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BGH: Eigensicherung nur bei allgemeinem Verkehrsbewusstsein

Timo Schutt | 27.06.2014
Ist man für Eigensicherungsmaßnahmen verantwortlich, obwohl es dafür keine gesetzliche Pflicht gibt? Diese Frage wurde nun vom höchsten deutschen Gericht am Beispiel eines Fahrrad-Helms entschieden:
Eine Radfahrerin hatte einen Unfall und trug schwere Kopfverletzungen davon. Während der Unfallverursacher 80% des Schadens der Frau zahlen sollte, wies das Oberlandesgericht der Frau ein Mitverschulden von 20% zu, weil sie keinen Helm getragen hatte. Nun musste der BGH klären, ob das Nicht-Tragen auch zu einem Mitverschulden führt, wenn es keine gesetzliche Helmpflicht gibt. Aus dem Urteil ergeben sich interessante Fakten auch für die Veranstaltung:

Der BGH hatte entschieden, dass das Nicht-Tragen eines Fahrrad-Helms nicht zu einem Mitverschulden führt, weil das es einerseits keine gesetzliche Helmpflicht gebe und andererseits das Tragen zum Unfallzeitpunkt nicht „verkehrsüblich“ gewesen war.

Grundsätzlich kann man zwar auch zur Verantwortung gezogen werden, wenn es keine gesetzliche Regelung gibt – wie so oft bei Verkehrssicherungspflichten.
Das gilt aber nur, so der BGH, wenn das Tragen eines Schutzhelmes nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Im Unfalljahr 2011 aber hätten nach einer repräsentativen Verkehrsbeobachtung lediglich 11 % der Radfahrer einen Helm getragen – zu wenige, um von einem „allgemeinen Bewusstsein“ bei den Radfahrern auszugehen.

Dies ist ein Argument, das man auch mit Blick auf andere Fragestellungen nicht vernachlässigen darf: Grundsätzlich ist der Veranstalter verpflichtet alles Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen, damit nichts passiert. Dabei darf er von einem durchschnittlich aufmerksamen Besucher ausgehen. Maßgeblich ist dabei auch, ob der Besucher eine Sicherheitsmaßnahme erwartet bzw. erwarten darf – auch hier spielt das allgemeine Bewusstsein eine Rolle: Wenn ein Besucher (bzw. allgemein ein Vertragspartner) keinen Schutz erwartet, muss man grundsätzlich auch nichts tun, um ihn zu schützen.

Man kann auch sagen:
• Gibt es ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zu einem bestimmten Aspekt der Veranstaltungssicherheit bei Besuchern, muss diesbezüglich der Besucher mehr auf sich selbst aufpassen.
• Gibt es umgekehrt kein solches Bewusstsein, muss einerseits der Besucher für sich keine Sicherheitsvorkehrung treffen, und ggf. aber auch nicht der Veranstalter – nämlich dann, wenn der Besucher hier auch nichts erwartet bzw. erwarten darf.
• Gibt es dieses Bewusstsein auch auf Seiten der Veranstalter, muss auch der Veranstalter aktiv werden – vergleichbar mit dem “Stand der Technik”.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)