„Smartphones machen die Arbeitspause kaputt!"
Eine Pause dient der Regeneration, dem Abschalten – neue Kräfte sollen gesammelt werden. Es gibt aber eine Menge Störfaktoren, die das verhindern. Was sind die häufigsten Stressquellen in Arbeitspausen und wie können Entspannungsangebote im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) aussehen? Hierüber führte Jost Sagasser ein Gespräch mit Ursula Sauer und fragte, was das Ganze mit der für alle Unternehmen vorgeschriebenen Psychischen Gefährdungsbeurteilung (PsyGBU) zu tun hat.
Ursula Sauer ist Geschäftsführerin und Gründerin der brainLight GmbH, Goldbach bei Aschaffenburg
Frau Sauer, Smartphones und deren private Nutzung in Arbeitspausen sind umstritten. Sie verhindern oft die vorgesehene Regeneration. Wie können hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam wirkungsvoll gegensteuern?
Das Smartphone ist heute aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Es ist ein nützlicher Begleiter, den auch ich gerne nutze. Problematisch wird es jedoch, wenn die Kollegen das Smartphone in den Arbeitspausen nutzen. Oft geht dann der Sinn und Zweck der Pause verloren. Das belegt etwa eine koreanische Studie aus dem Jahr 2017. Grund der Erhebung war die Beobachtung in Unternehmen, dass Smartphones vor allem bei jungen Arbeitnehmern die Pausengestaltung beeinflussen. Konventionelle Auszeiten, so zeigen weitere Studien, haben positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter.
Zu nennen wären hier eine gesunde Nahrungsaufnahme oder auch Pausen, die der Entspannung dienen. Um die Erholungsqualität beider Pausenformen gegenüber zu stellen, wurde die angesprochene Studie durchgeführt. Dafür haben die Forscher mittels eines Online-Fragebogens 425 Arbeitnehmer in südkoreanischen Unternehmen über ihre Aktivitäten während der Mittagspause befragt sowie über ihr Wohlbefinden bei der Arbeit nach der Mittagspause.
Was sind die konkreten Ergebnisse der Untersuchung?
Es hat sich gezeigt, dass psychologisch empfundener Abstand zur Arbeit durch konventionelle Pausen negative Emotionen mindert. Dies konnte für Pausen, in denen das Smartphone genutzt wird, nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus zeigten die Arbeitnehmer der Smartphone-Pausengruppe im Vergleich zur konventionellen Pausengruppe ein wesentlich höheres Niveau an emotionaler Erschöpfung. Sie sind folglich weniger in ihre Arbeit vertieft und mehr damit beschäftigt, Erholung dann zu suchen, wenn sie eigentlich ihrer Tätigkeit nachgehen müssten. Als Fazit der Studie, die Hongjai Rhee (School of Business, Ajou University) und Suding Kim (Korea Institute for Research in the Behavioral Sciences) durchführten, ist festzuhalten, dass Unternehmen ihre Angestellten dafür sensibilisieren sollten, wie wichtig konventionelle Pausen für die Leistungsfähigkeit und Vitalität am Arbeitsplatz sind. Unser Unternehmen lädt mit dem Projekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung „Effiziente Arbeitspausen“, das wir in Kooperation mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) durchführen, an diesem Punkt zu einem Umdenken und neuen Handeln ein.
Was ist das für ein Projekt?
Es soll die Regeneration der Beschäftigten in Arbeitspausen mit einer niedrigschwelligen Gesundheitsförderungsmaßnahme im Rahmen eines BGM aktiv unterstützen. Wir untersuchen dabei, wie sich regelmäßige Entspannungsanwendungen in Arbeitspausen als "Effiziente Regenerationspausen" langfristig auf die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten auswirken. Den teilnehmenden Unternehmen geben wir damit eine Maßnahme an die Hand, mit der aussagekräftige Daten generiert werden können. Sie gewinnen damit Kennzahlen, die den Erfolg Ihrer Betrieblichen Gesundheitsförderung in Bezug auf regenerative Arbeitspausen messbar machen. Durch eine niedrigschwellige Maßnahme mit audio-visuellen Entspannungssystemen kann das Pausenverhalten der Beschäftigten effektiv beeinflusst werden. Weitere mögliche Ergebnisse sind eine Sensibilisierung der Belegschaft für die eigene Gesundheit und eine Stärkung des Gesundheitsverhaltens. Voraussetzungen, um an dem Projekt teilzunehmen sind:
- mindestens 20 Teilnehmer, die das Entspannungssystem während des Projekts mindestens einmal pro Woche nutzen,
- Bereitstellung eines ruhigen Raums im Unternehmen.
Das Projekt, das sich über einen Zeitraum von 15 Monaten erstreckt, wird von uns komplett organisiert, vorbereitet und bis zur Evaluation verantwortlich durchgeführt. Die Teilnehmer werden in das Projekt und die Bedienung der Systeme während einer Einführungsveranstaltung eingewiesen.
Die wissenschaftliche Evaluation übernimmt die H-BRS: In enger Absprache mit dem teilnehmenden Unternehmen werden maximal fünf und minimal zwei Evaluationszyklen festgelegt. Dabei beantworten die Teilnehmer einen Online-Fragebogen. Die Daten wertet die H-BRS anonymisiert aus und stellt sie zur Verfügung. Aus den Ergebnissen ermitteln sich Bedarf und Themen der Präsenzveranstaltung(en) in Form eines oder mehrerer Workshops. Auch dies stimmen wir mit den teilnehmenden Unternehmen ab. Dieses Projekt ist nach § 20 SGB V förderfähig.
Seit 2013 ist die Beurteilung der psychischen Gefährdung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz (PsyGBU) vorgeschrieben. Was sind das für psychische Gefährdungen, die die Gesundheit beeinträchtigen?
In einem Forschungsprojekt hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) 2017 insgesamt 24 Arbeitsbedingungsfaktoren untersucht und Zusammenhänge zu Gesundheitsrisiken dargestellt. Als mögliche Belastungsschwerpunkte wurden u. a. erkannt: Eine zu hohe Arbeitsintensität, eine fehlende oder geringe soziale Unterstützung und Mobbing/Bullying, weiterhin lange Arbeitszeiten, viele Überstunden und eine ungünstig gestaltete Schichtarbeit.
Eine Studie der Universität Augsburg aus dem Jahr 2018 weist darüber hinaus die Minderung der Arbeitskraft durch digitalen Stress nach. Für die Untersuchung hatte das Forscherteam gemeinsam mit der Fraunhofer Projektgruppe Wirtschaftsinformatik insgesamt 2.640 Arbeitnehmer befragt. Gefördert wurde die Studie von der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung. Laut Ergebnis leidet mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer, die sich hohem digitalen Stress ausgesetzt sehen, unter allgemeiner Müdigkeit, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen. „Nachweislich verringert übermäßiger digitaler Stress die berufliche Leistung, um zugleich mit einem starken Work-Life-Konflikt einherzugehen“, heißt es dazu in der Mitteilung der Hochschule zu der Erhebung.
Auf diese insgesamt gewachsene Bedeutung von psychischer Belastung in der Arbeitswelt ist der Gesetzgeber bereits 2013 aufmerksam geworden. Deshalb sind 2013 die schon seit 1996 bestehenden gesetzlichen Regelungen des ArbSchG weiter konkretisiert worden. Damit haben Arbeitgeber die Aufgabe, auch psychische Gefährdungen zu ermitteln und zu beurteilen sowie ggf. Maßnahmen zur Prävention festzulegen und durchzuführen.
Warum ist eine PsyGBU für Unternehmen sinnvoll? Welche Maßnahmen zur Stärkung der Stressresilienz im Rahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung als Follow-up empfehlen Sie?
Viele Unternehmen haben den Wert der Durchführung einer PsyGBU und von Förderungsmaßnahmen zur Mitarbeitergesundheit bereits erkannt: Die Beschäftigten sind motivierter, kommen gerne zur Arbeit und fühlen sich im Unternehmen wohl. Mittelständler sehen außerdem den Vorteil bei Stellenausschreibungen im Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Der wahre Wert von beidem liegt jedoch tiefer: Eine gesunde Belegschaft strahlt diesen Wert nach außen und wird ihn auch im sozialen Umfeld und auf den privaten Social-Media-Kanälen kommunizieren. So gewinnt die Reputation eines Unternehmens von der Basis her. In puncto Nachhaltigkeit ist dies in jedem Fall ein guter Weg. Die Gesundheitsförderungsmaßnahme „Effektivitätsmessung verhaltenspräventiver Maßnahmen im Rahmen einer Psychischen Gefährdungsbeurteilung (PsyGBU)“ kann dann eingesetzt werden, wenn sich im Anschluss an eine im Unternehmen bereits durchgeführte PsyGBU ein Bedarf an Gesundheitsförderung im Handlungsfeld „Entspannung & Stressmanagement“ ergibt. Im Idealfall haben die Teilnehmer durch die zwei von mir skizzierten Maßnahmen profitiert, sind gesünder, kreativer und vor allem leistungsfähiger. Und die Unternehmen wissen nach der eingesetzten Maßnahme genau, ob ihrer Belegschaft diese Art der Entspannung zusagt oder nicht und haben zusätzlich belastbare Kennzahlen über den Erfolg und die Effektivität der Maßnahme in der Hand.
Das klingt nach einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) lohnt sich die Einführung gesundheitsfördernder Maßnahmen übrigens besonders. Die Arbeit ist bedingt durch die Unternehmensgröße auf wenige Schultern verteilt und lange Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen oder z. B. Rückenleiden wirken sich besonders intensiv aus. Personelle Ausfälle schmälern die Wirtschaftskraft gerade dieser Unternehmen deutlich. Richtig aufgestellt und gut kommuniziert können Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, die auch Entspannungsangebote beinhalten, hier wirkungsvoll gegensteuern. Mit entsprechenden Maßnahmen lassen sich die Einstellung zur eigenen Gesundheit und das Gesundheitsbewusstsein der Belegschaft positiv verändern. Eine – wie Sie sagen – Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gefördert werden solche Maßnahmen nach Anfrage von den Krankenkassen. KMUs können sich dazu von den Koordinierungsstellen zur betrieblichen Gesundheitsförderung beraten lassen, die gem. § 20b SGB V Unternehmen hierbei unterstützen.
Frau Sauer, vielen Dank für das Gespräch!