben, sich im kulturellen Kontext auskennen und dann auch mit den inzwischen doch sehr vielen Software-Anwendungen auskennen, die für die Anfertigung der Übersetzungen benötigt werden.

SLT: Eine Studie der Generaldirektion Übersetzung der Europäischen Union aus dem vergangenen Jahr verspricht der Übersetzungsbranche enormes Wachstum in den nächsten 5 – 10 Jahren. Können sich Sprachdienstleister vor Aufträgen nicht mehr retten?

Hans Pich: Ich bin da nicht so sicher. Auf der einen Seite werden immer mehr Inhalte in immer mehr Sprachen übersetzt. Auf der anderen Seite sehen wir aber einen immer stärkeren Kostendruck. Dies führt bspw. auch wieder vermehrt zu Überlegungen ob man gegebenenfalls maschinelle Übersetzungssysteme einsetzen sollte. Teilweise versuchen Kunden auch dem Kostendruck durch den Einsatz von Billigübersetzern entgegenzutreten.
Wir erwarten in den kommenden Jahren eine zunehmende Differenzierung des Marktes. Auf der einen Seite wird es Informationsübersetzungen mit einem geringeren Budget und Qualitätsanspruch geben. Dem gegenüber stehen dann die hochwertigen Übersetzungen, für die natürlich auch eine optimale Effizienz gefordert wird, bei denen aber genauso der Aspekt der Qualität berücksichtigt werden wird.
Ein gewichtiges Wort werden hier die Verbraucher und Endkunden haben. In dem Maße in dem vom Endabnehmer Qualität gefordert wird, werden die Hersteller von Produkten diese Qualität auch in ihrer Dokumentation und in ihren Übersetzungen einbauen.

SLT: Schneller, höher, weiter … Produkte werden immer schneller auf den Markt gebracht – eine Verpackung mit Text, eine Bauanleitung, Warnhinweise oder Pflegetipps gehören zu jedem Produkt - inwieweit werden Ihre Kunden von ihren Kunden unter Druck gesetzt, schneller zu liefern und wie wirkt sich das bei Ihnen aus?

Hans Pich: DSC versteht sich als Dienstleister. Das bedeutet, dass wir die Anforderungen unserer Kunden ernst nehmen und Lösungen dafür entwickeln. Konkret bedeutet diese Anforderung für uns, dass wir die Abläufe bei uns noch schneller machen müssen und gleichzeitig die Voraussetzungen z.B. durch eine definierte Terminologie schaffen müssen, damit die Übersetzer auch für kleine Textfragmente eine optimale Übersetzung anfertigen können. Im Qualitätssicherungsprozess sehe ich hier noch Optimierungspotential auf technischer Seite.
Sehr wichtig ist hier für uns, dass wir bei der Optimierung von Prozessen immer auch den Blick für den Menschen behalten. Nur wenn es uns gelingt, hier eine Umgebung zu schaffen, in der sich der Mensch wohlfühlt, können wir durch den Einsatz von Technologie die Effizienz und die Qualität verbessern.

SLT: Ohne Ihre Geschäftsgeheimnisse zu verraten, wie bereitet sich DSC auf die kommenden Jahre vor?

Hans Pich: Früher wurde mit der Hand oder der Schreibmaschine übersetzt. Dann kam die Zeit der Automatisierung z.B. über Translation Memory-Systeme. Heute sehen wir uns vor der Aufgabe immer individuellere Workflows umzusetzen. Dabei greifen wir auf einen immer größeren Werkzeugkasten von verfügbaren Tools zurück und erstellen zudem auch individuelle Werkzeuge die genau auf eine konkrete Anforderung passen.
Zielsetzung ist, dass die von uns angefertigten Übersetzungen quasi Just-In-Time in die Prozesskette unserer Kunden einfließen. Zusammenfassend sehen wir, dass wir uns immer stärker zum Systemanbieter wandeln und unsere Leistungen passgenau auf die Prozesse unserer Kunden maßschneidern. Hier würde ich mir wünschen, dass sich der Blick der Tool-Hersteller künftig mehr auf den Gesamtprozess des Informationsmanagements richtet und nicht nur auf die Übersetzungen.

SLT: Glauben Sie, dass Informationstechnologien noch nicht ausreichend in der Übersetzungsbranche angekommen sind? Woran kann das liegen?

Hans Pich: Diese Frage kann ich so nicht wirklich beantworten. Gerade für uns sind die Informationstechnologien praktisch seit Gründung des Unternehmens ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Grundsätzlich kennen wir aber natürlich die Situation, dass viele Übersetzer mehr sprachlich orientiert sind. Gerade Unternehmen, die nicht über technische Experten verfügen, fällt es dann vielleicht schwerer sich auf die Informationstechnologie einzustellen. Aus unserer Sicht kann aber das Übersetzen in einem technologisch geprägten Umfeld nur im Team aus sprachlichen und technischen Experten erfolgreich sein.

SLT: Vielen Dank!

Über Hans Pich:
Hans Pich studierte Informatik an der TU Berlin und der Universität
Passau. Seit 1996 ist er in der Übersetzungsbranche tätig, heute als
Business Development Manager bei der Document Service Center GmbH.

"Nach dem Studium war ich zuerst in einem kleinen
Familienunternehmen im Immobilienbereich tätig. Parallel habe ich mich mit dem Thema Technische Dokumentation beschäftigt und sogar ein Zusatzstudium der Mediengestaltung an der TU Berlin
begonnen. Mehr zufällig ergab sich dann die Gelegenheit, bei unitext anzufangen. Dort habe ich Herrn Boris Lewandowski kennengelernt, der später dann das Document Service Center gegründet hat."

Den Originalartikel finden Sie unter:http://www.sdl.com/de/globalization-knowledge-centre/interview-hans-pich.asp
Daniel Brockmann
Über den Autor: Daniel Brockmann