Neue Pausenkultur
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) hält vielfältige Ansätze zur Förderung und Erhaltung der Mitarbeitergesundheit bereit. Ein oft vernachlässigter Bereich ist die Erholung, die ebenso wie sportliche Aktivität oder gesunde Ernährung zu den präventiven Maßnahmen gehört und bspw. unerlässlich zur Stressbewältigung ist. In diesem Interview fragen wir Ursula Sauer, Geschäftsführerin der brainLight GmbH, welchen Beitrag Entspannungssysteme für ein BGM leisten können und welche Erfolgsfaktoren für die Implementierung einer Pausenkultur zu beachten sind.
Frau Sauer, was sind audio-visuelle Entspannungssysteme und warum stellen sie eine beliebte Säule im BGM vieler Unternehmen dar?
Ich denke, ausschlaggebend für effektive Entspannungssysteme mit audio-visueller Stimulation ist, dass man schon nach einer einzigen Anwendung positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden verzeichnet. Meistens muss man Dinge erst erlernen, bis man die ersten Erfolge wahrnimmt – ob nun beim Meditieren oder beim Yoga. Das ist hier anders. Bei einem audio-visuellen Entspannungssystem werden über Brille und Kopfhörer rhythmische Licht- und Tonfrequenzen ausgespielt, die zur Entspannung führen. Bei unseren Systemen wird diese Tiefenentspannung zusätzlich mit einer Massage unterstützt. Dementsprechend erreicht man auch viele Beschäftigte in Unternehmen, die „einfach mal nur so“ kurz entspannen möchten – spontan und unverbindlich, ganz ohne Termin. Natürlich kann man sich zu Präventionskursen einschreiben, aber oftmals ist der berufliche Alltag kaum vorhersehbar und je nach Branche überhaupt nicht planbar. Daher haben sich brainLight-Entspannungssysteme als ideale Lösung etabliert und werden über Branchen hinweg gerne im Rahmen des BGM eingesetzt.
Für wie wichtig schätzen Sie in diesem Zusammenhang die psychische Gesundheit ein?
Absolut wichtig! Seele, Körper und Geist kann und soll man nicht getrennt voneinander betrachten. Ideal ist die Entspannung, wenn sie nicht nur durch die audio-visuelle Stimulation positiv auf die mentale Gesundheit wirkt, sondern mit Kursprogrammen zu Themen wie „Achtsamkeit“, „Autogenes Training“, „Gesund schlafen“ usw. ergänzt wird. So können die Beschäftigte in jeder Hinsicht für ein gesundes Leben sensibilisiert werden. Das Ganze sollte aus den genannten Gründen problemlos in den Arbeitspausen vorgenommen werden können. Und auch der Gesetzgeber nimmt immer mehr die Psyche der Beschäftigten im Kontext der Gesundheitsförderung in den Blick, ob nun durch eine verpflichtende Gefährdungsbeurteilung auch von psychischen Belastungen (§ 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG) oder durch das Präventionsgesetz (PrävG), das nach jahrelanger Verzögerung schließlich überwiegend Ende Juli 2015 in Kraft getreten ist.
Sie haben gerade wiederholt die Arbeitspausen erwähnt. Welche Rolle spielt diese kleine Auszeit im Berufsalltag?
Arbeitspausen sind für einfache Anwendungen mit technischer Unterstützung sehr gut geeignet. Aus diversen Studien geht hervor, dass sich Arbeitspausen mit kurzweiliger Intervention signifikant positiv auf das subjektive Wohlbefinden und die objektive Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ausgewirkt haben. Dennoch müssen Beschäftigte natürlich ihre Arbeitspausen im gesetzlichen Sinne frei gestalten können, also der Arbeitgeber darf nicht darüber bestimmen, was sie in der Pause machen sollen. Aber man kann in der Praxis beobachten, dass ansprechend gestaltete Pausenräume mit beliebten Interventionen das gesundheitsförderliche Pausenverhalten und die Pausenkultur insgesamt stärken.
Wie kann ein Arbeitgeber noch dazu beitragen, die Pausenkultur im Unternehmen positiv zu beeinflussen?
Das Wichtigste ist es tatsächlich, dass Führungskräfte als Vorbild in Erscheinung treten und selbst auf ihre Pausen achten und ihre eigene und die Freizeit ihrer Beschäftigten respektieren. Dazu gehört also auch, dass keine Emails mehr nach Arbeitsende geschrieben bzw. beantwortet werden sollen. So viel zum Umgang mit Arbeits- und Freizeit. Des Weiteren setzt ein Pausenraum schon ein klares und deutliches Zeichen, dass Auszeiten in dem Unternehmen kein Tabuthema darstellen. Noch viel zu oft wird mit „Pause machen“ Schwäche assoziiert: Man sei nicht in der Lage durchzupowern, sei schwach und müsse sich ausruhen, um zu arbeiten. Mit anderen Worten: Sehr viele Beschäftigte quälen sich am Arbeitsplatz, werden immer unkonzentrierter und arbeiten trotzdem weiter, damit sie nicht als schwach abgestempelt werden. Dabei zeigen Studien, dass die in eine Pause investierte Zeit durch eine höhere Produktivität im Nachhinein ausgeglichen wird. Man ist also fitter, konzentrierter und kann nach einer Pause besser arbeiten. Dahingehend sollten Arbeitgeber ihren Beschäftigten zusätzliche Arbeitspausen gewähren, die sie sich frei einteilen können – je nach aktueller Belastung und subjektivem Empfinden.
Sie haben sicherlich schon vom Mittagsschlaf in asiatischen Ländern gehört. Ist sowas in Europa auch denkbar oder erholen wir uns anders?
Also die Siesta kennt man ja in (Süd-)Europa, aber eine richtige Nickerchen-Kultur haben wir tatsächlich in unseren Breitengraden nicht. Ich persönlich würde das auch nicht mit einer gezielten Anwendung auf einem Entspannungssystem vergleichen. Bei einer (Wach-)Session wird das Gehirn schrittweise in entspanntere Bewusstseinszustände gebracht, ohne in den Tiefschlaf zu gehen und anschließend wird man wieder schrittweise zu einer fokussierten Aufmerksamkeit geführt. Wenn Sie jetzt z. B. schlafen und der Wecker Sie schlagartig herausreißt, dann ist das wie ein Sprung ins kalte Wasser – vom Tiefschlaf in die fokussierte Aufmerksamkeit. In einer wissenschaftlichen Studie wurde übrigens bestätigt, dass sogar das als äußerst gesund geltende Power Napping, ohne in den Tiefschlaf zu verfallen, Nachteile gegenüber gezielten Anwendungen wie Entspannungsübungen hat.
Wenn Sie jetzt auf die letzten Jahre zurückblicken, was hat sich in der deutschen Unternehmenslandschaft in Sachen BGM getan?
Ich finde es wirklich klasse, dass immer mehr Unternehmen verstehen, wie wichtig die Gesundheit ihrer Beschäftigten ist. Und dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis darstellt, wenn die Geschäftsführung etwas dahingehend beschließt, sondern dass auf Worte tatsächlich auch Taten folgen. Während in den Anfängen eher Fitnesskurse und Obstkörbe auf der Tagesordnung standen, ist die psychische Gesundheit in den letzten zehn Jahren immer präsenter und wichtiger geworden, was sicher auch mit der geänderten Gesetzeslage und einem bewussteren Umgang mit der Gesundheit innerhalb der Belegschaften zu tun hat. Zudem haben die Unternehmen kaum eine Wahl, Fach- und Arbeitskräfte fordern im sog. war for talents entsprechende Benefits vom Arbeitgeber ein – und da reichen Kickertisch oder Fitnesskurse schlicht nicht mehr aus. Es ist spürbar, dass Unternehmen nachhaltig Gesundheit bei ihren Beschäftigten verankern möchten.
Was denken Sie, kann das BGM auch als Employer Branding genutzt werden?
Natürlich macht ein funktionierendes und mit tollen Angeboten ausgestattetes Gesundheitsmanagement jeden Arbeitgeber attraktiver, was aus den genannten Gründen heute essenziell geworden ist. Beschäftigte kommen gerne zur Arbeit, sind motiviert und auch in der Lage – mental und körperlich – etwas zu erreichen und zu bewegen. Das ist doch letztlich die schönste Motivation, wenn Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen und so die Produktivität des Unternehmens steigern. Wir sind nicht, wie man vor 100 Jahren annahm, roboterähnliche Wesen, die am Fließband irgendwelche kleinen Bauschritte ausführen – wir sind Menschen mit individuellen Bedürfnissen. Und ein BGM ist der erste und wichtigste Schritt dahingehend, seine Beschäftigten als solche besonderen Individuen zu erkennen und entsprechend zu würdigen.
Vielen Dank für das Gespräch!