Alle reden so undeutlich - und jetzt?
Mittagspause, Treffpunkt Werkskantine: Zwischen leiblichem Wohl und Arbeitsalltag tauschen sich Kollegen über ihre Erlebnisse der letzten Tage und Wochen aus. Es wird gefachsimpelt, philosophiert, gelacht und die Pausenzeit genossen. Doch dazwischen fällt eine Person auf – ein Mann mittleren Alters. Er ist nicht aktiv am Gespräch beteiligt. Verträumt und abwesend sitzt er dabei. Woran er wohl denkt?
Irgendwann sprechen seine Kollegen den Mann direkt an. Wieder in das Gespräch zurückgeholt, schaut er die anderen Gruppenmitglieder an, spricht mit. Doch immer wieder muss er nachfragen: „Äh, was?“ „Wie bitte?“ „Ich verstehe dich nicht.“ „Was hast du gerade gesagt?“ Scheinbar schweift er mit seinen Gedanken ab, wirkt unkonzentriert. Das Gespräch strengt den Mann ganz offensichtlich an. Es wird ihm zunehmend unangenehm, mehr oder minder passiv dabei zu sitzen, er verabschiedet sich frühzeitig aus der Runde. „Ich brauche noch kurz etwas Frischluft“, gibt er zur Entschuldigung an. Dann geht er.
Hörminderung bewusst machen
Auf seinem vermeintlich gewollten Mittagsspaziergang denkt er nach. Reden wirklich alle so undeutlich? Früher hat ihm gerade auch der Austausch mit Kollegen viel Freude bereitet. Doch nun ist es so anstrengend. Im Gedanken vertieft bleibt sein Blick plötzlich an einem Schaufenster hängen. Ein kostenloser Gehörtest, dazu ein Versprechen, durch das Training des Gehörs wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können. Sollte das die Lösung sein? Er fühlt sich direkt angesprochen, dennoch rudert er gedanklich zurück: „Aber ich bin doch nicht schwerhörig. Ich bin doch noch jung“, denkt sich der Mann und geht weiter. Nach einigen Wochen, das leidige Thema Hörprobleme vorerst verdrängt, trifft sich der Mann mit Freunden. Wie durch Zufall kommt auch das Thema Schwerhörigkeit auf – die Eltern eines Bekannten müssen sich mit dem Thema befassen. „Bei denen kann ich’s verstehen, die sind ja auch schon ein paar Jahre älter als ich“, ertappt sich der Mann im Gedanken. Doch, so die einhellige Meinung im Gespräch, die ganze Prozedur sei sehr schwierig. Es würde alles nicht viel bringen, die Nutzung von Hörgeräten nur unangenehmen Lärm erzeugen. Der Mann erzählt von dem, was er gesehen hat. Alle sind erstaunt darüber, haben bislang noch nicht von einer Gehörtherapie Kenntnis genommen. So etwas wurde den betroffenen Eltern jedenfalls überhaupt nicht angeboten. Positiv bestärkt beschließt der Mann daher, es einfach zu probieren und geht zu dem Geschäft.
Hören emotional begreifen
Schon beim Reinkommen merkt er, dass es anders ist, als die Freunde beschrieben haben. Ein freundlicher Mitarbeiter empfängt den jungen Mann. Zu seinem Erstaunen werden ihm nicht sofort Hörgeräte angeboten. Stattdessen nimmt sich der Mitarbeiter viel Zeit, spricht über die aktuelle Situation und Sorgen der Person. Im Gegensatz zu den Geschichten seiner Freunde fühlt er sich mit seinem Problem ernst genommen – nicht nur als potentieller Käufer, sondern vor allem als Mensch mit einem emotional belastenden Problem. Im Anschluss an das Gespräch wird der Mann noch neugieriger, er möchte es wissen. Und tatsächlich: Ein anschließender Hörtest offenbart – ja, es liegt eine Hörminderung vor. „Brauche ich also Hörgeräte?“, fragt der Mann den Mitarbeiter. „Ja, aber das Hörgerät ist lediglich Mittel zum Zweck“, erklärt der Mitarbeiter, „denn gutes Hören findet im Gehirn statt.“
Das Gehirn hört mit
Die Ohren nehmen alle Geräusche der Umgebung auf. Erst das Gehirn filtert wichtige von unwichtigen Tönen und ermöglicht so gutes Hören auch in Gesprächsrunden. Setzt eine Hörminderung ein, wird dieser Filter nicht mehr trainiert. Nun gelangen bestimmte Töne nicht mehr dorthin. Durch ein Hörgerät werden die Töne verstärkt und so wieder komplett an den Hörfilter herangeführt. Dieser kann jedoch mit der plötzlichen Flut an Geräuschen nicht mehr adäquat umgehen – Überforderung, unangenehmer Hörlärm stellt sich ein.
Hörfitness kann trainiert werden
Um dies zu ändern, muss der Hörfilter trainiert werden. Ein bewusstes Training des Hörfilters setzt genau dort an. Durch spezielle Übungen mit Trainingshörgeräten lernt das Gehirn nach und nach, wichtige von unwichtigen Tönen zu trennen. Der Mann ist begeistert: Bereits wenige Tage nach Beginn seiner persönlichen Gehörtherapie kann er wesentlich besser an den Gesprächsrunden teilnehmen. Nach nur zwei Wochen werden die eigenen Hörgeräte ausgewählt und korrekt eingestellt. Er ist wieder hörfit im (Berufs-)Alltag, kann Gesprächen problemlos folgen und geht hochmotiviert seinen Aktivitäten nach – inklusive der Mittagspause mit Kollegen, wie immer am Treffpunkt Werkskantine.
Works Cited
• Haerkötter, C. (2001). Kognitive Verhaltenstherapie bei chronischem Tinnitus: Evaluation neuer Ansätze. Eine Studie zu potentiellen Therapieeffekten verbesserter Edukation und apparativer Versorgung mit therapeutischen Rauschgeneratoren. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Sozialwissenschaften in der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen.
• Hesse, G., & Schaaf, H. (2012). Manual der Hörtherapie (Bd. 1). Stuttgart: Georg Thieme-Verlag KG.
Irgendwann sprechen seine Kollegen den Mann direkt an. Wieder in das Gespräch zurückgeholt, schaut er die anderen Gruppenmitglieder an, spricht mit. Doch immer wieder muss er nachfragen: „Äh, was?“ „Wie bitte?“ „Ich verstehe dich nicht.“ „Was hast du gerade gesagt?“ Scheinbar schweift er mit seinen Gedanken ab, wirkt unkonzentriert. Das Gespräch strengt den Mann ganz offensichtlich an. Es wird ihm zunehmend unangenehm, mehr oder minder passiv dabei zu sitzen, er verabschiedet sich frühzeitig aus der Runde. „Ich brauche noch kurz etwas Frischluft“, gibt er zur Entschuldigung an. Dann geht er.
Hörminderung bewusst machen
Auf seinem vermeintlich gewollten Mittagsspaziergang denkt er nach. Reden wirklich alle so undeutlich? Früher hat ihm gerade auch der Austausch mit Kollegen viel Freude bereitet. Doch nun ist es so anstrengend. Im Gedanken vertieft bleibt sein Blick plötzlich an einem Schaufenster hängen. Ein kostenloser Gehörtest, dazu ein Versprechen, durch das Training des Gehörs wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können. Sollte das die Lösung sein? Er fühlt sich direkt angesprochen, dennoch rudert er gedanklich zurück: „Aber ich bin doch nicht schwerhörig. Ich bin doch noch jung“, denkt sich der Mann und geht weiter. Nach einigen Wochen, das leidige Thema Hörprobleme vorerst verdrängt, trifft sich der Mann mit Freunden. Wie durch Zufall kommt auch das Thema Schwerhörigkeit auf – die Eltern eines Bekannten müssen sich mit dem Thema befassen. „Bei denen kann ich’s verstehen, die sind ja auch schon ein paar Jahre älter als ich“, ertappt sich der Mann im Gedanken. Doch, so die einhellige Meinung im Gespräch, die ganze Prozedur sei sehr schwierig. Es würde alles nicht viel bringen, die Nutzung von Hörgeräten nur unangenehmen Lärm erzeugen. Der Mann erzählt von dem, was er gesehen hat. Alle sind erstaunt darüber, haben bislang noch nicht von einer Gehörtherapie Kenntnis genommen. So etwas wurde den betroffenen Eltern jedenfalls überhaupt nicht angeboten. Positiv bestärkt beschließt der Mann daher, es einfach zu probieren und geht zu dem Geschäft.
Hören emotional begreifen
Schon beim Reinkommen merkt er, dass es anders ist, als die Freunde beschrieben haben. Ein freundlicher Mitarbeiter empfängt den jungen Mann. Zu seinem Erstaunen werden ihm nicht sofort Hörgeräte angeboten. Stattdessen nimmt sich der Mitarbeiter viel Zeit, spricht über die aktuelle Situation und Sorgen der Person. Im Gegensatz zu den Geschichten seiner Freunde fühlt er sich mit seinem Problem ernst genommen – nicht nur als potentieller Käufer, sondern vor allem als Mensch mit einem emotional belastenden Problem. Im Anschluss an das Gespräch wird der Mann noch neugieriger, er möchte es wissen. Und tatsächlich: Ein anschließender Hörtest offenbart – ja, es liegt eine Hörminderung vor. „Brauche ich also Hörgeräte?“, fragt der Mann den Mitarbeiter. „Ja, aber das Hörgerät ist lediglich Mittel zum Zweck“, erklärt der Mitarbeiter, „denn gutes Hören findet im Gehirn statt.“
Das Gehirn hört mit
Die Ohren nehmen alle Geräusche der Umgebung auf. Erst das Gehirn filtert wichtige von unwichtigen Tönen und ermöglicht so gutes Hören auch in Gesprächsrunden. Setzt eine Hörminderung ein, wird dieser Filter nicht mehr trainiert. Nun gelangen bestimmte Töne nicht mehr dorthin. Durch ein Hörgerät werden die Töne verstärkt und so wieder komplett an den Hörfilter herangeführt. Dieser kann jedoch mit der plötzlichen Flut an Geräuschen nicht mehr adäquat umgehen – Überforderung, unangenehmer Hörlärm stellt sich ein.
Hörfitness kann trainiert werden
Um dies zu ändern, muss der Hörfilter trainiert werden. Ein bewusstes Training des Hörfilters setzt genau dort an. Durch spezielle Übungen mit Trainingshörgeräten lernt das Gehirn nach und nach, wichtige von unwichtigen Tönen zu trennen. Der Mann ist begeistert: Bereits wenige Tage nach Beginn seiner persönlichen Gehörtherapie kann er wesentlich besser an den Gesprächsrunden teilnehmen. Nach nur zwei Wochen werden die eigenen Hörgeräte ausgewählt und korrekt eingestellt. Er ist wieder hörfit im (Berufs-)Alltag, kann Gesprächen problemlos folgen und geht hochmotiviert seinen Aktivitäten nach – inklusive der Mittagspause mit Kollegen, wie immer am Treffpunkt Werkskantine.
Works Cited
• Haerkötter, C. (2001). Kognitive Verhaltenstherapie bei chronischem Tinnitus: Evaluation neuer Ansätze. Eine Studie zu potentiellen Therapieeffekten verbesserter Edukation und apparativer Versorgung mit therapeutischen Rauschgeneratoren. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Sozialwissenschaften in der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen.
• Hesse, G., & Schaaf, H. (2012). Manual der Hörtherapie (Bd. 1). Stuttgart: Georg Thieme-Verlag KG.