Digitalisierung im Handwerk
Helmut König ist Inhaber von Königskonzept (Link: http://www.koenigskonzept.de/). Das Unternehmen entwickelt und unterstützt seit 2004 Vertriebskonzepte für mittelständische Kunden, arbeitet aber auch im Trainings- und Schulungsbereich für Unternehmen wie Telekom, TÜV, verschiedene Hochschulen, Handwerkskammern und IHK‘s. Wir von Energieheld sprachen mit Herrn König über die Digitalisierung, die Herausforderungen der nächsten Jahre für mittelständische Betriebe und wie Softwarelösungen die Prozesse im Betrieb beeinflussen können.
Sebastian Zahn: Lieber Herr König, bitte stellen Sie sich doch einmal kurz vor.
Helmut König: Meine Wurzeln liegen im Dämmstoffmarkt, indem ich 1980 im Verkaufsinnendienst begonnen habe. Nach Weiterentwicklungen über den Außendienst und die Marketing- und Vertriebsleitung bis hin zum Projektleiter SAP im Bereich Verkauf habe ich mich 2004 als Vertriebsberater selbstständig gemacht. Heute berate und unterstütze ich Unternehmen im Bereich Vertrieb, Marketing und Vertriebsorganisation. Daneben arbeite ich als Dozent für verschiedene Hochschulen und bin Mitglied in verschiedenen Prüfungsausschüssen der IHK Frankfurt.
Sebastian Zahn: Was bedeutet Digitalisierung für Sie
Helmut König: Digitalisierung ist die elektronische Verknüpfung von Menschen und Unternehmen miteinander. Menschen haben sich immer schon verknüpft, z.B. durch regionale Netzwerke wie Stammtische, durch Diskussionskreise, durch den Austausch von Informationen in Wort, Text und Bild oder durch gemeinsame Planung und Entwicklung von neuen Dingen und Möglichkeiten. Digitalisierung bietet als dies aber auf einer ungleich größeren Plattform und mit ungleich größeren Varianten der Möglichkeiten. Dabei sind die Vielzahl und die damit verbundene Notwendigkeit der Auswahl und Konzentration etwas, was wir erst lernen müssen.
Sebastian Zahn: Sie arbeiten mit den unterschiedlichsten Betrieben aus den Bereichen der Bauwirtschaft, dem Einzelhandel und dem Handwerk zusammen. Was fällt übergreifend auf, wenn Sie die Betriebe besuchen und eine erste Analyse vornehmen?
Helmut König: Zum einen gibt es in der Unternehmensberatung den Begriff der „Beratungsresistenz“. Kleine und mittelständische Unternehmen scheuen sich oft vor externen Beratungen, weil sie zum einen den Nutzen nicht abschätzen können und zum anderen sich bei eigenen Schwachstellen ertappt fühlen. Große Unternehmen erfahren den Nutzen schneller und sind gewohnt, Optimierungen an verschiedenen Stellen im Unternehmen durch externe Beratung vorzunehmen. Zum anderen gehört Vertrieb, wie auch Buchhaltung in den Bereich der ungeliebten Arbeit.
Maurer sind Maurer geworden, weil sie mauern wollen und nicht, weil sie Mauerarbeiten verkaufen oder verbuchen wollen. Während dabei Buchhaltung ein Zwang ist, der intern oder extern erfüllt werden muss, wird Vertriebsentwicklung nach dem Motto „Eigentlich haben wir ja genug zu tun“ oder „Morgen fange ich an“ oft vor sich hergeschoben.
Sebastian Zahn: Ist die Digitalisierung schon überall angekommen?
Helmut König: 96% der Menschen in Unternehmen stammen aus drei Generationsschichten: Die Babyboomer ab 1950, die Generation X ab 1966 und die oft genannte Generation Y ab 1980. Am weitesten ist die Digitalisierung sicher bei der Generation Y, weil diese mit dem Computer und dem Internet aufgewachsen ist. Die Generationen davor kennen und/oder nutzen die Bereiche E-Mail und Homepage oft nur, weil man ohne diese Hilfsmittel so leicht nicht mehr auskommt. Übrigens, die Generation Z, geboren ab 2000 wird uns da alle überflügeln, an die darauffolgende Generation A, ab 2010 wage ich noch gar nicht zu denken.
Markus Reif von Kienbaum bezeichnet dieses Verhalten in seinem Blog als überwiegende Kommunikationspräferenz und kennzeichnet es wie folgt:
Die Veteranen (ab 1940) kommunizierten schriftlich
Die Babyboomer telefonisch
Die Generation X per E-Mail und SMS
Die Generation Y per SMS und WhatsApp
Die Generation Z per integriertes Device (Uhr, Brille)
Und die Generation A? Gute Frage, das lässt sich noch nicht beantworten
Sebastian Zahn: Braucht das Handwerk die Digitalisierung?
Helmut König: Die Frage nach dem brauchen stellt sich nicht, die Frage in welchem Umfang und in welcher Form ist es sinnvoll ist viel wichtiger. Betriebe, die sich auf die Zulieferung zu anderen Unternehmen konzentrieren wie die Automobilzulieferindustrie oder Handwerksbetriebe, die ausschließlich als Subunternehmer für Generalunternehmer arbeiten, brauchen bei der Digitalisierung vor allem elektronischen Datenaustausch für Qualitäts-, Produktions-, Liefer- und Abrechnungsdaten. Unternehmen, die selbst direkt am Markt aktiv sind, brauchen Kommunikations- und Serviceinstrumente, damit Kunden auf sie aufmerksam werden und leicht und einfach mit ihnen über verschiedene Kanäle kommunizieren können.
Sebastian Zahn: Ich möchte im weiteren Verlauf intensiver auf Handwerksbetriebe eingehen.
Was sind die großen Herausforderungen für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe, in den nächsten Jahren?
Helmut König: Viele Betriebe glauben, nur, weil sie viel und hart arbeiten, können sie überleben. Das war, ist und bleibt falsch. Arbeit vorzubereiten, das Unternehmen zu organisieren und zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein, ist viel wichtiger. Der Begriff Manager ist in vielen Handwerksbetrieben nicht beliebt. Aber das Wort kommt vom englischen „manage“, handhaben oder bewerkstelligen und vom lateinischen „manus“, Hand, und „agere“, tun. Manager bewegen also etwas und wenn ich etwas bewege, geht es mit meinem Unternehmen voran. Die Herausforderung für Inhaber von Handwerksbetrieben ist, dass sie zukünftig selbst weniger Material auf der Baustelle und mehr Menschen bewegen müssen.
Der Vorbehalte gegenüber dem Begriff Manager oder Management im Handwerk liegen darin, es zu viele Manager gibt, die diesen Namen nicht verdient haben. Aber solche Manager gibt es nicht nur im Handwerk.
Sebastian Zahn: Können Sie Beispiele aus der Vergangenheit nennen, wann es das letzte Mal vergleichbare einschneidende Neuerungen gab?
Helmut König: Es gibt keine Vergleichbarkeit zu dieser Exposition von Veränderungen. Wir haben seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert 4 Stufen erlebt:
Industrie 1.0 startet um 1800 mit der Massenproduktion von Maschinen. Seit dieser Zeit arbeiten Menschen in Produktionsstätten.
Industrie 2.0 geht einher zum Ende des 19. Jahrhunderts mit der Einführung der Elektrizität und der Fließbandarbeit.
Industrie 3.0 in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kennzeichnet die Einführung vom IT und Computersystemen, speziell durch den Personal Computer.
Industrie 4.0 seit Ende des 20 Jahrhunderts betrifft die Digitalisierung, die vernetzten Produktionsanlagen und die Flexibilisierung der Arbeitsplätze.
Die wichtigste Neuerung ist wohl dabei, dass wir in einem bestimmten Bereich in die Zeit vor Industrie 1.0 zurückgehen können. Die Arbeit in Produktionsstätten oder Verwaltungen wird weniger notwendig. Menschen können schon jetzt und noch vermehrt in der Zukunft Zeitpunkt und Intensität ihrer Arbeit selbst bestimmen. Das erleben wir heute schon oft im Handwerk, wenn die Mitarbeiter eine Baustelle durch Mehrarbeit innerhalb der Woche schneller abschließen, um ein längeres Wochenende in Anspruch nehmen zu können. Mitarbeiter werden nicht mehr nach Anwesenheit bezahlt, sondern nach Erreichen eines bestimmten Zieles.
Sebastian Zahn: Was sind konkrete Ziele, die sie für die nächsten Jahre benennen können?
Helmut König: Die Vorbereitung und Durchführung der digitalen Vernetzung mit Geschäftspartnern, seien es Kunden, Kooperationspartner oder Lieferanten. Die Verbindung von Unternehmen untereinander, um Kosten zu sparen und deutlicher am Markt gesehen zu werden. Die Einrichtung einer Managementebene in jedem Unternehmen im Sinne von bewegen, bewerkstelligen, tun. Bürotätigkeiten gehören nicht ins Wochenende, sondern in die normale Arbeitszeit. Wenn ein Auftrag abgeschlossen ist, wird die Rechnung geschrieben, so banal das auch klingt. Der Abbau von Zeitverschwendung auf der Baustelle durch logistische Probleme, speziell beim Übergang von verschiedenen aufeinander folgenden Gewerken. Da es noch viele andere Ziele gibt, eine Priorisierung der Ziele, damit man mit der Verwirklichung beginnen kann.
Sebastian Zahn: Aus welchen Bereichen kommen neue Impulse?
Helmut König: Impulse kommen aus der Y Generation, die durch die fortschreitende Digitalisierung neue Anwendungsmöglichkeiten erschließt. Apps für Smartphones, die die Verarbeitung von Kundenwünschen, eine einfachere Bestellung, Terminvereinbarungen oder Mitarbeiter-, Baustellen- und Fahrzeugsteuerung und Kontrolle ermöglichen. Plattformen, die wie Energieheld bei der Auftragsbeschaffung helfen oder über die man Waren, Wissen und Partner finden kann. Soziale Netzwerke, auf denen man mit Kunden Kontakte knüpfen, Wissen austauschen oder Aufträge generieren kann.
Sebastian Zahn: Welche Modelle von Digitalisierung setzen sich aktuell durch?
Helmut König: E-Mail-Kommunikation ist Standard und wird es bleiben. Die Last der Spams haben wir bei der Post im Briefkasten auch, beim Mail-Verkehr können wir Filter einsetzen. Hinzu kommen Apps für verschiedene Anwendungen und WhatsApp als Kommunikationsinstrument. Warenwirtschaftssysteme zur internen Organisation und Internetplattformen als Unterstützung bei der Auftragsbeschaffung. Die Homepage als digitale Visitenkarte und soziale Netzwerke, um sich regional darstellen zu können.
Sebastian Zahn: Wie kann die Auftragsakquise im digitalen Zeitalter für Handwerker aussehen?
Helmut König: Das wichtigste ist gute Arbeit und die daraus resultierende Zufriedenheit der Kunden. Zufriedenheit führt zu Empfehlungen. Das zeitwichtigste ist die Pflege des bestehenden Kundenstamms auch über den Auftrag hinaus, denn das führt zu mehr Zufriedenheit und weiteren Empfehlungen. Darüber hinaus helfen klassische und digitale Marketinginstrumente, in der Öffentlichkeit präsent zu sein und neue Kunden zu bekommen. Dabei müssen die Instrumente der Zielgruppe angepasst sein.
Sebastian Zahn: Sie unterstützen Betriebe dabei die organisatorischen Strukturen zu optimieren. Auf ihrer Webseite sprechen Sie vom zerschlagen des gordischen Knotens. Können Sie Beispiele organisatorischer Herausforderungen im Handwerk nennen?
Helmut König: Die konkreten zuvor beschriebenen Ziele für ein Unternehmen sind auch die organisatorischen Herausforderungen. Dafür ist es entscheidend, dass der Handwerksbetrieb Möglichkeiten findet, diese Entscheidungen zu organisieren. Wenn der Chef gern selbst auch der Baustelle mitarbeiten will, muss jemand anderes im Unternehmen vorhanden sein, der diese Herausforderungen meistert. Manche Inhaber können das mit einem Geschäfts- oder Ehepartner organisieren, manche finden dazu einen geeigneten Mitarbeiter, der dann aber auch die Freiheit der Entscheidung haben muss.
Sebastian Zahn: Was können Softwarelösungen leisten?
Helmut König: Abteilungsübergreifende IT Systeme helfen, Waren- und Finanzströme zu organisieren und zu verwalten, Lohnabrechnungen und steuerliche Belange abzuwickeln und Lieferanten- und Kundenbeziehungen effizient zu gestalten.
Apps und Blogsysteme helfen, die Kommunikation mit Kunden leichter zu machen. Content Management Systeme unterstützen eine kostengünstige permanente Aktualisierung der eigenen Homepage. Letztendlich helfen Portale und soziale Netzwerke bei der Bildung von Netzwerken mit Kunden, Partnern und Lieferanten.
Sebastian Zahn: Inwiefern können beispielsweise Softwarelösungen dabei helfen, organisatorische Prozesse transparenter zu machen?
Helmut König: Abteilungsübergreifende Systeme sorgen dafür, dass der Handwerksbetrieb einen Überblick über sein Unternehmen bekommt. Das beinhaltet die Lagerbestände, die Nachkalkulation abgeschlossener Projekte, Überblick über den Stand der Eingangs- und Ausgangsrechnungen und das Finanz- und Betriebsergebnis. Im Bereich der Kunden der Überblick über die Kundenhistorie und Nachverfolgungssysteme für laufende Angebote und Projekte. Im Bereich von Blogs und Netzwerken erkennt ein Betrieb, wie er von anderen, von seiner Umgebung wahrgenommen wird.
Sebastian Zahn: Was würden Sie abschließend einem Handwerksbetrieb zum Thema Digitalisierung mit auf den Weg geben?
Helmut König: Orientiere dich an deinen Kunden. Die Digitalisierungsinstrumente, die deine Kunden und Geschäftspartner einsetzen brauchst du auch. Mehr und andere brauchst du nur, wenn du neue Kundengruppen erschließen willst, aber auch dann gilt das gleiche wie im vorherigen Satz. Überprüfe dein genutztes IT System, viele Verbände des Handwerks können dazu gute Ratschläge erteilen. Ein Rat von mir ist immer noch präsent: „Glaub nicht jedem, aber lehne auch nicht jede Meinung und Idee ab.“ Und auch ein Satz von Arnold Messner ist nach wie vor wichtig: „Wer nichts versucht, kann noch nicht mal scheitern.“
Sebastian Zahn: Lieber Herr König, vielen Dank für das Gespräch!
Sebastian Zahn: Lieber Herr König, bitte stellen Sie sich doch einmal kurz vor.
Helmut König: Meine Wurzeln liegen im Dämmstoffmarkt, indem ich 1980 im Verkaufsinnendienst begonnen habe. Nach Weiterentwicklungen über den Außendienst und die Marketing- und Vertriebsleitung bis hin zum Projektleiter SAP im Bereich Verkauf habe ich mich 2004 als Vertriebsberater selbstständig gemacht. Heute berate und unterstütze ich Unternehmen im Bereich Vertrieb, Marketing und Vertriebsorganisation. Daneben arbeite ich als Dozent für verschiedene Hochschulen und bin Mitglied in verschiedenen Prüfungsausschüssen der IHK Frankfurt.
Sebastian Zahn: Was bedeutet Digitalisierung für Sie
Helmut König: Digitalisierung ist die elektronische Verknüpfung von Menschen und Unternehmen miteinander. Menschen haben sich immer schon verknüpft, z.B. durch regionale Netzwerke wie Stammtische, durch Diskussionskreise, durch den Austausch von Informationen in Wort, Text und Bild oder durch gemeinsame Planung und Entwicklung von neuen Dingen und Möglichkeiten. Digitalisierung bietet als dies aber auf einer ungleich größeren Plattform und mit ungleich größeren Varianten der Möglichkeiten. Dabei sind die Vielzahl und die damit verbundene Notwendigkeit der Auswahl und Konzentration etwas, was wir erst lernen müssen.
Sebastian Zahn: Sie arbeiten mit den unterschiedlichsten Betrieben aus den Bereichen der Bauwirtschaft, dem Einzelhandel und dem Handwerk zusammen. Was fällt übergreifend auf, wenn Sie die Betriebe besuchen und eine erste Analyse vornehmen?
Helmut König: Zum einen gibt es in der Unternehmensberatung den Begriff der „Beratungsresistenz“. Kleine und mittelständische Unternehmen scheuen sich oft vor externen Beratungen, weil sie zum einen den Nutzen nicht abschätzen können und zum anderen sich bei eigenen Schwachstellen ertappt fühlen. Große Unternehmen erfahren den Nutzen schneller und sind gewohnt, Optimierungen an verschiedenen Stellen im Unternehmen durch externe Beratung vorzunehmen. Zum anderen gehört Vertrieb, wie auch Buchhaltung in den Bereich der ungeliebten Arbeit.
Maurer sind Maurer geworden, weil sie mauern wollen und nicht, weil sie Mauerarbeiten verkaufen oder verbuchen wollen. Während dabei Buchhaltung ein Zwang ist, der intern oder extern erfüllt werden muss, wird Vertriebsentwicklung nach dem Motto „Eigentlich haben wir ja genug zu tun“ oder „Morgen fange ich an“ oft vor sich hergeschoben.
Sebastian Zahn: Ist die Digitalisierung schon überall angekommen?
Helmut König: 96% der Menschen in Unternehmen stammen aus drei Generationsschichten: Die Babyboomer ab 1950, die Generation X ab 1966 und die oft genannte Generation Y ab 1980. Am weitesten ist die Digitalisierung sicher bei der Generation Y, weil diese mit dem Computer und dem Internet aufgewachsen ist. Die Generationen davor kennen und/oder nutzen die Bereiche E-Mail und Homepage oft nur, weil man ohne diese Hilfsmittel so leicht nicht mehr auskommt. Übrigens, die Generation Z, geboren ab 2000 wird uns da alle überflügeln, an die darauffolgende Generation A, ab 2010 wage ich noch gar nicht zu denken.
Markus Reif von Kienbaum bezeichnet dieses Verhalten in seinem Blog als überwiegende Kommunikationspräferenz und kennzeichnet es wie folgt:
Die Veteranen (ab 1940) kommunizierten schriftlich
Die Babyboomer telefonisch
Die Generation X per E-Mail und SMS
Die Generation Y per SMS und WhatsApp
Die Generation Z per integriertes Device (Uhr, Brille)
Und die Generation A? Gute Frage, das lässt sich noch nicht beantworten
Sebastian Zahn: Braucht das Handwerk die Digitalisierung?
Helmut König: Die Frage nach dem brauchen stellt sich nicht, die Frage in welchem Umfang und in welcher Form ist es sinnvoll ist viel wichtiger. Betriebe, die sich auf die Zulieferung zu anderen Unternehmen konzentrieren wie die Automobilzulieferindustrie oder Handwerksbetriebe, die ausschließlich als Subunternehmer für Generalunternehmer arbeiten, brauchen bei der Digitalisierung vor allem elektronischen Datenaustausch für Qualitäts-, Produktions-, Liefer- und Abrechnungsdaten. Unternehmen, die selbst direkt am Markt aktiv sind, brauchen Kommunikations- und Serviceinstrumente, damit Kunden auf sie aufmerksam werden und leicht und einfach mit ihnen über verschiedene Kanäle kommunizieren können.
Sebastian Zahn: Ich möchte im weiteren Verlauf intensiver auf Handwerksbetriebe eingehen.
Was sind die großen Herausforderungen für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe, in den nächsten Jahren?
Helmut König: Viele Betriebe glauben, nur, weil sie viel und hart arbeiten, können sie überleben. Das war, ist und bleibt falsch. Arbeit vorzubereiten, das Unternehmen zu organisieren und zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein, ist viel wichtiger. Der Begriff Manager ist in vielen Handwerksbetrieben nicht beliebt. Aber das Wort kommt vom englischen „manage“, handhaben oder bewerkstelligen und vom lateinischen „manus“, Hand, und „agere“, tun. Manager bewegen also etwas und wenn ich etwas bewege, geht es mit meinem Unternehmen voran. Die Herausforderung für Inhaber von Handwerksbetrieben ist, dass sie zukünftig selbst weniger Material auf der Baustelle und mehr Menschen bewegen müssen.
Der Vorbehalte gegenüber dem Begriff Manager oder Management im Handwerk liegen darin, es zu viele Manager gibt, die diesen Namen nicht verdient haben. Aber solche Manager gibt es nicht nur im Handwerk.
Sebastian Zahn: Können Sie Beispiele aus der Vergangenheit nennen, wann es das letzte Mal vergleichbare einschneidende Neuerungen gab?
Helmut König: Es gibt keine Vergleichbarkeit zu dieser Exposition von Veränderungen. Wir haben seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert 4 Stufen erlebt:
Industrie 1.0 startet um 1800 mit der Massenproduktion von Maschinen. Seit dieser Zeit arbeiten Menschen in Produktionsstätten.
Industrie 2.0 geht einher zum Ende des 19. Jahrhunderts mit der Einführung der Elektrizität und der Fließbandarbeit.
Industrie 3.0 in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kennzeichnet die Einführung vom IT und Computersystemen, speziell durch den Personal Computer.
Industrie 4.0 seit Ende des 20 Jahrhunderts betrifft die Digitalisierung, die vernetzten Produktionsanlagen und die Flexibilisierung der Arbeitsplätze.
Die wichtigste Neuerung ist wohl dabei, dass wir in einem bestimmten Bereich in die Zeit vor Industrie 1.0 zurückgehen können. Die Arbeit in Produktionsstätten oder Verwaltungen wird weniger notwendig. Menschen können schon jetzt und noch vermehrt in der Zukunft Zeitpunkt und Intensität ihrer Arbeit selbst bestimmen. Das erleben wir heute schon oft im Handwerk, wenn die Mitarbeiter eine Baustelle durch Mehrarbeit innerhalb der Woche schneller abschließen, um ein längeres Wochenende in Anspruch nehmen zu können. Mitarbeiter werden nicht mehr nach Anwesenheit bezahlt, sondern nach Erreichen eines bestimmten Zieles.
Sebastian Zahn: Was sind konkrete Ziele, die sie für die nächsten Jahre benennen können?
Helmut König: Die Vorbereitung und Durchführung der digitalen Vernetzung mit Geschäftspartnern, seien es Kunden, Kooperationspartner oder Lieferanten. Die Verbindung von Unternehmen untereinander, um Kosten zu sparen und deutlicher am Markt gesehen zu werden. Die Einrichtung einer Managementebene in jedem Unternehmen im Sinne von bewegen, bewerkstelligen, tun. Bürotätigkeiten gehören nicht ins Wochenende, sondern in die normale Arbeitszeit. Wenn ein Auftrag abgeschlossen ist, wird die Rechnung geschrieben, so banal das auch klingt. Der Abbau von Zeitverschwendung auf der Baustelle durch logistische Probleme, speziell beim Übergang von verschiedenen aufeinander folgenden Gewerken. Da es noch viele andere Ziele gibt, eine Priorisierung der Ziele, damit man mit der Verwirklichung beginnen kann.
Sebastian Zahn: Aus welchen Bereichen kommen neue Impulse?
Helmut König: Impulse kommen aus der Y Generation, die durch die fortschreitende Digitalisierung neue Anwendungsmöglichkeiten erschließt. Apps für Smartphones, die die Verarbeitung von Kundenwünschen, eine einfachere Bestellung, Terminvereinbarungen oder Mitarbeiter-, Baustellen- und Fahrzeugsteuerung und Kontrolle ermöglichen. Plattformen, die wie Energieheld bei der Auftragsbeschaffung helfen oder über die man Waren, Wissen und Partner finden kann. Soziale Netzwerke, auf denen man mit Kunden Kontakte knüpfen, Wissen austauschen oder Aufträge generieren kann.
Sebastian Zahn: Welche Modelle von Digitalisierung setzen sich aktuell durch?
Helmut König: E-Mail-Kommunikation ist Standard und wird es bleiben. Die Last der Spams haben wir bei der Post im Briefkasten auch, beim Mail-Verkehr können wir Filter einsetzen. Hinzu kommen Apps für verschiedene Anwendungen und WhatsApp als Kommunikationsinstrument. Warenwirtschaftssysteme zur internen Organisation und Internetplattformen als Unterstützung bei der Auftragsbeschaffung. Die Homepage als digitale Visitenkarte und soziale Netzwerke, um sich regional darstellen zu können.
Sebastian Zahn: Wie kann die Auftragsakquise im digitalen Zeitalter für Handwerker aussehen?
Helmut König: Das wichtigste ist gute Arbeit und die daraus resultierende Zufriedenheit der Kunden. Zufriedenheit führt zu Empfehlungen. Das zeitwichtigste ist die Pflege des bestehenden Kundenstamms auch über den Auftrag hinaus, denn das führt zu mehr Zufriedenheit und weiteren Empfehlungen. Darüber hinaus helfen klassische und digitale Marketinginstrumente, in der Öffentlichkeit präsent zu sein und neue Kunden zu bekommen. Dabei müssen die Instrumente der Zielgruppe angepasst sein.
Sebastian Zahn: Sie unterstützen Betriebe dabei die organisatorischen Strukturen zu optimieren. Auf ihrer Webseite sprechen Sie vom zerschlagen des gordischen Knotens. Können Sie Beispiele organisatorischer Herausforderungen im Handwerk nennen?
Helmut König: Die konkreten zuvor beschriebenen Ziele für ein Unternehmen sind auch die organisatorischen Herausforderungen. Dafür ist es entscheidend, dass der Handwerksbetrieb Möglichkeiten findet, diese Entscheidungen zu organisieren. Wenn der Chef gern selbst auch der Baustelle mitarbeiten will, muss jemand anderes im Unternehmen vorhanden sein, der diese Herausforderungen meistert. Manche Inhaber können das mit einem Geschäfts- oder Ehepartner organisieren, manche finden dazu einen geeigneten Mitarbeiter, der dann aber auch die Freiheit der Entscheidung haben muss.
Sebastian Zahn: Was können Softwarelösungen leisten?
Helmut König: Abteilungsübergreifende IT Systeme helfen, Waren- und Finanzströme zu organisieren und zu verwalten, Lohnabrechnungen und steuerliche Belange abzuwickeln und Lieferanten- und Kundenbeziehungen effizient zu gestalten.
Apps und Blogsysteme helfen, die Kommunikation mit Kunden leichter zu machen. Content Management Systeme unterstützen eine kostengünstige permanente Aktualisierung der eigenen Homepage. Letztendlich helfen Portale und soziale Netzwerke bei der Bildung von Netzwerken mit Kunden, Partnern und Lieferanten.
Sebastian Zahn: Inwiefern können beispielsweise Softwarelösungen dabei helfen, organisatorische Prozesse transparenter zu machen?
Helmut König: Abteilungsübergreifende Systeme sorgen dafür, dass der Handwerksbetrieb einen Überblick über sein Unternehmen bekommt. Das beinhaltet die Lagerbestände, die Nachkalkulation abgeschlossener Projekte, Überblick über den Stand der Eingangs- und Ausgangsrechnungen und das Finanz- und Betriebsergebnis. Im Bereich der Kunden der Überblick über die Kundenhistorie und Nachverfolgungssysteme für laufende Angebote und Projekte. Im Bereich von Blogs und Netzwerken erkennt ein Betrieb, wie er von anderen, von seiner Umgebung wahrgenommen wird.
Sebastian Zahn: Was würden Sie abschließend einem Handwerksbetrieb zum Thema Digitalisierung mit auf den Weg geben?
Helmut König: Orientiere dich an deinen Kunden. Die Digitalisierungsinstrumente, die deine Kunden und Geschäftspartner einsetzen brauchst du auch. Mehr und andere brauchst du nur, wenn du neue Kundengruppen erschließen willst, aber auch dann gilt das gleiche wie im vorherigen Satz. Überprüfe dein genutztes IT System, viele Verbände des Handwerks können dazu gute Ratschläge erteilen. Ein Rat von mir ist immer noch präsent: „Glaub nicht jedem, aber lehne auch nicht jede Meinung und Idee ab.“ Und auch ein Satz von Arnold Messner ist nach wie vor wichtig: „Wer nichts versucht, kann noch nicht mal scheitern.“
Sebastian Zahn: Lieber Herr König, vielen Dank für das Gespräch!