Sinnieren über den Sinn
Was ist der Sinn des Lebens? Mit der ebenso einfachen wie pauschalen Antwort „Das Leben einfach leben!“ ist das Thema meist schnell vom Tisch und man kann sich wieder Wichtigerem widmen. Wichtigerem? Warum legt man diese wichtige Frage so schnell zur Seite? Warum nimmt man sich selten oder sogar nie Zeit dafür? Vielleicht, weil es ein philosophisches Thema ist und dafür die Philosophen zuständig sind. Oder das persönliche Weltbild gefährdet sein könnte, wenn man über das eigene Leben tiefer nachdenkt. Den Sinn im Leben (und in der Arbeit) zu finden, gehört zu den größten Herausforderungen im Leben. „Eigentlich ist es ein Geschenk, das jeder schon lange bekommen hat. Es soll aber Menschen geben, die noch nicht einmal das Geschenkband berührt haben…“, erklärt Stefan Dudas, der sich in seinem neuen Buch „VOLL SINN“ (ISBN 978-3-8698-039-44, BusinessVillage) für die Suche nach dem Sinn sowie mehr Sinnfindung und Sinngebung ausspricht: „Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen!“ Wir sinnieren mit dem Autor und Business-Experten, warum die Zeit gerade jetzt reif für mehr Sinn im Leben ist.
Herr Dudas, es geht uns doch eigentlich ganz gut. Soweit funktioniert alles. Warum sollen wir uns ausgerechnet jetzt mit dem Thema ‚Sinn’ beschäftigen?
Stefan Dudas: Stimmt. Wir haben in unseren Breitengraden einen großen Wohlstand. Technisch gibt es jeden Tag neue Errungenschaften, die uns das Leben (vermeintlich) vereinfachen. Medizinisch ist Vieles möglich, wovon wir vor Jahren noch geträumt haben. Zudem bekommen wir heute fast jede Information, die wir benötigen (und auch alle anderen) in Sekundenbruchteilen aufs Smartphone geliefert. Kein Grund zu klagen also? Glaubt man den Umfragen, ist trotzdem eine Unzufriedenheit zu bemerken. Die Zahl der Burnout-Erkrankungen steigt und in vielen Köpfen ist Angst. Angst, dass der Arbeitsplatz nicht sicher ist. Angst, dass in den Flüchtlingsdebatten die falschen Entscheidungen gefällt werden. Angst vor Terror. Angst vor der Digitalisierung. Und natürlich – ganz wichtig – Angst vor der Zukunft.
Also macht es doch Sinn, sich damit zu beschäftigen, was wir tun und warum bzw. was wir gerne tun würden, um so vielleicht eine Antwort darauf zu finden, was uns im Leben erfolgreich und glücklich macht?
Stefan Dudas: Ich bin kein Philosoph – zumindest habe ich keine Philosophie studiert. Aber schon so lange ich denken kann, beschäftigt mich die Frage, warum es Menschen gibt, die ihr Leben mit Begeisterung, Spaß und echter Leidenschaft genießen und andere, die einfach nur zu existieren scheinen. Ja, ich wähle extra das Wort ‚existieren’. Frühmorgens aufstehen, im Stau zur Arbeit rollen, acht bis zwölf Stunden arbeiten, im Stau nach Hause fahren, essen, fernsehen, schlafen gehen, um dann frühmorgens wieder aufzustehen. Kurz vor dem Einschlafen denkt man kurz darüber nach, ob es das jetzt wirklich schon gewesen ist. Man grübelt, was einen überhaupt noch antreibt, erfreut oder sogar begeistert. Während man noch grübelt, übermannt einen der Schlaf und am nächsten Morgen beginnt das Spiel von neuem.
Aber die meisten Menschen scheinen sich doch sehr schnell mit ihrem Leben zu arrangieren, oder?
Stefan Dudas: Das ist tatsächlich so. Betrachtet man es einmal aus der Sinn-Perspektive, ist es auf der einen Seite sehr traurig, auf der anderen Seite aber auch absichtlich von der Evolution so eingerichtet worden, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Ein Mensch ist fähig, sich in fast jeder Situation zurecht zu finden. Zudem schützt er seine Lebens-Denkmuster. Denn wenn jemand von außen kommt und sagt, dass sein Leben schon lange von der Lethargie und Angst übernommen wurde, ist das für das Weltbild und das Selbstwertgefühl dieser Person gefährlich. Er wird diesen Umstand verneinen, den Kritiker auslachen, bekämpfen und auf Facebook blockieren.
Um seine Sicht des Lebens zu schützen?
Stefan Dudas: Genau! Und das ist irgendwie ja auch verständlich. Als Coach höre ich immer öfter von eben diesen Lebenssituationen. Von außen betrachtet scheinbar erfolgreiche Menschen stellen sich doch irgendwann die Frage, was sie eigentlich mit ihrem Leben tun. Das hat viel mit unserer Gesellschaft und unserem heutigen Verständnis von Leben, von Arbeit und vom Lebenserfolg zu tun. Dieses Verständnis beruht auf alten Denkmustern und wir tragen diese schon seit Jahrzehnten mit uns herum. Das Problem dabei ist, dass sich alles um uns herum schon massiv verändert hat und sich laufend weiter stark verändert.
Also einmal mehr Veränderungen über Veränderungen. Können wir nicht einfach nur zufrieden sein, mit dem, was wir haben?
Stefan Dudas: Das höre ich immer wieder. Sei es in Unternehmen oder bei privaten Gesprächen. Man muss doch auch mal zufrieden sein. Hauptsache wir sind gesund. Sind wir das wirklich? Ist mit sozialem Wohlergehen nicht einfach gemeint, wenn wir im Leben erfolgreich unterwegs sind? Aber ist denn eine Gesellschaft tatsächlich ‚erfolgreich’, wenn niemals gelernt wird, was das Leben wirklich ausmacht, ständig Druck herrscht, jeden Freitag in den Radios die ‚Endlich Freitag’-Berieselung startet und sich jeden Montag versteinerte Gesichter und die dazugehörigen Körper zur Arbeit zwingen? Die allermeisten Menschen in dieser Gesellschaft haben noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, wie sie wirklich leben möchten und was ihnen privat und beruflich Befriedigung und Sinn gibt. Eigentlich geht es doch darum, wirklich glücklich zu sein. Glücklich mit sich selber und seinem Leben. Um das zu beurteilen, müssen wir zuerst wieder lernen, ehrlich zu uns selber zu sein. Fernab von eingebrannten Denkmustern, gesellschaftlichen Konventionen und persönlichen Vernebelungen und Schutzbehauptungen.
Aber das ist richtig schwer, oder? Und es löst wiederum Ängste aus oder führt bei vielen Menschen sogar zum Burnout.
Stefan Dudas: Ich glaube nicht einmal, dass das eigentliche Problem eine Burnout- oder die Sinnkrise ist. Das viel bedeutsamere Problem ist, dass viele Menschen unbewusst resigniert haben oder – noch schlimmer – nie wirklich begonnen haben, ihr eigenes Leben zu leben. Die Zeit könnte nicht besser sein, um noch mehr über Sinn und Unsinn zu sprechen und nachzudenken.
Sinn ist ja eine spannende persönliche Angelegenheit. Aber ist das Thema auch bei der breiten Masse, sprich in den Unternehmen und der Gesellschaft schon angekommen?
Stefan Dudas: Das ändert sich gerade tatsächlich. Die Sinnfrage wird heute in einer neuen Qualität gestellt. Es geht nicht mehr nur um den individuellen, privaten Sinn des Lebens, sondern plötzlich wird die Sinnfrage in den Führungsetagen der Unternehmen gestellt. Die Sinnfrage ist heute weder Privatsache noch haftet ihr länger der akademisch universitären Pathos an. Mit Büchern wie Bodo Janssens „Die stille Revolution: Führen mit Sinn und Menschlichkeit“ hat eine Diskussion begonnen, die offenlegt, dass sich kaum eine Organisation der Sinnfrage entziehen kann. Wenn Mitarbeiter auswählen können, wo sie arbeiten wollen, dann reicht Geld als Anreiz und alleinige Zielgröße nicht mehr.
Also nicht mehr länger nur Lebenszeit gegen Geld?
Stefan Dudas: Die eigene Lebenszeit gegen Geld zu tauschen ist heute die ‚normale’ Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn diese Arbeit erfüllend ist, funktioniert dieser Deal gut. Wenn aber regelmäßig die Montags-Allergie einsetzt, wäre der Zeitpunkt gekommen, um zu handeln und etwas zu verändern. ‚Das ist aber nicht so einfach’, ist dann die meist genannte Antwort. Und das ist natürlich richtig. Aber es ist wahrscheinlich auch nicht einfach, den Rest seines Lebens, vielleicht 20 Jahre oder mehr etwas zu arbeiten, was einem so gar nicht gefällt und was einen auch nicht erfüllt.
Sie wollen mit ihrem Buch inspirieren. Das ist gut und schön, aber können Sie mit Ihrem Ruf nach mehr Sinn auch wirklich etwas oder jemanden bewegen?
Stefan Dudas: Inspirieren, aus dem Lateinischen „inspiratio“, bedeutet „Beseelung“. Menschen mit mehr Sinn in ihrem Leben zu beseelen, ist doch eine wunderschöne Aufgabe. Es braucht dazu „nur“ Bewusstsein dafür, was wirklich zählt und was wirklich Wirkung schafft. Aber auch Selbst-Bewusst-Sein, für sich einzustehen. Sich selber zu hinterfragen und zu reflektieren. Nicht einmal, sondern immer wieder. Um zu erkennen, was man wirklich will im Leben. Jede Veränderung beginnt immer irgendwo. In diesem Fall beginnt sie bei uns selbst. Ich weiß zwar, dass ich mit meinen Ideen und meiner Denkhaltung nicht alleine stehe, mache mir aber auch keine falschen Illusionen, dass ich alleine etwas verändern kann. Zu lange haben sich Glaubenssätze einnisten können. Deshalb halte ich immer Ausschau nach Menschen, für die Sinn im Leben eine zentrale Rolle spielt. Vorbild-Unternehmer oder einfach besondere Persönlichkeiten.
Für Ihr Buch haben Sie ein paar davon befragt, um herauszufinden wie andere die Sinnfrage angehen?
Stefan Dudas: Richtig! Mir war wichtig, die Inhalte des Buches ins Leben zu transportieren und auch einfach mal zu sehen, wie andere Menschen, denen der Sinn im Leben sehr wichtig ist, mit diesem Thema in ihrem Umfeld umgehen beziehungsweise es im eigenen Unternehmen handhaben.
Können Sie uns sagen, wer dabei zu Wort kommt?
Stefan Dudas: Den Anfang macht Götz Wolfgang Werner, bekannter Gründer und Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens dm drogerie markt, dessen Geschäftsführer er 35 Jahre lang war. Als Initiator von „Unternimm die Zukunft“ steht er für ein bedingungsloses Grundeinkommen und sorgt mit seinen kernigen Aussagen wie „Hartz IV ist offener Strafvollzug“ immer wieder für Aufsehen. Mit Sina Trinkwalder und Gabriela Manser sind zwei vielfach ausgezeichnete Unternehmerinnen dabei. Sina Trinkwalder ist Gründerin der ökosozialen Textilfirma Manomama, die am Arbeitsplatz benachteiligte Menschen beschäftigt. Gabriele Manser ist als Quereinsteigerin inzwischen sehr erfolgreiche CEO der Mineralquelle Gontenbad AG. Ali Mahlodji, Gründer whatchado.com ist Jugendbotschafter mit Sinn. Autor und Querdenker Fridolin Schwitter wurde vom Wirtschaftsförderer zum Mönch und lebt heute als „frater familaris“ in einem Frauenkloster. Und zuletzt schließlich „Madame Wirbelwind“ CEO Franziska Bründler, deren Unternehmen Fidea Design GmbH lokal, nachhaltig und fair Designprodukte für Wohnen, Büro und als Geschenk entwickelt und produziert.
Ein sehr bunter Mix an Gesprächspartnern. Wie kam es dazu?
Stefan Dudas: Stimmt, ich habe mich bewusst für sechs sehr unterschiedliche Menschen entschieden, dann aber allen dieselben Fragen gestellt. Beim Lesen wird schnell klar, dass jede Persönlichkeit auf ihre eigene Art und Weise zum Thema ‚Sinn’ inspiriert. Ich bin diesen sechs Personen sehr dankbar, dass sie mit ihrer Sichtweise und ihrer persönlichen Meinung mein Buch bereichert haben.
Bleibt die Frage nach dem Sinn, Herr Dudas. Gibt es einen einfachen Weg herauszufinden, was sich Menschen wirklich wünschen? Von was sie insgeheim träumen, ohne es jemandem zu verraten?
Stefan Dudas: Den gibt es tatsächlich. Analysiert man, mit welchen Auslösern die Werbung arbeitet, wünschen Menschen sich schon immer, in absoluter Freiheit leben zu können und niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Sie wünschen sich, für sich sinnvolle Dinge zu tun. Mit zunehmendem Alter stellen wir uns mehr als einmal die Frage, ob es das jetzt gewesen ist. Ob wir wirklich schon alles gemacht haben, was wir eigentlich mal vor hatten zu machen. Haben wir unsere Träume umgesetzt und macht unser Leben heute sowie irgendwann einmal rückblickend Sinn? Obwohl diese Frage unmöglich zu beantworten scheint, so wichtig ist es, sie zu stellen und darüber nach- und vorzudenken. Schließlich geht es ja um nichts weniger als um unser eigenes Leben.
Trotzdem funktioniert unsere Gesellschaft scheinbar anders?
Stefan Dudas: Stimmt leider. Die meisten Menschen sind so sehr mit ihrem Leben beschäftigt, dass sie vergessen, darüber nachzudenken, was sie eigentlich wirklich wollen im Leben. Sie funktionieren – und mit etwas Glück auch nahezu perfekt. Die eigene persönliche Freiheit besteht aus drei Wochen Urlaub auf Teneriffa im Sommer und Skiurlaub im Winter. Dazwischen tun wir, was von uns erwartet wird. Je länger und intensiver ich mich mit dem Thema ‚Sinn’ beschäftige, desto fester steht für mich auch ohne Zweifel: Der Mensch kann ohne Sinn nicht sein. Er stirbt zwar nicht gleich, wenn der Sinn fehlt. Zumindest nicht körperlich. Aber ein Leben ohne bewusst erlebten Sinn ist trübe, langweilig und voller Hamsterräder, die uns abstumpfen lassen. Sinn ist also lebenswichtig!
Herr Dudas, vielen Dank für dieses sinnige Gespräch!
Herr Dudas, es geht uns doch eigentlich ganz gut. Soweit funktioniert alles. Warum sollen wir uns ausgerechnet jetzt mit dem Thema ‚Sinn’ beschäftigen?
Stefan Dudas: Stimmt. Wir haben in unseren Breitengraden einen großen Wohlstand. Technisch gibt es jeden Tag neue Errungenschaften, die uns das Leben (vermeintlich) vereinfachen. Medizinisch ist Vieles möglich, wovon wir vor Jahren noch geträumt haben. Zudem bekommen wir heute fast jede Information, die wir benötigen (und auch alle anderen) in Sekundenbruchteilen aufs Smartphone geliefert. Kein Grund zu klagen also? Glaubt man den Umfragen, ist trotzdem eine Unzufriedenheit zu bemerken. Die Zahl der Burnout-Erkrankungen steigt und in vielen Köpfen ist Angst. Angst, dass der Arbeitsplatz nicht sicher ist. Angst, dass in den Flüchtlingsdebatten die falschen Entscheidungen gefällt werden. Angst vor Terror. Angst vor der Digitalisierung. Und natürlich – ganz wichtig – Angst vor der Zukunft.
Also macht es doch Sinn, sich damit zu beschäftigen, was wir tun und warum bzw. was wir gerne tun würden, um so vielleicht eine Antwort darauf zu finden, was uns im Leben erfolgreich und glücklich macht?
Stefan Dudas: Ich bin kein Philosoph – zumindest habe ich keine Philosophie studiert. Aber schon so lange ich denken kann, beschäftigt mich die Frage, warum es Menschen gibt, die ihr Leben mit Begeisterung, Spaß und echter Leidenschaft genießen und andere, die einfach nur zu existieren scheinen. Ja, ich wähle extra das Wort ‚existieren’. Frühmorgens aufstehen, im Stau zur Arbeit rollen, acht bis zwölf Stunden arbeiten, im Stau nach Hause fahren, essen, fernsehen, schlafen gehen, um dann frühmorgens wieder aufzustehen. Kurz vor dem Einschlafen denkt man kurz darüber nach, ob es das jetzt wirklich schon gewesen ist. Man grübelt, was einen überhaupt noch antreibt, erfreut oder sogar begeistert. Während man noch grübelt, übermannt einen der Schlaf und am nächsten Morgen beginnt das Spiel von neuem.
Aber die meisten Menschen scheinen sich doch sehr schnell mit ihrem Leben zu arrangieren, oder?
Stefan Dudas: Das ist tatsächlich so. Betrachtet man es einmal aus der Sinn-Perspektive, ist es auf der einen Seite sehr traurig, auf der anderen Seite aber auch absichtlich von der Evolution so eingerichtet worden, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Ein Mensch ist fähig, sich in fast jeder Situation zurecht zu finden. Zudem schützt er seine Lebens-Denkmuster. Denn wenn jemand von außen kommt und sagt, dass sein Leben schon lange von der Lethargie und Angst übernommen wurde, ist das für das Weltbild und das Selbstwertgefühl dieser Person gefährlich. Er wird diesen Umstand verneinen, den Kritiker auslachen, bekämpfen und auf Facebook blockieren.
Um seine Sicht des Lebens zu schützen?
Stefan Dudas: Genau! Und das ist irgendwie ja auch verständlich. Als Coach höre ich immer öfter von eben diesen Lebenssituationen. Von außen betrachtet scheinbar erfolgreiche Menschen stellen sich doch irgendwann die Frage, was sie eigentlich mit ihrem Leben tun. Das hat viel mit unserer Gesellschaft und unserem heutigen Verständnis von Leben, von Arbeit und vom Lebenserfolg zu tun. Dieses Verständnis beruht auf alten Denkmustern und wir tragen diese schon seit Jahrzehnten mit uns herum. Das Problem dabei ist, dass sich alles um uns herum schon massiv verändert hat und sich laufend weiter stark verändert.
Also einmal mehr Veränderungen über Veränderungen. Können wir nicht einfach nur zufrieden sein, mit dem, was wir haben?
Stefan Dudas: Das höre ich immer wieder. Sei es in Unternehmen oder bei privaten Gesprächen. Man muss doch auch mal zufrieden sein. Hauptsache wir sind gesund. Sind wir das wirklich? Ist mit sozialem Wohlergehen nicht einfach gemeint, wenn wir im Leben erfolgreich unterwegs sind? Aber ist denn eine Gesellschaft tatsächlich ‚erfolgreich’, wenn niemals gelernt wird, was das Leben wirklich ausmacht, ständig Druck herrscht, jeden Freitag in den Radios die ‚Endlich Freitag’-Berieselung startet und sich jeden Montag versteinerte Gesichter und die dazugehörigen Körper zur Arbeit zwingen? Die allermeisten Menschen in dieser Gesellschaft haben noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, wie sie wirklich leben möchten und was ihnen privat und beruflich Befriedigung und Sinn gibt. Eigentlich geht es doch darum, wirklich glücklich zu sein. Glücklich mit sich selber und seinem Leben. Um das zu beurteilen, müssen wir zuerst wieder lernen, ehrlich zu uns selber zu sein. Fernab von eingebrannten Denkmustern, gesellschaftlichen Konventionen und persönlichen Vernebelungen und Schutzbehauptungen.
Aber das ist richtig schwer, oder? Und es löst wiederum Ängste aus oder führt bei vielen Menschen sogar zum Burnout.
Stefan Dudas: Ich glaube nicht einmal, dass das eigentliche Problem eine Burnout- oder die Sinnkrise ist. Das viel bedeutsamere Problem ist, dass viele Menschen unbewusst resigniert haben oder – noch schlimmer – nie wirklich begonnen haben, ihr eigenes Leben zu leben. Die Zeit könnte nicht besser sein, um noch mehr über Sinn und Unsinn zu sprechen und nachzudenken.
Sinn ist ja eine spannende persönliche Angelegenheit. Aber ist das Thema auch bei der breiten Masse, sprich in den Unternehmen und der Gesellschaft schon angekommen?
Stefan Dudas: Das ändert sich gerade tatsächlich. Die Sinnfrage wird heute in einer neuen Qualität gestellt. Es geht nicht mehr nur um den individuellen, privaten Sinn des Lebens, sondern plötzlich wird die Sinnfrage in den Führungsetagen der Unternehmen gestellt. Die Sinnfrage ist heute weder Privatsache noch haftet ihr länger der akademisch universitären Pathos an. Mit Büchern wie Bodo Janssens „Die stille Revolution: Führen mit Sinn und Menschlichkeit“ hat eine Diskussion begonnen, die offenlegt, dass sich kaum eine Organisation der Sinnfrage entziehen kann. Wenn Mitarbeiter auswählen können, wo sie arbeiten wollen, dann reicht Geld als Anreiz und alleinige Zielgröße nicht mehr.
Also nicht mehr länger nur Lebenszeit gegen Geld?
Stefan Dudas: Die eigene Lebenszeit gegen Geld zu tauschen ist heute die ‚normale’ Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn diese Arbeit erfüllend ist, funktioniert dieser Deal gut. Wenn aber regelmäßig die Montags-Allergie einsetzt, wäre der Zeitpunkt gekommen, um zu handeln und etwas zu verändern. ‚Das ist aber nicht so einfach’, ist dann die meist genannte Antwort. Und das ist natürlich richtig. Aber es ist wahrscheinlich auch nicht einfach, den Rest seines Lebens, vielleicht 20 Jahre oder mehr etwas zu arbeiten, was einem so gar nicht gefällt und was einen auch nicht erfüllt.
Sie wollen mit ihrem Buch inspirieren. Das ist gut und schön, aber können Sie mit Ihrem Ruf nach mehr Sinn auch wirklich etwas oder jemanden bewegen?
Stefan Dudas: Inspirieren, aus dem Lateinischen „inspiratio“, bedeutet „Beseelung“. Menschen mit mehr Sinn in ihrem Leben zu beseelen, ist doch eine wunderschöne Aufgabe. Es braucht dazu „nur“ Bewusstsein dafür, was wirklich zählt und was wirklich Wirkung schafft. Aber auch Selbst-Bewusst-Sein, für sich einzustehen. Sich selber zu hinterfragen und zu reflektieren. Nicht einmal, sondern immer wieder. Um zu erkennen, was man wirklich will im Leben. Jede Veränderung beginnt immer irgendwo. In diesem Fall beginnt sie bei uns selbst. Ich weiß zwar, dass ich mit meinen Ideen und meiner Denkhaltung nicht alleine stehe, mache mir aber auch keine falschen Illusionen, dass ich alleine etwas verändern kann. Zu lange haben sich Glaubenssätze einnisten können. Deshalb halte ich immer Ausschau nach Menschen, für die Sinn im Leben eine zentrale Rolle spielt. Vorbild-Unternehmer oder einfach besondere Persönlichkeiten.
Für Ihr Buch haben Sie ein paar davon befragt, um herauszufinden wie andere die Sinnfrage angehen?
Stefan Dudas: Richtig! Mir war wichtig, die Inhalte des Buches ins Leben zu transportieren und auch einfach mal zu sehen, wie andere Menschen, denen der Sinn im Leben sehr wichtig ist, mit diesem Thema in ihrem Umfeld umgehen beziehungsweise es im eigenen Unternehmen handhaben.
Können Sie uns sagen, wer dabei zu Wort kommt?
Stefan Dudas: Den Anfang macht Götz Wolfgang Werner, bekannter Gründer und Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens dm drogerie markt, dessen Geschäftsführer er 35 Jahre lang war. Als Initiator von „Unternimm die Zukunft“ steht er für ein bedingungsloses Grundeinkommen und sorgt mit seinen kernigen Aussagen wie „Hartz IV ist offener Strafvollzug“ immer wieder für Aufsehen. Mit Sina Trinkwalder und Gabriela Manser sind zwei vielfach ausgezeichnete Unternehmerinnen dabei. Sina Trinkwalder ist Gründerin der ökosozialen Textilfirma Manomama, die am Arbeitsplatz benachteiligte Menschen beschäftigt. Gabriele Manser ist als Quereinsteigerin inzwischen sehr erfolgreiche CEO der Mineralquelle Gontenbad AG. Ali Mahlodji, Gründer whatchado.com ist Jugendbotschafter mit Sinn. Autor und Querdenker Fridolin Schwitter wurde vom Wirtschaftsförderer zum Mönch und lebt heute als „frater familaris“ in einem Frauenkloster. Und zuletzt schließlich „Madame Wirbelwind“ CEO Franziska Bründler, deren Unternehmen Fidea Design GmbH lokal, nachhaltig und fair Designprodukte für Wohnen, Büro und als Geschenk entwickelt und produziert.
Ein sehr bunter Mix an Gesprächspartnern. Wie kam es dazu?
Stefan Dudas: Stimmt, ich habe mich bewusst für sechs sehr unterschiedliche Menschen entschieden, dann aber allen dieselben Fragen gestellt. Beim Lesen wird schnell klar, dass jede Persönlichkeit auf ihre eigene Art und Weise zum Thema ‚Sinn’ inspiriert. Ich bin diesen sechs Personen sehr dankbar, dass sie mit ihrer Sichtweise und ihrer persönlichen Meinung mein Buch bereichert haben.
Bleibt die Frage nach dem Sinn, Herr Dudas. Gibt es einen einfachen Weg herauszufinden, was sich Menschen wirklich wünschen? Von was sie insgeheim träumen, ohne es jemandem zu verraten?
Stefan Dudas: Den gibt es tatsächlich. Analysiert man, mit welchen Auslösern die Werbung arbeitet, wünschen Menschen sich schon immer, in absoluter Freiheit leben zu können und niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Sie wünschen sich, für sich sinnvolle Dinge zu tun. Mit zunehmendem Alter stellen wir uns mehr als einmal die Frage, ob es das jetzt gewesen ist. Ob wir wirklich schon alles gemacht haben, was wir eigentlich mal vor hatten zu machen. Haben wir unsere Träume umgesetzt und macht unser Leben heute sowie irgendwann einmal rückblickend Sinn? Obwohl diese Frage unmöglich zu beantworten scheint, so wichtig ist es, sie zu stellen und darüber nach- und vorzudenken. Schließlich geht es ja um nichts weniger als um unser eigenes Leben.
Trotzdem funktioniert unsere Gesellschaft scheinbar anders?
Stefan Dudas: Stimmt leider. Die meisten Menschen sind so sehr mit ihrem Leben beschäftigt, dass sie vergessen, darüber nachzudenken, was sie eigentlich wirklich wollen im Leben. Sie funktionieren – und mit etwas Glück auch nahezu perfekt. Die eigene persönliche Freiheit besteht aus drei Wochen Urlaub auf Teneriffa im Sommer und Skiurlaub im Winter. Dazwischen tun wir, was von uns erwartet wird. Je länger und intensiver ich mich mit dem Thema ‚Sinn’ beschäftige, desto fester steht für mich auch ohne Zweifel: Der Mensch kann ohne Sinn nicht sein. Er stirbt zwar nicht gleich, wenn der Sinn fehlt. Zumindest nicht körperlich. Aber ein Leben ohne bewusst erlebten Sinn ist trübe, langweilig und voller Hamsterräder, die uns abstumpfen lassen. Sinn ist also lebenswichtig!
Herr Dudas, vielen Dank für dieses sinnige Gespräch!